Beiträge von void im Thema „Unverständnis bei Christen wegen "Fehlen höherer Instanz"“

    Zitat

    jenau, und das stand mir, und wahrscheinlich auch Byung-Chul, im Vordergrund, anstatt krampfhaft Kritik an dieser Aussage zu üben.


    Warum ich darauf rumreite ist nicht, dass ich Byung-Chul Han nicht mag, oder an allem das Negative sehen will. Mein Motivation ist sehr nahe am Thema dieses Threads, wo es ja um den interreligiösen Dialog und seine Missverständnisse geht. Und eines der grössten Hindernisse ist das, seine eigene Religion als ein Wundermittel zu sehen, das immer passt und nur Positives bewirkt. Bei anderen Religionen ist das ja leicht zu sehen: Also dass es der christlichen Assoziation des Heilsamen mit Vater und Herrscher zwar einerseits tiefe Schichten unserer Prägung mobilisert, andererseits genau dadruch fehl gehen kann. Genauso hat auch der Buddhismus sein Fallstricke. Während es spirituell gesehen wenig Sinn macht, sich die Schwachstellen des Buddhismus zu vergegenwärtigen ( von Zweifel am Dharma wird ja eher abgeraten) ist Demut im interreligiösen Dialog sinnvoll.


    Yoni:

    Jup, ich weiß was du meinst, aber das wäre imho simpel ne Fehlinterpretation des Dharma.


    Bei vielen Sachen ist es ja so, dass man verschiedene Fehlermöglichkeiten gegeneinander abwägen muss. Zum Beispiel bei medizinischen Test, bei denen man keine hundertprozentige Trefferwahrscheuinlchkeit erzielt. Man kann sich lediglich aussuchen, welche Art der Fehler man in Kauf nimmt. Man kann sie also entweder so einstellen kann, dass sie viele falsch positive liefern ( Leute bekommen das Medikament, die es nicht brauchen) oder falsch negative ( Leute, die das Meikamant brauchen, kriegen es nicht) oder irgendwas dazwischen. So hat jede religiöse Lehre ihre ganz eignen typischen Risken und Nebenwirkungen wenn sie falsch engewendet werden.


    Es ist schwer mit jemanden zu sprechen, der diese nicht sieht und seine eiegenen Religion mit deren Ideal verbindet. Wenn Gott das Gute ist, wie kann dann irgendwas, was im namen Gottes passiert schlecht sein? Wenn die Kirche die soziale Manifestation dieses Guten sind, kann es in der Kirche keine Missstände geben. usw.

    Yoni:

    Fakt für mich ist, dass das Festbinden in deinem Beispiel an sich ja schon ein Gewaltakt ist. Und die Ursache dafür, dass diesem Wesen Leid geschieht. Da hat man wohl einfach die Verantwortung für das Leid abgegeben.
    Diese Praxis rechtfertigte sich außerdem auch bestimmt nicht aus dem Buddhismus heraus, sondern dem bestehenden Rechtssystem (das den B. zwar schon als kulturellen Hintergrund hatte, aber nicht die Ursache dieser Praxis ist bzw. war).


    Es gibt unterscheidliche Mythen, die Antwort darauf geben, wo die Macht herkommt. Das biblische Modell ist personenzentriert: Die Macht kommt aus dem Willen des Menschen/des Herrscher/des Gottes. Während die östlchen Mythologien dazu neigen, die Dinge "unpersönlich" zu sehen: Also, dass die Gesellschaft einfach da ist und bestimmten Regeln unterliegt, so wie auch die Natur da ist und in ihr Regeln gelten: So wie die Katze Mäuse jagt, führen die Herrscher Kriege und die Adeligen stehen über den Bauern.


    Byung-Chul Han tut jetzt so, als wäre das östliche Modell, in dem Macht nicht "personal" auf einen Namen komzentriert ist, sondern diffus/unpersönlich/natürlich alles durchdringt deswegen "gewaltloser" und irgendwie besser. Damit liegt er aber falsch.


    Während das Personen-Modell zum Handeln ermutigt, dann aber auch Gewissen und Verantwortung einfodert, hat das Modell des Unpersönlichen die gegenseitige Wirkung. Es fordert auf sich zurück zu nehmen, und die Dinge durch Handeln nicht zu verschlimmern. Deswegen hat der Buddhismus auch keine Kreuzzüge hervorgebracht.


