Beiträge von Der Unbuddhist im Thema „Buddhismus Aktuell 1/2016: einige weitere Anmerkungen“

    Losang Lamo:

    Zwischenfrage: haben wir hier auch irgendwo den Originalartikel aus "Buddhismus Aktuell", um den es geht? Ich finde nur Kommentare dazu, mit denen ich nichts anfangen kann, wenn ich das Original nicht gelesen hab.


    Es geht um das ganze Heft. Darin haben diverse Autoren geschrieben. Man kann es nur bestellen oder in grossen Bahnhofsbuchhandlungen bekommen. Kost 9,50 €.

    Ich habe in Artikel Buddhismus Aktuell 1/2016: einige weitere Anmerkungen in der Schlussbetrachtung geschrieben, dass bei den kritisierten drei Punkten – starke Gewichtung der Meditation im westlichen Buddhismus, Fraglichkeit der Herkunft von Achtsamkeit im asiatischen Buddhismus, Fraglichkeit der Wirksamkeit von Achtsamkeit – nicht klar wird, was sie mit asiatischem Buddhismus zu tun haben sollen. Auf dem englischsprachigen Blog Speculative Non-Buddhism ist ein Artikel zu lesen – Notes Towards a Coming Backlash von Per Drougge* –, der besonders in Hinsicht auf die Fraglichkeit der Herkunft von Achtsamkeit aus dem asiatischen Buddhismus einige wichtige Quellen an führt. U.a. handelt es sich um zwei auch online zugängliche Texte von Robert Sharf: Is mindfulness Buddhist? (and why it matters) und [url=http://buddhiststudies.berkeley.edu/people/faculty/sharf/documents/Sharf,%20Mindfulness%20and%20Mindlessness%20in%20Early%20Chan.pdf]Mindfulness and Mindlessness in early Chan[/url].


    Ich zitiere aus Is mindfulness Buddhist? (and why it matters):


    Zitat

    Was die moderne Auffassung von Achtsamkeit und ihr Vorkommen im vormodernen Asien angeht, ist zu sagen, dass sie eine Minderheitenposition war, die sich zudem nicht unerheblicher Kritik aus traditionellen Kreisen ausgesetzt sah. […] Wir hören z.B. den Vorwurf, dass solche Praktiken vorübergehende Zustände statt langfristiger Veränderungen betonen, dass sie nicht den Nutzen bringen den sie versprechen, dass sie eher hinduistisch als buddhistisch sind und dass ihre Betonung des Vorranges von innerer Ruhe bei gleichzeitiger Abwesenheit einer kritischen intellektuellen Auseinandersetzung mit den Lehren, zu einem paralysierenden Zustand der Selbstversunkenheit führen kann, der ostasiatischen Buddhisten seit langem als "Meditationskrankheit" bekannt ist. (S. 479; meine Übersetzung)


    * vgl. dazu auch hier auf The Non-Buddhist.

    VORSTELLUNGEN


    JazzOderNie:

    Streng genommen heisst "Transzendenz" ja "Uebersteigen" und wenn man das durchdefiniert dann koennte das auf die meisten "Vorstellungen" zutreffen, weil es ueber das Sinnliche hinausgeht.


    Ja, da wird's dann echt spannend. Und es wird auch klar, dass man ohne ein minimales Set an solchen Vorstellungen nicht auskommt, z.B. die von Void erwähnten Regeln auf denen unsere säkulares Miteinander basiert.


    Meine Vorstellung vom Buddhismus war mal, dass er eine derartige Minimierung vornimmt. Das mag im frühen Buddhismus so gewesen sein, auch z.B. in bestimmten Richtungen die sich in Tibet entwickelt haben, oder auch im Chan oder Zen. Gleichzeitig sieht man an solchen Beispielen auch, dass es zu einer enormen Diskrepanz kommen kann zwischen diesen Versuchen der Minimierung von Vorstellungen und der gleichzeitigen Ausbreitung von Vorstellungen über alle möglichen transzendenten Wesenheiten. Diese Unterscheidung charakterisiert auch das Non-Buddhismus-Projekt (wobei dieser Begriff einfach nur ein Name für die Sache ist, um die es geht, sonst nichts. Man kann es auch anders nennen. Es gibt da keine Bekehrungsbestrebungen).


