Beiträge von diamant im Thema „Vinaya und Zen“

    Wie schade, dass so wenige Dôgen Zenji am Leben erhalten und so viele ihn für tot erklären ...


    Zitat

    Es ist noch nicht herausragend, die Worte eures Meisters zu begreifen.
    Erfasst seine Worte frei, bevor eine Erinnerung entsteht.
    Nur ein Mensch mit dem Buddha-Auge auf seiner Zungenspitze
    bezwingt den Feind wie ein Löwenjunges
    und gibt sie einer anderen herausragenden Person weiter.


    (Eihei Koroku)

    Im Buddhismus bedarf es nach meiner Kenntnis zunächst der Empathie, dem Mitempfinden, wenn man für andere eintritt.
    Und im Falle Dôgens einer breiten Kenntnis seiner Schriften und der diesbzgl. Sekundärliteratur. Der Rest folgt dann gewissermaßen von selbst.

    Zitat

    nimm dich der unter dir an

    (Zitat Shoji, von bel eingebracht)


    Nun, dann wollen wir mal hören, wie die Shikantaza-Praktizierenden IM Shikantaza sich derjenigen unter ihnen annehmen.
    Denn um diesen Widerspruch ging es: Zielgerichtetes Tun (im Shoji) gegenüber Nur-Sitzen (das ja angeblich kein "um zu" kennt ...).


    Und wer hier "Nur-Sitzen" mit altruistischem Handeln verwechselt.


    Allerdings: Das könnte ein schwerwiegendes Problem aufwerfen, dass sich Menschen im Nur-Sitzen tatsächlich vormachen, sie würden sich dabei um andere kümmern.


    Und dann schauen wir mal, wer sich an die Tradition hält und dies praktiziert:


    Zitat

    hege gegen nichts Abscheu

    (Zitat Shoji)



    [gelöscht, habe Jojos Beitrag im Salon erst jetzt gelesen, danke für die Warnung; von mir ist übrigens, in Anspielung an ein Deshimaru-Zitat, ebenfalls der Satz überliefert: "Ich bin Soto." was u.a. ausdrücken soll, dass ich denke, Dogen gegen missverständnisse und vereinfachungen zu verteidigen.]

    Da in dem Shoji-Zitat ein aktives Tun beinhaltet ist, kann es jedoch nicht Shikantaza sein - und sich auch nicht darin "erweisen" (vorsicht, Zensprech!). Wieder werden die Widersprüche Dogens einfach vermischt, statt klar voneinander unterschieden zu werden.

    Zitat

    Nur steht da nix pars pro toto


    Wenn man nicht weiß, was das bedeutet, und nicht in der Lage ist, einen Text zu verstehen, steht da gar nichts - und man betreibt selbst das Zazen falsch (nämlich als Bestätigung des Ego).


    Wenn eins für alles steht, ist dies genau das, was Bodiford u.a. so zusammenfassten: Zazen (Meditation) ist die gleichzeitige Verwirklichung von Weisheit und Regeln. Und nicht: Die Regeln sind die Verwirklichung der Meditation und der Weisheit (das hat Dogen ja gerade kritisiert). Es ist also das Zazen, das alles beinhaltet.


    Zitat

    Und auch im Zuimonki steht nicht besonders viel über Zazen.


    Was einmal mehr den Verdacht erregt, dass einer auch die Primärquellen nicht kennt, auch nicht nach soundsoviel "Vorträgen".


    Beispiele aus Okumuras Übersetzung:


    Bloße Behauptungen haben keinen Diskussionswert. Weiter oben wurde gerade erst Bodiford zitiert. Okumura übersetzte Dogens Bendowa so:


    Zitat

    In buddha-dharma [i.e. Buddhism], practice and enlightenment are one and the same.


    Praxis und Erleuchtung seien das Gleiche. Was Dogen unter Praxis versteht, erfahren wir hier:


    Zitat

    There is no gap between practice and enlightenment or zazen and daily life.


    Zwischen Übung und Erleuchtung oder Zazen und dem täglichen Leben gebe es keine Lücke.


    Weitere Interpretationen, die das verdeutlichen:


    Zitat

    What is different from Zazen is wrong, and what is just Zazen is Zazen.


    Zitat

    The goal of Zazen is to practice Zazen


    Was von Zazen verschieden ist, ist falsch - und was nur Zazen ist, ist richtig.
    Das Ziel von Zazen ist, Zazen selbst zu praktizieren. (Nishijima)

    Zitat

    Firstly, carry out what is prescribed to do and avoid what is prohibited in the precepts; then your mind will reform of itself.


