Beiträge von Sudhana im Thema „Karma - Gesetz von Ursache und Wirkung“

    pog:

    Das jedes Handeln eine Konsequen hat (äusserlich, aber auch innerlich, subjektiv vom eigenen Ego) scheint mir klar.
    Allerdings kann ich mich nicht damit identifizieren, wenn behauptet wird, dass *alles* was uns passiert, aus unserem eigenen Karma passiert. (Wenn ein Blumentopf auf meinen Kopf fällt, u.ä.).


    Das ist mE auch gut so. Worauf auch immer sich diejenigen berufen mögen, die so etwas behaupten.


    Ich weiss nun nicht, wie tief Ricard in die Begriffsgeschichte von 'karma' einsteigt - aber differenzierter als es Deinem Zitat nach scheint, ist der buddhistiche Karmabegriff schon - und ist es auch auch von Anfang an gewesen. Dazu nur zwei Punkte angerissen. Erstens: dazu, dass die Frucht (phala) einer ethisch konnotierten Handlung (karma) zur Reife gelangt, (sich die Handlung also auswirkt), bedarf es in der Regel entsprechender Bedingungen, die unabhängig von der primären Bedingung 'karmische Ursache' sind. D.h. die karmische Ursache ist eine zwar notwendige, aber alleine nicht hinreichende Bedingung karmischer Folgen (Früchte, phala). Es gibt daher auch folgenloses (ahosi) Karma. Wenn man den Blumentopf, der einem auf den Kopf fällt, nicht selbst in die Luft geworfen hast, dann passiert das auch nicht ausschließlich "aus unserem eigenen Karma". Möglicherweise (wenn auch nicht zwingend) ist es eine karmische Frucht, wenn wir uns häufig an Orten aufhalten, wo häufig Blumentöpfe von Himmel fallen. So richtig reif wird diese Frucht aber erst, wenn dieser möglicherweise karmisch bedingte Aufenthaltsort mit den zeitlichen und örtlichen Koordinaten eines Blumentopfabsturzes zusammenfällt.


    Sodann - zweitens - ist karma/phala nicht Kausalität schlechthin (wobei der Begriff 'Kausalitat wiederum in der abendländischen Philosophie eine nicht weniger komplizierte Begriffsgeschichte hat als der indische karma-Begriff und eigentlich erst einmal genauer spezifiziert werden müsste), sondern ist auch nach buddhistischem Verständnis ein Spezialfall von Kausalität, wobei der Abhidharma fünf Fälle unterscheidet. Diese pancaniyama (wörtl. fünf Begrenzungen / Einschränkungen) sind ein Klassifizierungsschema, nach dem Gesetze, Bedingungen oder Beschränkungen (ich fasse dies im Weiteren der Einfachheit halber als 'Gesetzmäßigkeit' zusammen) fünf verschiedenen Arten von Prozessen zugeordnet werden. Neben der Gesetzmäßigkeit soterologischer Prozesse (dhammaniyama), der psychisch-geistiger Prozesse (cittaniyama) und der biologischer Prozesse (bijaniyama) gibt es da dann auch die Gesetzmäßigkeit karmischer Prozesse (karmaniyama), die selbstredend von der Gesetzmäßigkeit mechanisch-physikalischer Prozesse (utuniyama - nach solchen Gesetzmäßigkeiten fallen z.B. Blumentöpfe) zu unterscheiden ist. D.H. karmische Prozesse folgen ihren eigenen Regeln - was allerdings nicht bedeutet, dass sie unabhängig von physikalisch-naturgesetzlichen oder psychologischen usw. usf. ablaufen - die kausalen Prozesse der pancaniyama wechselwirken miteinander.


    Ein caveat noch nachgeliefert. Es ist grundsätzlich keine gute Idee, die Karmalehre spekulativ auszudeuten und als 'Prognoseinstrument' zu nutzen. Das macht aus der Karmalehre eine Sichtweise - und gerade davor hat Buddha (wie überhaupt vor 'Sichtweisen', drsti) explizit gewarnt. Es geht nicht um spekulatives Denken oder um ein "Weltbild". Es geht vielmehr darum, die Heilsamkeit des von Buddha empfohlenen Handelns (des achtfachen Pfades) empirisch nachzuvollziehen und danach zu beurteilen. Wobei man sich sinnvollerweise auch auf empirisch Nachvollziehbares beschränken sollte - d.h. auf unmittelbar zu unseren Lebzeiten reifendes Karma. Eine solche empirische Erfahrung ist z.B. die Beobachtung, dass eine zu nachlässige Übung in der Praxis, Nichtgegebenes nicht zu nehmen, ungeachtet der unmittelbaren Befriedigung von Gier auch häufig die leidhafte Folge gesellschaftlicher Ächtung oder eines Gefängnisaufenthaltes nach sich zieht - eindeutig eine karmische Folge. Buddhistische Lehre (auch und gerade die Karmalehre) ist keine theoretische 'Wissenschaft', sondern eine praktische, deren Wert sich auch nur in der Praxis erweist. 'Karma' ist empirische Erfahrung, die zum Teil für jeden evident (empirisch nachvollziehbar) ist und zum anderen – was subtilere Auswirkungen willentlichen Handelns (also von karma) angeht – erst von jenen nachvollziehbar ist, die sich der dafür geeigneten Praxis widmen. Es gibt also eine allgemein empirische Nachvollziehbarkeit und eine subjektiver Erfahrung bei entsprechender Geistesschulung vorbehaltene Nachvollziehbarkeit. Natürlich ist letzteres nicht empirisch – und soll es auch gar nicht sein.


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