    JazzOderNie:

    ...das Konzept der Seele ist ja ein Teil von dem Konzept Gott....


    Genau. Und da ist man bei den Grundlagen unserer Vorstellungen im Denken, das unserer Kultur eigen ist und das sich möglicherweise grundlegend von dem anderer Kulturen unterscheidet. Diese Unterscheidung spielt ein sehr wichtige Rolle, weil man unter Umständen Vorstellungen aus anderen Kulturen unbeabsichtigt auf Grundlage der eigenen Vorstellungen 'übersetzt'. Deshalb ist es z.B. problematisch – wie bel angemerkt hat – wenn ich sage, der Buddhismus heute im Westen vergesse sein eigenes bedingtes Entstehen, weil ich da eine bestimmte Vorstellung nutze, die ich über das Bedingte Entstehen habe, die aber evtl. nicht mit älteren übereinstimmt. Man sieht also, dass man es mit einem Problem zu tun hat, das weder einfach zu beschreiben ist, weil es die Struktur unseres eigenen Denkens betrifft, noch einfach zu lösen ist, weil man u.a. die Strukturen des Denkens andere Kulturen sichtbar machen muss. Ein sehr schönes, leicht lesbares und kurzes Beispiel für eine solche Sichtbarmachung ist Dekonstruktion auf Chinesisch von Byung-Chul Han. Ich garantiere für das eine oder andere aufgehende Licht bei Lektüre dieses Büchleins.


    itune:

    … dass sich der SNB dem historischen Materialismus verpflichtet fühlt...


    Das kam mir doch gleich so merkwürdig vor. Wie kommt der da drauf? Nun stellt sich heraus, das war olle Guido....


    mukti:

    Unter Transzendenz verstehe ich "jenseits der Sinneswahrnehmungen". Wobei im Buddhismus auch der Geist als ein Sinn gilt.


    Man könnte also vielleicht auch sagen, dass es darum ginge, bestimmte Vorstellungen vom Geist, von unserem Bewusstsein zu hinterfragen...

    itune:


    In Hinsicht auf die "Transzendenzfalle" ist doch Folgendes zu fragen: Hältst du, Unbuddhist, eine transzendente, richtungsweisende Erfahrung (selbst wenn sie vielleicht nur einer Einbildung entspricht bzw. irgendwann genau hirnphysiologisch erklärbar wird) überhaupt für möglich?


    Erfahrungen sind per Definition möglich. Eine der Entgrenzung z.B. Nur wenn diese einer Transzendenz zugeordnet wird, wird sie zu einer Transzendenzerfahrung und erhält damit einen Status, der ihr nicht zusteht (und der evtl. für Machtspiele genutzt wird). Wenn man die Erfahrung der Entgrenzung z.B. einem "kosmischen Bewusstsein" zuordnet.


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    Stero: Es ist angebracht, sich über das zu informieren was man kritisiert. Mit dem was du über das Projekt Non-Buddhismus sagst, zeigst du, dass du darüber nicht informiert bist. Damit wirst du unglaubwürdig – nicht zuletzt in Hinsicht auf dein Projekt, von dem du sicherlich auch gerne hättest, dass man sich darüber informiert, wenn man etwas darüber sagt.

    Echt, ich hatte vergessen, auf welches Niveau das hier runter geht.


    Da bekennt einer freimütig, es interessiere ihn überhaupt nicht, um was es hier gehe (Buddhismus aktuell 1/2016) und trotzdem gibt er seinen Senf dazu ab. Wie behandelt man solche Leute im wirklichen Leben? Man gibt ihnen freundlich aber bestimmt zu verstehen, dass sie entweder die Klappe halten oder sich verdünnisieren. Nicht so hier. Hier ist es ein Geschnatter und gedankliches Herumgeeiere, dass es einen erbarmt – und das nennt sich dann Buddhist, Kenner der Materie, Palikanonleser oder was auch immer.


    Oder die Pransangika-Knalltüte. Ebenfalls des Lesens wohl kaum kundig – jedenfalls wenn es darum geht, einen anderen Gedanken als den eigenen Murks zu erfassen – aber trotzdem frisch und fröhlich dabei zu qualifizieren, abzuqualifizieren, zu unterstellen was der eigene Narzissmus nur hergibt, ohne Hemmung und Verstand... eben, das Internet macht's möglich.


