Beiträge von Sudhana im Thema „Was ist der mittlere Weg?“

    mukti:

    Ein kultivierter Raucher hat mehr davon als ein Kettenraucher, er raucht genussvoll und unter weniger Zwang und leidet obendrein weniger unter Gesundheitsschäden.

    Wenn man sich seine Zwänge frei(!) aussuchen kann, verlieren sie ihren Zwangscharakter. Wenn mein Nachbar beim Zazen ein Raucher ist, dann rauche ich gewissermaßen unter dem Zwang dieser Nachbarschaft. Den Geruch, den er über seinen Atem und evt. auch seine Kleidung an die Luft des Raumes abgibt, den wir teilen, ist ein solcher Zwang; er ist mein Preis des gemeinsamen Zazen mit ihm. Und so teile ich achtsam und wach seinen Tabakgenuss - ohne mehr davon zu wollen. Ich will auch nicht weniger davon, aber ich halte diesen Genuss für verzichtbar und es würde mich für meinen Nachbarn freuen, wenn wenn er diese ungesunde Anhaftung lösen könnte. Aber das ist kein Anspruch von mir, den ich an ihn stelle - nur von meiner Seite fehlender "Willen zum Genießen" und Mitgefühl mit meinem Nachbarn.

    mukti:

    Besonders schlau ist demnach das Motto 'Genießen ohne Anhaften'.

    Das ist natürlich der klassische Selbstbetrug der Genießenden, oft genug bestenfalls "Sati ohne Sampajañña". Der Ansatzpunkt ist hier die Natur des "Genießens". Ist dies der letzlich leidhafte Versuch, einer Begierde nachzugehen bzw. ein Mangelgefühl zu ersticken (diesen Zusammenhang von Hin- und Abneigung bezeichnet man als "Sucht") oder ist das mittlerer Weg - Akzeptanz dessen, was ist, wie es ist, ohne Hin- und Abneigung?


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    mukti:

    Es erscheint mir schwierig, während des Genießens die nötige Achtsamkeit zu entwickeln.


    Das ist es auch. Der 'Trick' dabei ist, die nötige Achtsamkeit aufrecht zu erhalten, wenn man in das Genießen hinein geht. Der Begriff "genießen" ist hier insofern geeignet, als er sich teilweise mit dem Begriff des "Genusskörpers" der Trikaya-Doktrin deckt. Dieser hat zwei Aspekte - einen nach außen und einen nach innen gewandten Aspekt, tajuyū shin und jijuyū shin. Die Übung des "Genießens in nötiger Achtsamkeit" nennt Dōgen das Samādhi des nach Innen ausgerichteten Genusskörpers, jijuyū zammai. Dieses "Genießen" ist nichts anderes als Zazen.


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    fotost:

    Es geht letztlich in der Steigerung um die Überwindung des Gefühls.

    Meines Erachtens nicht nur. Es geht schon um eine "Überwindung" der upādānaskandhah insgesamt, nicht nur des vedanaskandha.

    fotost:

    Dabei hat bestimmt selbst ein Buddha noch Gefühle gehabt.

    Ich würde da -etwas vorsichtiger - sagen: etwas in der Art. Das leugnen ja auch die Therāvadin nicht, im Gegenteil. Man spricht hier von sopādadisesanibbāna, einem "nibbāna mit [skandha]Resten" im Unterschied zum anupādadisesanibbāna, dem auch von diesen skandha-Resten freien nibbāna. Der Übergang zwischen beidem ist das parinibbāna.


    Spekulationen über die Beschaffenheit dieser skandha-Reste halte ich für müßig. Nach dem Zeugnis des Palikanon tat dies auch Buddha Shakyamuni und als Kronzeuge dafür, dass dies auch im Mahāyāna nicht anders gesehen wird, kann man auf Nagārjuna verweisen (MMK XXV.15-18).


    Sicher hatte Buddha Shakyamuni nach seinem Erwachen ein "Schmerzempfinden"*, z.B. "wenn er bei seinen Wanderungen auf einen spitzen Stein getreten ist", also eine physiologische Reaktion des rupaskandha auf einen durch seine Intensität bei Andauern den rupaskandha schädigenden Reiz. Die Wahrnehmung alleine (vedanāskhandha) bewirkt ja noch keine aktive Änderung des gereizten Zustandes, also treten in irgendeiner Form auch noch die anderen skandhah hinzu. Ob nun das, was Buddha Shakyamuni als "Schmerz" empfand überhaupt noch vergleichbar ist mit dem, was ein unerwachtes Wesen als Schmerz empfindet, ist eine andere Frage. Das ist keine Frage nach dem Vorhandensein eines Reizes (visuell, auditiv, olfaktorisch, gustativ, taktil oder mental) und der physiologischen Reaktion darauf, sondern auf die psychologische. Der letztlich entscheidende Punkt ist, dass die "skandhah-Reste" des sopādadisesanibbāna keine "Nahrung" (āhāra im Sinne der vierfachen Nahrung des Sammāditthi Sutta MN I.9) mehr sind, weil der "Durst" tṛṣṇā / taṇhā versiegt ist.


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    *Konkret wird im Palikanon von massiven Rückenproblemen im fortgeschrittenen Alter berichtet.