    Selbst dieser Satz widerspricht einer anderen Aussage Dogens, nach der im Zazen die Gebote bereits erfüllt sind. Denn hier gibt es (noch) etwas zu tun (carry out) und zu meiden (avoid). Dieses Dogen-Verständnis herrscht leider auch in diesem Forum vor. Die Kernlehre Dogens war jedoch, dass es kein wörtliches Befolgen der Regeln gibt, sondern dass sie in der Zen-Übung erfüllt seien. Was für ihn - pars pro toto - Zazen bedeutete. Was jedoch im früheren Chan die Übung des Geistes im Loslassen und Gedankenberuhigen an sich war.


    Das Problem lässt sich eben nicht dadurch lösen, dass man Zazen als Erfüllung der Gebote ansieht, also formal rechtes Sitzen. Denn in diesem Sitzen können ja die Gedanken noch immer die Gebote verletzen. Es kommt also entscheidend auf die Ausrichtung des Geistes an. Und wenn diese nicht stimmt, dann bringt eben Zazen tatsächlich nichts - nicht einmal eine Veränderung im Verhalten, nicht einmal eine Veränderung im Lebensstil, nicht einmal eine Veränderung in den Ansichten, nicht einmal eine Veränderung in der Art zu denken und von den Gedanken lassen zu können. Natürlich sind dann auch die Gebote nicht erfüllt, geschweige denn Weisheit verwirklicht.

    Der Punkt ist, dass ein nach dem Vinaya ordinierter Meister wie Ju-ching, der zudem den Satz der 48 bodhisattva-Gelübde pflegte, wohl kaum einem Mann wie Dogen das Dharma-Erbe übertragen hätte, wenn dieser nicht in China seine Ordination im Vinaya nachgeholt hätte. Tatsächlich hat auch schon Eisai, den Dogen ja ausdrücklich lobt und unter dessen Schüler Myozen er studierte, den Vinaya vollumfänglich eingefordert. Dogen hat sich also nicht nur offensichtlich von Ju-ching, sondern auch vom Tendai und Eisai gleich mehrfach distanziert:


    1) Dogen lehrte Ejo, die wesentliche Lehre (shû, chin. tsung) des Zen sei die Sitzmeditation. Er sagte sogar, es sei falsch, das Wesentliche des Zen einzig im Befolgen der Regeln zu suchen. Dogen gab an, frühere Schüler Eisais in ihrem wörtlichen Verständnis der Gebote korrigiert zu haben.


    2) Dogen betonte wiederholt, dass alle drei Aspekte der buddhistischen Lehre (Gebote/Regeln, Meditation, Weisheit) gleichzeitig im Akt der Zenmeditation verwirklicht würden: "Wenn man in zazen sitzt, welche Gebote würden da nicht befolgt, an welchen Tugenden würde es da mangeln?"


    3) Dogen wies die Autorität des Shibunritsu (Vinaya) ausdrücklich zurück. Der Weg der Erleuchtung (bendô) könne nicht den Praktiken des Hinayana ähneln, der aus den Vorschriften des Vinaya bestünde.


    4) Dogen sagte auch, das Befolgen der Hinayana-Regeln bedeute ein Verletzen der Bodhisattva-Gelübde. Dies sei die wahre Lehre Buddhas. Die Regeln, die sowohl im Hinayana wie im Mahayana vorhanden seien (etwa die gegen das Töten) würden sich unterscheiden wie Himmel und Erde.


    5) Dogen hielt Klosterregeln für wichtiger als den Vinaya. Die Bedeutung der Regeln läge in ihrer Macht, neue Mönche zu ordinieren, dorch ihr wahrer Ausdruck geschehe im Alltag des Klosterlebens. Das Beachten der Gebote wurde so zu einer Übereinstimmung im täglichen Verhalten (anri), wie es von den Zen-Patriarchen etabliert worden sei. Selbst einer, der nie ordiniert würde oder die Regeln verletze, könne nicht von der Zen-Praxis ausgeschlossen werden.


    Alle Quellen in William Bodiford: Soto Zen in Medieval Japan. Honolulu 1993. (Hier wiedergegeben S. 168f.)


    Alles, was in den fünf Punkten wiedergegeben wurde, stammt von BODIFORD, nicht von mir (darum auch der wiederholte Konjunktiv, um aufzuzeigen, dass ich Bodiford zitiere). Es handelt sich dabei nicht um meine Interpretation.