Beiträge von Sudhana im Thema „Probleme bei der Atembetrachtung“

    blue_aprico:

    indem man sozusagen auf dem Steißbein "hockt" und das Becken nach vorn-unten kippen lässt


    Dazu eine Anmerkung. Ich hatte das mit dem "gekippten Becken" (man liest es in vielen Anleitungen) lange Zeit missverstanden und anscheinend geht/ging es auch Anderen so. Wenn man das als Anfänger gezielt versucht, kippt man zumeist das Becken im Bereich der Lendenwirbel und hat dann ein schönes, ungesundes Hohlkreuz und über kurz oder lang die zugehörigen Probleme.


    Tatsächlich wird das Becken gekippt, jedoch über das Kreuzbein-Darmbein-Gelenk (Iliosakralgelenk) - das nennt sich Nutation. Das Iliosakralgelenk ist nur sehr begrenzt beweglich und für die willentliche Nutation braucht man Übung und ein gutes Körperbewusstsein. Vor allem als Anfänger sollte man hier nicht zu viel wollen, die Vermeidung eines Hohlkreuzes ist wichtiger. Sinnvoll ist es, auf die Position der Sitzbeinhöcker auf dem Kissen oder Bänkchen zu achten. Ruhig mit der Hand ertasten (sie sind selbst bei beleibteren Personen gut tastbar) und - so weit es ohne Gewalt eben geht - nach hinten schieben; dabei die Lendenwirbel stabil halten (nicht ins Hohlkreuz gehen). Mit der Zeit wird das besser, das heisst die Iliosakralgelenke werden beweglicher und man muss der Nutation nicht mehr mit den Händen nachhelfen.


    Optimal sitzt man dann nicht auf dem Steißbein, sondern auf drei Punkten - den beiden Sitzbeinhöckern und dem Huiyin, einem Punkt im Zentum des Perineum.


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    qnoise:


    Muss man zwingend mit geschlossenem Mund und durch die Nase atmen oder kann man auch mit geöffnetem Mund meditieren?


    Müssen muss man garnichts. Die Frage ist nur, was hilfreich ist. Ich persönlich empfinde Zazen mit geöffnetem Mund nur als hilfreich, wenn meine Nase wegen Schnupfen verstopft ist. Auch bei geschlossenem Mund sollten sich Lippen sowie Ober- und Unterkiefer nur ganz leicht berühren und keinen Druck aufeinander ausüben. Verspannte Kiefermuskeln und ein "Zähne zusammenbeißen" ist ein häufiges Anfängerproblem, das sich aber (wie auch die Muskulatur) mit der Zeit von selbst löst - weil man es wahrnimmt und als unnötig oder gar störend empfindet.


    Die geschlossenen Lippen erleichtern es, die Unterseite der Zungenspitze an den Gaumen zu legen. Das soll für einen besseren Energiefluss sorgen. Ob man an so etwas nun glaubt oder nicht - die meisten empfinden das als förderlich. Warum auch immer. Jedenfalls - ein geöffneter Mund führt leicht zu einer Verspannung am Zungengrund, weil die Zunge zu stark gestreckt werden muss.

    qnoise:


    Und wie ist die aufrechte Sitzposition gemeint? Ist es angeraten, den Rücken durchzustrecken? Oder anders gefragt: Bis zu welchem Grad kann der Rücken auch krumm sein?


    Nichts übertreiben. Die Wirbelsäule hat eine natürliche Krümmung und gegen die sollte man nicht ankämpfen. Wichtig ist dabei natürlich, einen Rundrücken zu vermeiden - also Schulterblätter nach hinten nehmen und nach unten sinken lassen. Hilfreich ist es, sich zur Orientierung zwei Punkte bewusst zu machen: Baihui (entspricht dem sahasrara chakra) und Huiyin (entspricht dem muladhara chakra). Beide Punkte sollen in einer senkrechten Linie sein. Man kann sich vorstellen, dass der Kopf am Baihui so aufgehängt ist, dass Huiyin gerade den Boden berührt. Dann sitzt man aufgerichtet, aber nicht unnatürlich gestreckt. Und auch die Kopfhaltung stimmt. Ein runder oder krummer Rücken führt unweigerlich zu Schmerzen - so kann man nicht lange sitzen.


    Vor allem für Anfänger ist es nützlich, dies mit einer Atemübung zu verbinden: dem Atmen im sog. kleinen Himmelskreislauf. Den Atem auf diese Weise zu "lenken" erleichtert nicht nur die Achtsamkeit / Konzentration auf den Atem (mE deutlich besser, als Zählen o.ä.), es richtet auch den Oberkörper immer wieder auf und aus, führt ganz automatisch zu einer guten, aufgerichteten Haltung. Von Rezepten à la "erst die Sitzposition erarbeiten, dann am Atem arbeiten" halte ich nichts. Eine gute Körperhaltung unterstützt zwar die richtige Atmung - aber eine gute Atmung unterstützt auch die richtige Körperhaltung. Besser ist es, beides gemeinsam zu erlernen.


    Wenn man durch regelmäßige Übung Atmung und Körperhaltung "verinnerlicht" und in eins verschmolzen hat, kann man das alles vergessen - es geschieht dann automatisch. Dann braucht man den atmenden Körper nur noch beobachten und muss nicht mehr aktiv eingreifen (etwas tun). Allenfalls bei intensiveren bzw. längeren Sesshin lässt (jedenfalls bei mir) die Körperhaltung nach einer Weile nach (der Rücken wird rund). In der Zendo achtet jemand auf solche Dinge und macht einen ggf. darauf aufmerksam - das muss nicht unbedingt mit dem Schlagstock (Kyosaku) sein ... Dann kehre ich für eine Weile einfach zu solchen 'Basics' zurück.


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