Beiträge von Angulimala im Thema „Sutra versus Tantra“


    Hallo bel,
    soweit zum Selbstverständnis des Zen. Wie ich bereits sagte: vermutlich sieht der Sachverhalt aus Zen-Sicht völlig anders aus. Aus Dzogchen- und Mahamudra-Sicht macht das aber durchaus Sinn und bedarf keiner Zustimmung.

    bel:

    Im Bön-Forum wurde aus "John M. Reynolds: WHAT IS DZOGCHEN?" (http://vajranatha.com/articles/dzogchen-and-meditation.html)
    wie folgt zitiert:


    Zitat

    The (Dzogchen-) practitioner can access the state of contemplation through the practices of Zen, Dzogchen, and Mahamudra. However, Zen exists in the context of the Sutra system in terms of its explanations and source texts, whereas Dzogchen and Mahamudra come out of the context of the Tantric system and its processes for transformation.


    kann mal einer hier nachvollziehbar (nicht dogmatisch) erklären, warum Zen zum "sutra sytem" gehört, und was im Gegensatz dazu "tantric system" ist.


    Ich lese den Text so: Zen existiert in seinen Erklärungen, Ausdrucksweisen und Quelltexten innerhalb des Sutrasystems. Ich musste da gleich ans Madhyamaka denken und die Erklärungen von Nagarjuna. Ferner geht es in dem Zitat um Kontemplation, nicht um Meditation. Die Kontemplation über Leerheit zB. ist einem (Dzogchen) -Praktizierendenen sowohl mit Zen Methoden, als auch mit Dzogchen und Mahamudra möglich.


    Ich kann mir gut vorstellen, daß das Zitat eine Antwort auf eine Frage war(?). (Zb die Frage, ob man mit der formlosen Philosophie des Dzogchen auch den formlosen Weg des Zen praktizieren könne). Wenn ja, kann ich mir vorstellen, daß dieser kurze Ausschnitt die philosophischen Berührungspunkte zwischen Zen, dem Mahayana und den anderen tantrischen Schulen mit deren philosophischen Sichtweisen hervorheben soll. Bestimmte Dinge wie Kontemplation -also tiefes Nachsinnen- sind zwar vereinbar, letztlich aber ab einer gewissen Ebene dann doch unterschiedliche Wege. (Sutra, Tantra).
    Die Erklärung ist vermutlich aus der Sicht eines Dzogchen, und kann durchaus aus der Perspektive anderer Schulen völlig anders gesehen werden. Würde man die Zen-Sichtweise dem gegenüber stellen, könnten das durchaus zwei Meinungen sein, die deswegen nicht falsch sein müssen, sondern nur ein Blick aus unterschiedlichen Richtungen.
    Hier hinter vermute ich die Inhalte des Shentong (Leer von Anderem), Rangtong (Leer von einem Selbst) -beides unterschiedliche Sichtweisen innerhalb des Madhyamaka bzw. dem grossen Mittleren Weg (Sutrayana) und dem Detong (Freude und Leerheit, Tantrayana). Ab der Ebene, sind die philosophischen Betrachtungen eben unterschiedlich und man hört, daß sich Gelehrte über sowas schon ewig streiten, bzw uneins sind. Gut möglich, daß sich das auch ins Forum rein trägt.


    Unter Berücksichtigung, dass diese Erklärungen aus Sicht des Tantrischen Buddhismus kommen und keinesfalls der Sicht vom Zen entsprechen muss (mal abgesehen davon, dass die Grenzen zw. Sutra und Tantra ohnehin fließend sind), hier noch zwei Begriffe:
    Ursache-Merkmal-Fahrzeug
    Frucht-Diamant-Fahrzeug


    Ersteres ist aus "unserer" Sicht das Mahayana, das durch die verschiedenen Ansammlungen, Paramitas und Leerheitspraktiken die Ursachen für die Erleuchtung setzen und dann auch dazu führen, während
    Zweiteres mit der Frucht, der Erleuchtung selbst arbeitet (man erlebt sich als Buddha, als Methode. In der Form, mit den Kayas und den reinen Ländern) allerdings auf Basis des Ersteren.


    Das ist sehr stark zusammengefasst, wen das sehr interessiert, kann sich ein super Buch dazu bestellen, von Tenga Rinpoche: "Sutra und Tantra". Da werden alle Sichtweisen eins zu eins gegenüber gestellt.


    Die Sichtweisen hier sind also einmal vom Weg auf das Ziel, während der andere vom Ziel auf den Weg blickt. Da sehe ich übrigens zumindest die tantrische Nähe zum Zen: "Erleuchtet ist man hier und jetzt, auf diesem Platz".


    So würde ich deine Frage beantworten, bel. Es ist immer gut, damit insofern sensibel umzugehen, als das es unterschiedliche Erklärungen zu gleichen Sachverhalten gibt. Für mich haben die Wege alle ihre Richtigkeit. Die SIchtweisen aufeinander können oft unschmeichelhaft wirken, wenn man zu sehr vom eigenen Konzept überzeugt ist. Daher ist dein Hinweis mit "undogmatisch" gut. Da wähle ich für mich die "Sowohl-als-auch" Haltung. denn das alles hat für meine Meditation keinerlei Bedeutung.