Beiträge von RolfGe im Thema „ettikettieren angenehm, unangenehm, neutral“

    Hallo !


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    Gibt es objektive und subjektive Realität in dieser Kette und wo?


    Das kommt darauf an, welche Schulrichtung/ Lehrmeinung du fragst ;) .
    Die Vaibashikas und Sautrantikas ("Realisten") gehen von objektiver Realität aus,
    bei den Yogacarin und vor allem bei den Madhyamakas ist das nicht mehr so.

    Zitat

    Könnte man statt "Empfinden" auch "Eindrücke" sagen? Also die Sinne erfahren durch die Berührung "Eindrücke" und
    durch die "Gedanken" erfahren sie "Bewertungen und werden so zu "Empfindungen"?


    Jein. Eine Wahrnehmung ist ein abhängiges Phänomen. Das Sinnesbewusstsein, das Sinnesobjekt und die Sinneswahrnehmung
    müssen zusammenkommen. Die Sinne werden nicht von etwas objektivem von außen "beeindruckt".
    Außer bei den o.g. "Realisten"


    Zitat

    Ist erst die Körperempfindung da und dann sie psychische Empfindung, oder anders herum?


    Also verspannen sich erst die Muskeln und daher weiß ich, dass ich Angst habe?
    Oder habe ich erst Angst und dann Verspannen sich die Muskeln?


    Auch das ist ein abhängiges Phänomen. Die Vorgänge sind abhängig verbunden und die Benennung
    formuliert dann "Angst"


    LG Rolf

    Hallo Prathiba, hallo miteinander


    Zitat

    Ja eben und „unangenehm“ ist doch eine Bewertung, oder?


    Deine Kategorisierung in „unangenehm“ ist eine Bewertung. Die bloße Wahrnehmung einer Empfindung
    welcher du im Nachhinein den Stempel „unangenehm“ aufdrückst ist erst mal keine Bewertung sondern lediglich eine Wahrnehmung.


    Nimmst du Schmerzen wahr ohne sie zu bewerten ist das nur eine Empfindung.
    Stülpst du dann ein gedankliches Urteil (sprich: eine Bewertung) darüber, wie zB. „Schmerzen sind
    schlimm/unangenehm/ negativ“, ist das eine Bewertung.
    Die Wahrnehmung ist erst mal die Gleiche. Dann folgt die Bewertung und Benennung.


    Der Mann der in die Beratungsstelle kommt und in dir (scheinbar) ein schlechtes Gefühl auslöst, ist erst mal nur ein Mann. Und dein Gefühl ein Gefühl oder eine Empfindung.
    Erst wenn du ihm eine Beurteilung überstülpst („der ist aber komisch“) oder das Gleiche mit deiner Empfindung machst („ich habe ein schlechtes Gefühl“) ist eine Bewertung dazu gekommen.


    Die Bewertung ist also ein Schritt der nach der ersten Wahrnehmung erfolgt. Allerdings so schnell und so gewohnheitsmäßig, daß es uns wie ein einziger Vorgang erscheint.


    LG Rolf

    Hallo Prathiba


    Zitat

    Deshalb ist die Empfehlung, das gedankliche Urteilen und bewerten zu unterlassen und nur die Empfindungen wahrzunehmen.


    Der erste Schritt ist immer, zu erkennen das wir gerade eine "Bewertung" laufen lassen. Alleine sich das bewusst zu machen
    ist schon sehr heilsam / hilfreich.
    Dann im 2. Schritt kann man im Rahmen einer achtsamen Herangehensweise versuchen, das Bewerten zu reduzieren und vielleicht
    immer mehr zu unterlassen.


    Zitat

    Ich sehe ihn an und in mir steigt ein "unangenehmes" Gefühl auf.


    Ich würde das so formulieren: die Wahrnehmung des aufsteigenden Gefühles / Empfindung ist noch keine Wertung.
    Das aufsteigende Gefühl mit einer Einteilung in "angenehm/unangenehm/neutral" zu kategorisieren ist die gedankliche Wertung.
    Ohne die Bewertung gäbe es nur die Wahrnehmung von Farbe und Form und Geräusch ( der eintretende junge Mann) und Empfindung (deine).


    Hier kannst du als Hilfe einfach eine Trennung vornehmen: der reine Fakt ("ein Mann betritt das Büro". "In mir nehme ich eine bestimmte Empfindung wahr.."),
    davon differenziert: die Bewertung ("der ist aber komisch"; "ich habe ein schlechtes Gefühl"). Also alles was über den reinen Fakt hinausgeht.


    Auf deine Frage würde ich deshalb antworten, ja. In " angenehm, unangenehm, neutral" ist eine gedankliche Bewertung drin.
    In der Wahrnehmung der entsprechenden Empfindung nicht.


    Als anderes Beispiel würde ich das Thema Schmerz nehmen. Vermutlich wird das jeder spontan als "unangenehm/ schlimm/ negativ" bewerten.
    Wenn man aber den Werdegang von Jon Kabat-Zinn anschaut (der die Achtsamkeitsmethode MBSR maßgeblich mit etabliert hat), er hat
    am Anfang mit Schmerzpatienten gearbeitet. Im Laufe des Prozesses lernten diese, die Empfindung zwar wahrzunehmen, auch zu
    benennen, aber eben nicht die Bewertung des Unangenehmen/Schlimmen/ Negativen daran zu heften sondern die Bewertung sein zu lassen.


    Die Empfindung "Schmerz" war dadurch etwas, was halt im Moment so war und akzeptiert wurde ohne sie negativ zu bewerten und dagegen zu kämpfen.
    Die Bewertung erfolgt durch die gedankliche Einteilung und Benennung.
    Die Konsequenz war, daß diese Patienten viel weniger Leidensdruck hatten obwohl die Schmerzen am Ende der Schulung unverändert waren.


    Zitat

    Wäre es deswegen nicht besser, nur wahrzunehmen: "Mensch" und die Kette vor der Empfindung "unangenehm" zu unterbrechen?
    Es kann doch mit allem möglichen zu tun haben, aber nicht mit diesem Menschen!


    Richtig. Aber die Kette abzubrechen ist ein Idealzustand. Gut wäre schon, sich bewußt zu machen was gerade passiert (die Bewertung).
    Und dafür braucht man die Achtsamkeit.


    Lg Rolf