Hallo Prathiba
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Deshalb ist die Empfehlung, das gedankliche Urteilen und bewerten zu unterlassen und nur die Empfindungen wahrzunehmen.
Der erste Schritt ist immer, zu erkennen das wir gerade eine "Bewertung" laufen lassen. Alleine sich das bewusst zu machen
ist schon sehr heilsam / hilfreich.
Dann im 2. Schritt kann man im Rahmen einer achtsamen Herangehensweise versuchen, das Bewerten zu reduzieren und vielleicht
immer mehr zu unterlassen.
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Ich sehe ihn an und in mir steigt ein "unangenehmes" Gefühl auf.
Ich würde das so formulieren: die Wahrnehmung des aufsteigenden Gefühles / Empfindung ist noch keine Wertung.
Das aufsteigende Gefühl mit einer Einteilung in "angenehm/unangenehm/neutral" zu kategorisieren ist die gedankliche Wertung.
Ohne die Bewertung gäbe es nur die Wahrnehmung von Farbe und Form und Geräusch ( der eintretende junge Mann) und Empfindung (deine).
Hier kannst du als Hilfe einfach eine Trennung vornehmen: der reine Fakt ("ein Mann betritt das Büro". "In mir nehme ich eine bestimmte Empfindung wahr.."),
davon differenziert: die Bewertung ("der ist aber komisch"; "ich habe ein schlechtes Gefühl"). Also alles was über den reinen Fakt hinausgeht.
Auf deine Frage würde ich deshalb antworten, ja. In " angenehm, unangenehm, neutral" ist eine gedankliche Bewertung drin.
In der Wahrnehmung der entsprechenden Empfindung nicht.
Als anderes Beispiel würde ich das Thema Schmerz nehmen. Vermutlich wird das jeder spontan als "unangenehm/ schlimm/ negativ" bewerten.
Wenn man aber den Werdegang von Jon Kabat-Zinn anschaut (der die Achtsamkeitsmethode MBSR maßgeblich mit etabliert hat), er hat
am Anfang mit Schmerzpatienten gearbeitet. Im Laufe des Prozesses lernten diese, die Empfindung zwar wahrzunehmen, auch zu
benennen, aber eben nicht die Bewertung des Unangenehmen/Schlimmen/ Negativen daran zu heften sondern die Bewertung sein zu lassen.
Die Empfindung "Schmerz" war dadurch etwas, was halt im Moment so war und akzeptiert wurde ohne sie negativ zu bewerten und dagegen zu kämpfen.
Die Bewertung erfolgt durch die gedankliche Einteilung und Benennung.
Die Konsequenz war, daß diese Patienten viel weniger Leidensdruck hatten obwohl die Schmerzen am Ende der Schulung unverändert waren.
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Wäre es deswegen nicht besser, nur wahrzunehmen: "Mensch" und die Kette vor der Empfindung "unangenehm" zu unterbrechen?
Es kann doch mit allem möglichen zu tun haben, aber nicht mit diesem Menschen!
Richtig. Aber die Kette abzubrechen ist ein Idealzustand. Gut wäre schon, sich bewußt zu machen was gerade passiert (die Bewertung).
Und dafür braucht man die Achtsamkeit.
Lg Rolf