    Das ist weit unter dem Niveau von Buddhismus aktuell. Dort bekommt man – wenigstens – ein Gefühl dafür, dass man sich mehr mit Buddhismus-Rezeption und den Umständen in denen diese stattfindet auseinandersetzen muss, auch wenn das noch nicht sehr weit reicht. Hier hingegen befinden wie uns auf dem Niveau eines Chatrooms, der von sich selbst glaubt eine Enklave der Erweckung zu sein. Dabei ist es egal, ob diese Erweckung eine christliche ist, eine moslimische oder eine buddhistische. Immer ist sie charakterisiert durch Überheblichkeit, Buchstabenglaube, Arroganz, strikter Nichtzurkenntnisnahme anderer Standpunkte, mit einem Satz: Es ist ein autoritätsgläubiges und autoritätsabhängiges Verhalten. Eines, in dem die Basis für das Reaktionäre derart angelegt ist, dass wenn der richtige Verführer nur auftauchte, schnell eine Haltung entstünde, die den Andersdenkenden nicht mehr nur diffamiert, sondern ihn auch gleich abschiesst. Das kann man aus der unverhohlenen, vorerst 'nur' verbalen, Aggression, die hier entgegen aller heuchlerischer buddhistischer Beteuerungen bei manchen sofort gegen jede kritische Auseinandersetzung hochschiesst schliessen. BuddhismusPegida könnte man das, ganz zeitgemäß, nennen.


    Ok, es gibt auch eine paar die andere. Void z.B. Danke für deine Zusammenfassung:


    void:

    Der Unbuddhist lehnt nicht so sehr die Transzendenz um ihrer selbst Willen ab, sondern jeden Diskurs, der sich auf Transzendenz stützt. Weil Transzendenz das menschliche Mass übersteigt, kann man sich, wenn man sich vor niemanden verantworten will, auf Transzendenz stützten. Wenn das ,was ich sage nicht einfach eine menschliche Meinung ist, sondern sich darin die transzendenten Ebene ausdrückt, dann bin ich damit in eine Machtposition gehieft, die traditionellerweise missbraucht wird.


    Die grosse Frage ist die, ob man einen Buddhismus formulieren kann, der gegen diese Transzendenzfalle gewappnet ist?


    Diese Definition, inklusive der abschliessenden Frage, gibt genau das wieder, um was es geht.

    Von wegen Papanca. Ich erinnere daran, dass es hier um ein Heft von Buddhismus aktuell ging. Ich habe in meinem Text ein paar Punkte kritische beleuchtet. Im vierten Abschnitt ist sogar eine Zusammenfassung. Man könnte sich darauf konzentrieren. Buddhismus aktuell ist das Organ der DBU. Da kann man schon etwas genauer hinschauen wenn man an Buddhismus interessiert ist.

    Mukti. Ich präzisiere: Es geht bei den Buddhisten die ich meine, zuerst um die, die das Heft geschrieben haben, um das es in diesem Thread geht. Es ginge erst in weiteren Schritten um vernünftige Auslegungen dazu, was D.22 sinnvoller Weise heute meinen könnte. Das war aber nicht Sache meines Artikels.


    itune führt mit seiner Differenzierung aber in diese Richtung. Danke.


    JazzOderNie. Von der Non-Photographie ist dringend abzuraten. Da fliegt dir zum Schluss noch das ganze europäische Denken um die Ohren... wer will aber so eine Sauerei schon erleben?!

    Void: Vielen Dank für deine Erläuterungen zu unserem Projekt.


    Stero: was du da betreibst ist Küchenpsychologie.


    Stero:

    Kann es sein, dass es das ist, was dich umtreibt, Unbuddhist? Du nimmst es dem Buddhismus übel, dass er nicht das ist, was du in ihm sehen willst...


    Und es ist ein plattes ad hominem noch dazu.


    Bitte informiere dich über unser Projekt, falls du dazu was sagen willst. Es gibt dazu genug Material.

    itssead:

    ... ein paar Quellen...


