Beiträge von Sudhana im Thema „Was sagt Buddha zum Ich“

    nouvo:

    Hallo,


    Auch Dir ein Hallo und Willkommen,


    nouvo:


    mir kommt die Frage in den Sinn,
    Was hat Buddha zum Ich gesagt, ist es existent oder nur eine Imagination?


    Weder - noch. Ich versuche mal, das in die vielleicht verständlichere Sprache der Psychologie zu übersetzen: "Ich" ist eine kognitive Haltung, eine psychologische "Grundeinstellung" oder Sichtweise - jedenfalls ein rein psychologisches Phänomen. Als psychologisches Phänomen existiert das Ich - nicht jedoch als etwas Konkretes, Greifbares, als ein "Wesen". So, wie auch Träume zweifellos existieren. Der Unterschied: ein Traum ist ein psychologisches Phänomen, das imaginiert wird (also eine Imagination). Ein Ich hingegen ist ein psychologisches Phänomen, das imaginiert (ein "Imaginator"). Da die kognitive Haltung des "Ich" notwendig eine leidhafte ist (duhkhata), könnte man sie als kognitive Fehlhaltung bezeichnen - und diese lässt sich korrigieren. So, wie sich auch manche körperliche Fehlhaltungen (die ebenfalls leidhaft sind) korrigieren lassen. Durch regelmäßiges Training und durch geschickte Mittel.

    nouvo:


    Wer hat das Ich erschaffen, die Person oder die Gesellschaft.


    Auch hier: weder - noch. Es entsteht als Teil der Kausalitätskette - d.h. aus Ursachen und Bedingungen heraus. Wesentliche Ursachen sind die sog. "drei Geistesgifte" - Nicht-Wissen und daraus resultierend "Hass" und "Begehren". Nun darf man "Hass" und "Begehren" nicht zu simpel auffassen - das, was man gewöhnlich darunter versteht, sind nur die extremsten Ausprägungen dieser beiden Ursachen. In tiefenpsychologischer Diktion würde man da einfach von "Lust" und "Unlust" sprechen, in physikalischer von Anziehung und Abstoßung. "Gesellschaft" gehört dann mit zu den Bedingungen, die das "Ich" ausformen. Bedingungen sind die Umstände, mit denen das (zunächst nur rudimentäre) "Ich" mit seinen Lust- und Unlustgefühlen interagiert, an denen es sich ausbildet und nach deren Vorgaben es sich selbst formt bzw. entwickelt.

    nouvo:


    Gibt es fundierte Textzeilen wo Buddha vom Ich geschrieben hat.


    Buddha hat überhaupt nichts geschrieben - seine Lehren sind jahrhundertelang nur mündlich überliefert worden. Wie sehr oder wie wenig originalgetreu, ist nicht zweifelsfrei zu klären. Wir sind so oder so auf Vermittler angewiesen. Die können vor vielen Jahrhunderten etwas schriftlich festgehalten haben, aber sie können auch z.B. hier in diesem Forum gelegentlich etwas schreiben. Ein "alter" Vermittler, den man Anfängern mit ihren Fragen meines Erachtens als Einstieg empfehlen kann, war z.B. Nagasena, der dem König Milinda viele Fragen beantwortete: http://www.palikanon.com/diverses/milinda/milin_idx.html. Andere "traditionelle" Quellen wurden Dir schon genannt.


    Etwas merkwürdig ist übrigens, dass Du diese Fragen gerade im Unterforum Zen-Buddhismus stellst. Im Zen werden solche Fragen gewöhnlich nicht mit "fundierten Textzeilen" behandelt (und vielleicht sogar geklärt). Jedenfalls nicht vorrangig. Dazu dient eher etwas, das man (um auch hier einen modernen psychologischen Ausdruck zu gebrauchen) als Encounter mit Buddha bezeichnen kann. Hinzu kommt, dass im Zen (wie auch in anderen Ausprägungen des Mahayana-Buddhismus) das Nicht-Ich (anatman / muga) nur ein Aspekt der umfassenderen 'Leere' (sunyata / ku) ist. Ein kluger Mann hat mal gesagt (etwas zugespitzt, aber treffend), dass es in den vielen Koan des Zen eigentlich nur um zwei Fragen geht (wenn auch um unterschiedliche Aspekte) - die nach dem Geist und die nach der Leere (und damit nach dem Ich).


    Beispiel: das folgende Koan ist das erste des Hekigan Roku und so ziemlich jeder Zen-Praktizierende kennt es. Da ist Bodhidharma, der legendäre Gründer des chinesischen Chan (und damit auch des Zen) gerade aus dem Westen (d.h. Indien) nach China gekommen* und wird von Kaiser Wu empfangen, der ein eifriger Förderer des Buddhismus in China war. Er fragt diesen Wandermönch: "Wir haben Klöster gebaut und Mönche bestätigt: was für ein Verdienst wird uns dafür?" Bodhidharma antwortet: "Kein Verdienst." Darauf Kaiser Wu: "Welches ist der höchste Sinn der heiligen Wahrheit?" Darauf Bodhidharma: "Offene Weite - nichts Heiliges." Kaiser Wu: "Wer ist das uns gegenüber?" Bodhidharma: "Ich weiß es nicht".


    Die letzte Frage von Kaiser Wu ist keine andere als Deine. In der Antwort steckt mehr, als auf den ersten Blick scheint. Man kann damit anfangen, sie zu verstehen, indem man die Betonung auf das "Ich" legt und dann versucht, herauszufinden, was dieses "Ich" eigentlich ist. Am naheliegendsten, indem man das eigene Ich untersucht, wenn das von Bodhidharma gerade nicht zur Hand ist. Dann kommt man vielleicht zu einer anderen Fragestellung: wer/was, wenn nicht Ich? Und dann geht die Suche los ...


    ()


    *die Frage, welchen Sinn das hatte, ist übrigens eine der meistgestellten im Zen ...