hedin02:Hierzu habe ich weiter oben bereits Stellung bezogen:
Man wollte m.E. zum damaligen Zeitpunkt den ausufernden Auslegungen der Lehre mit einer analytischen Fixierung (Abhidhamma) entgegentreten.
Ja und nein. In historischer Hinsicht sollte man nicht von dem Abhidhamma sprechen, sondern von den Abhidharmas (Mehrzahl) und auch nicht von einem Zeitpunkt, sondern einem Zeitraum - etwa bis ins 5. Jahrhundert. Es handelte sich ja um mehrere Korpora und ihre Entstehung steht in direktem Zusammenhang mit der Herausbildung und Ausdifferenzierung der verschiedenen Hinayana-Schulen ('Hinayana' hier bitte ausschließlich als indologischen Sammel- und Fachbegriff verstehen), die ja jeweils ihre eigenen Sammlungen von exegetischen Werken hatten. Von den Sautrantika mal abgesehen, die Abhidharma-Werke grundsätzlich als unkanonisch ablehnten und entsprechend auch nur einen "Zweikorb" mit Vinaya und Sutra hatten. Das wird häufig übersehen, weil die Theravada-Tradition die einzige überlebende aus der Vielfalt der frühen exegetischen Traditionen ('Schulen') ist und von den Abhidharmas der untergegangenen Traditionen nur Bruchstücke (z.T. als Zitate in späteren Werken), chinesische Übersetzungen (vor allem von Xuanzang) bzw. Kompendien wie (als bedeutendstes) Vasubhandhus Abhidharmakośabhāșyam als Zusammenschau des (ebenfalls 7 Abteilungen umfassenden) Abhidharma der Sarvāstivādin erhalten blieben. Von der quantitativ sehr bedeutenden Traditionslinie der Vatsiputriya ('Personalisten', Pudgalavadin) hingegen blieb fast nichts - ihre Sichtweise kennen wir eigentlich nur aus (sicherlich nicht objektiv-unparteiischen) Darstellungen ihrer Gegner; ähnlich wie es bei vielen der frühen christlichen 'Häresien' der Fall ist. Wir wissen nicht einmal, ob ihr Sutrapitaka noch weitere, ansonsten nicht überlieferte Texte in der Art des berüchtigten Bhāra Sutta (SN 22.22) enthielt.
Es ging also nicht um Fixierung 'der Lehre' sondern um Fixierung einer jeweils speziellen Auslegung der Lehre. Also um die Differenzierung in 'Schulen', die sich ja ganz wesentlich über diese Auslegung definierten und gegeneinander abgrenzten. Die sich (vor allem durch die immense lokale Streuung des Sangha) herausbildenden Unterschiede in der Sutra- und Vinaya-Überlieferung waren demgegenüber marginal.
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