Ich versteh mich selber nicht. Mein Geschreibsel hier ist der Versuch, zu einem Verstehen zu kommen.
al-Nuri:
Ich hab das noch nicht verstanden, würde es aber gern verstehen.Bedeutet Deine letzte Antwort im Zusammenhang mit og.,daß Du nicht mehr glaubst diese Art Disziplin wird " auch von was anderem getragen "?
In diesem Kloster: Nein.
In diesem Kloster, scheint mir, ist diese Disziplin nur Geronnene Zeit. Fünfhundert Jahre Hauptmönch-Egos, einer nach dem anderen. Jeder macht es, wie es die Vorfahren gemacht haben, UND fügt noch eine winzig kleine Sache hinzu, DIE DIE ZEREMONIE NOCH VERBESSERN WIRD. Bis die Zeremonie dieser unmenschliche Wahnsinn ist, den wir da sehen, und in dem die Menschen DEM RICHTIGEN geopfert werden.
Mir scheint, dass dort alle üben, das RICHTIGE zu machen. Es RICHTIG zu machen, UND es dazu NOCH BESSER zu machen. IST DAS ZEN? Wäre es nicht eher Zen, in dieser Zeremonie mal das Pult fallen zu lassen, oder laut zu schreien? Einmal, zweimal, dreimal? Was würde dann geschehen? Würde irgendwann mal irgendwer anfangen zu fragen: WAS MACHT DAS PULT HIER? Brauchen wir es? Oder würde der, der mehrfach das Pult fallen ließ, nicht eher freundlich aufgefordert, das Kloster zu verlassen? In die Küche geschickt, bestenfalls? Weil er die Show kaputt macht?
Ich frage mich: Stellt in diesem Kloster irgendwer irgendwann irgendwem mal Fragen, außer "Wie macht man es richtig"?
Ich möchte explizit nicht das Klosterleben ansich oder Soto-Zen ansich oder die Disziplin ansich in Frage stellen, sondern die Praxis und die Disziplin IN DIESEM KLOSTER. Dieses Kloster hatte für mich bisher immer so eine Art "Höchste-Praxis-Tempel"-Status. Eiheiji - whoooaaaahhh! Da gehen die ganz Harten hin!
Jetzt denk ich: was für ein Schwachsinn. Unsere Praxis ist eine gute Praxis. Unsere Praxis ist eine lebendige Praxis. Unsere kleinen wackeligen Soto-basierten Rituale, die wir in unserem kleinen wackeligen Soto-Dojo praktizieren, sind gute Rituale. Weil sie zusammenbrechen, wenn einer fehlt, oder wenn einer neu ist, oder wenn einer was vergessen hat. Weil sie zusammenbrechen DÜRFEN, ohne dass irgendeine Psyche daran kaputt geht. Immer wieder. Und wenn´s mal klappt und fluppt, freuen sich alle. Wenn das Hannya Shingyo donnert, die Trommel paukt und das Glöcken pingt, weil ausnahmsweise mal alle da sind und aus vollem Herzen mitmachen.
Ich denke, diese Zeremonien - und letztlich auch die Disziplin - bleiben nur lebendig, wenn sie immer in Frage stehen. Und das geschieht bei uns - in unserem kleinen Dojo.
Andererseits - und hier stoße ich an meine Grenze - gäbe es unsere Rituale wohl nicht, wenn es nicht Eiheiji als Referenzpunkt gäbe. Unsere Rituale kommen von einem Mönch, der in Eiheiji gelernt hat (ein ziemlich egozentrischer Kerl übrigens, wenn ich es richtig gehört habe).
Vielleicht kann man es so sehen: Wir haben was, was die nicht haben, und die haben was, was wir nicht haben. Daraus könnte folgen, wie Ji-un ken sagte, beides einfach nebeneinander stehen zu lassen.
Durch diesen Film hat sich etwas für mich geändert. Und zwar: Jetzt weiß ich, dass es keinen Ort der idealen Praxis gibt. Unsere unvollkommene Praxis ist - und das ist eine gewisse Enttäuschung - eine vollständige Praxis. Es gibt keinen Ort der noch vollständigeren Praxis, zu dem wir irgendwann mal hingelangen könnten.
Zitat
Siehst Du nicht auch gerade einen Zusammenhang zw. der Disziplin und dem Abwerfen und Aufbrechen von Masken und Verpanzerungen ?
Bei mir ist es umgekehrt. Erst wenn die Masken weg sind, die Verpanzerung weg ist, wird echte, richtige, lebendige und unangestrengte Disziplin möglich. Erst dann wird es möglich, dem Augenblick zu begegnen, d.h. das zu tun WAS NÖTIG IST. (Im letzten Jahr habe ich meine Panzer so deutlich kennengelernt, dass ich das jetzt mit Sicherheit so sagen kann.)
Zitat
Du gibts doch jetzt nicht auf-oder ?
( ich frage,weil du oben ganz in der Vergangenheitsform geschrieben hast )
Nee
Ich denke mal, ich fang grad erst an.