    Aber dies ist natürlich durch das Leid erkauft, dass durch Nichthandeln erzeugt wird. Durch das Achselzucken mit dem man hinnmmt, dass der "Nächste" verhungert, für den man sich nicht verantwortlich fühlt. Die Gewaltosigkeit des Buddhismus ist die Gewaltosigkeit eines Jesus, der den Tisch der Geldwechsler nicht umstößt, der Gewaltosigkeit eines heiligen Martins, der am Bettler vorbeireitet. So wie umgekehrt die tätige Liebe des Christentums eine Aufforderung zur Verawandlung der Welt ist, die dann eben auch zu Kreuzzügen führt.


    Samsara bedeutet, dass alles voller Risiken und Nebenwirkungen ist und jede Arznei in der falschen Dosis wider zum Gift wird. Das gilt für Gewalt genauso wie für Gewaltosigkeit.

    Yoni:

    Die fehlende Konzentrierung der >Macht< auf einen Namen führt zu einer Gewaltlosigkeit.


    Konzentriert sich Macht nicht auf einen Namen, dann bedeutet das nicht automatisch, dass sie deswegen nicht stattfinden würde. Im Gegenteil kann sie durch die fehlende Verortung sogar nebulös allegenwärtig und somit nicht kritisierbar sein. Während Hiob potentiell auf Gott schimpfen kann, erhält die "natürliche Ordnung" im Buddhismus den Charkter eines Naturgesetztes. Und es macht so wenig Sinn sie anzuklagen, wie man sich bei der Schwerkraft beschweren kann. So wird die Gewalt unangreifbar.


    In Tibet band man verurteilte Verbrecher am Boden fest. Was dann auf Grund von Wetter/Sonne/Kälte passiert ( sie starben natürlich elend ), dafür - so dachte man - könne ja niemand was. Und niemand musste deswegen "schlechtes Karma ansammeln". Weil ja, so dachte man, keine Gewalt ausgeübt wurde. Denn, das können nur Menschen und nicht die Natur.


    Natürlich kaan das Nebulöse, das Byung-Chul Han schätzt, an anderen Stellen auch Offenheit und Freheit bedeuten.

    Im Christentum läuft alles auf Gott raus, was dem ganzen System eine grosse Schönheit und Eleganz verleiht. Was aber auf der anderen Seite auch ein wenig betriebblind dafür macht, dass da ganz verschiedenen Elemente unter einem Dach zusammengefasst sind, die man auch auseinanderdivideren kann.


    Diese Betriebblindheit kann so weit gehen, dass man eine Chrsiten manchmal nicht mal sagen kann, dass auch ein Buddhist seinen Tag erfüllt von Dankbarkeit beginnen kann. "Aber wem gegenüber denn?" Fragt er entgeistert, weil er sich diese Art von Dankbarkeit nur gegenüber einer Person vorstellen kann. "Wem dem gegenüber???"


    So wie in BRD Zeiten die Postämter sowohl für Telefon als auch für Briefe zuständig und es dann eine Weile gedauert, sich daran zu gewöhnen, dass es jetzt die Telekom (Telefon) , die Briefpost (Post), DHL(Pakete) und die normale Post gibt. Und man ein Gefühl dafür hat, an wen man sich für was wenden muss. Die Idee, dass derjenige der einem den Telefonaschluss legt nicht für die Briefe zuständig ist, war ersteinmal sehr gewöhnungsbedürftig.


    Und diese Irritation, dass das eine, zentrale (Gott) als etwas zusammengesetztes erscheint, ist eine Irritation die Christenten im Bezug auf den Buddhismus beschleicht. Das im Buddhismus vieles was im Chrsitentum Gott zugeschlagen wird ( Mitgefühl, geistiger Frieden, Geduld, Gleichmut, Mitfreude) hoch geschätzt wird, ohne dass in dem Zusammenhang auch dass auftaucht, was man sonst mit ihm verbindet (Allmacht, Schöpfer, Moralageber, Stammesgott, Vater, Ansprechpartner für Propheten, bärtiger Arbeitgeber von Engeln) irritiert ungemein.


    So als habe sich jemand ein Tortenstück aus Gott rausgeschnitten und lässt den Rest auf der Platte liegen. Das hinterlässt ein mulmiges Gefühl von Ungehörigkeit ja fast von Unanständigkeit.