    Eine Arbeit die speziell die Verwandlungen in Bezug auf "Meditation" aufzeigt, die der deutschsprachige Buddhismus seit Schopenhauer durchgemacht hat, gibt es meines Wissens nicht. Gut zur Geschichte des deutschspr. Bud. aber: Auf den glückseligen Inseln von Volker Zotz.


    itssead:

    Bis in die 1960er und 70er Jahre hat das was man heute Achtsamkeit nennt im deutschsprachigen Buddhismus keine Rolle gespielt.


    Es geht um den Unterschied zwischen dem was man heute Achtsamkeit nennt und dem was in anderen Zeiten mal Achtsamkeit (Satipatthana...) gewesen sein mag. Man geht davon aus, da gäbe es keinen, diese Auffassung ist aber nicht haltbar.


    itssead:

    Laut Internet ist das Buch 'Das Wort des Buddha' von Nyanatiloka 1904 oder 1906 erschienen. Nach meiner Auffassung geht es gleich in den ersten Seiten dieses Buches sehr wohl um den Blick nach innen - die Achtsamkeit - die Achtsamkeitsmediation (auf den Atem) etc.


    Siehe vorherige Antwort.


    itssead:

    ich kann nur überhaupt nicht erklären bzw. finde keine Text dazu warum sich diese Achtsamkeit mit dem Blick nach innen erst viel später ab 1970 ausgeprägt haben soll.


    Es hat sich ab 1970 eine ganz bestimmte Form der Achtsamkeit ausgeprägt.


    itssead:

    Deiner Kritik dass Achtsamkeit(smeditation) nicht wirkt bzw. nicht besser wirkt als...


    Ich sage nicht, dass Achtsamkeit nicht wirkt. Im Gegenteil, an einer Stelle schreibe ich, dass es sehr wohl Wirkungen gibt. Der Punkt ist, man sucht an der falschen Stelle nach der Ursache. In mechanisch angewandten Meditationsübungen. Man kann das in jedem Buddhsimus-Center beobachten. Der zu untersuchende Punkt wäre die "Intention". Daher mein Fazit:


    Zitat

    Dadurch dass Selbsttechniken, die in unserer Kultur entstanden und weit verbreitet sind, als buddhistisch ausgegeben werden, findet eher eine Verschleierung als eine Klärung statt. D.h. diese Form von Buddhismus wirkt einer Aufklärung und (Selbst)Befreiung eher entgegen als sie zu fördern.


    Es gibt all möglichen Psycho-, Mental-, Autosuggestions-, Hypnose-, Trance- und Meditationstechniken die Wirkung zeigen. Das ist ein völlig klarer Fall.


    itssead:

    Ich finde leider nur eine Leseprobe von Buddhismus Aktuell 1/2016 - hast du da vielleicht einen Link?


    Das Heft muss man bestellen. Gibts sonst nicht. Kostet 9,50.

    Stero:


    finde, dass es eher für die Meditationsprogramme spricht als gegen sie, wenn sie doch annähernd gleich zu anderen Therapieformen wie z.B. Medikamente, Sport und andere Verhaltenstherapien ("Psychotherapie"?) wirken können (wenn sie dies auch nicht notwendigerweise tun).


    Ja, wenn die so gut wirken wie Sport, warum nicht?


    Stero:

    überzogenen Erwartungen...


    Da ist ja der Punkt. Das ganze Heft ist voller überzogener Erwartungen.


    Stero:

    und was einen möglichen autosuggestiven Placebo-Effekt angeht.


    Um den geht es ja gerade. Das ist der Punkt mit der "Intention" den ich anspreche. Deshalb auch der Verweis auf die Geschichte vom Zahn des Buddha.

    In Fortsetzung der Auseinandersetzung mit Buddhismus aktuell 1/2016 zum Thema Achtsamkeit hier einige weitere Anmerkungen.


    Zitat

    Wozu also Buddhismus? Wenn wir einfach so aufmerksamer werden können, wenn wir durch moderate sportliche Betätigung und vernünftiges Essen unsere Befindlichkeit verbessern können, wenn wir uns selbst mässigen können, wenn wir uns motivieren können, mehr darüber herauszufinden, was uns zu dem macht was wir sind – um in der Folge vielleicht sogar daran zu gehen, das was uns macht, zu ändern –, warum dann nicht das tun, statt zum Buddhisten zu werden?