Beiträge von Sudhana im Thema „Rebellion“

    Chris Urban:

    Meiner Meinung nach habe ich jetzt die Möglichkeiten: - ins Gespräch einsteigen, dabei selbst heuchlerisch zu werden, da ich eigentlich nichts mit ihm zutun haben mag.
    - nicht reagieren, und schweigsam versuchen ihm möglichst aus dem Weg zu gehen
    - ihm klar die Meinung zu sagen, und mit den Konsequenzen zu leben -> meine Frage ist, findet ihr diese Option legitim ? Oder sollte man sich lieber in Schweigen hüllen ?
    Und wie sieht es aus mit der Nachrede? Keiner meiner Kollegen, mag diesen Menschen, wenn ich in Abwesenheit kritisierend über Person A spreche, widerspricht das Punkt 3 im edlen Achtfachen Pfad, der rechten Rede?


    Ist Deine Aufzählung von Möglichkeiten abschließend oder sind weitere Möglichkeiten zulässig? Z.B. die, "Mitarbeiter A" so anzunehmen, wie er ist, die Ansichten, wie er gefälligst zu sein hättte, fallen zu lassen und ihn mit Nachsicht, Verständnis und Respekt zu behandeln? Also mal wenigstens theoretisch ...


    Versuche, "Mitarbeiter A" nicht als ein unabhängig von Dir existierendes Problem zu sehen. Das Problem (Dein Problem) ist nicht "Mitarbeiter A", es ist Deine Beziehung zu ihm. Die kannst Du ändern - "Mitarbeiter A" eher nicht.


    ()

    Hallo Chris,

    Chris Urban:

    Ich denke wir sind uns einig, dass auf dieser Welt (gar in diesem Land) so einiges schief läuft.


    Nun ja - von dem "gar in diesem Land" mal abgesehen ... Es könnte nicht nur schlimmer sein, "auf dieser Welt" ist es an sehr vielen Orten schlimmer. Viel schlimmer, wirklich übel. Und eines der übelsten Dinge dabei ist, dass es uns immer noch verhältnismäßig gut geht, gerade weil es andern verhältnismäßig dreckig geht. Aber sonst - ja, da sind wir uns schon einig.

    Chris Urban:

    Wenn die Menschheit, allerdings sich nicht dagegen ausspricht, dagegen etwas tut, wird sich nichts ändern.


    Gut, dagegen ausgesprochen haben wir uns jetzt. Hat so weit nicht viel geholfen. Okay, wir beide sind nicht "die Menschheit". Aber wann hat sich jemals die ganze Menschheit für irgendetwas ausgesprochen? Zumindest ein paar Quertreiber, die sich partout nicht überreden lassen wollen, gibt es doch immer. Und dann geht der Ärger erst richtig los. Und das gilt erst recht, wenn es darum geht, etwas zu tun. Wenn man da warten wollte, bis die ganze Menschheit etwas tun will (noch dazu das Gleiche) ... Also vielleicht erst einmal etwas bescheidener anfangen, "etwas zu tun". Nur was? Was schlägst Du vor? Hast Du vielleicht eine Broschüre "Was tun?" oder so ähnlich für mich? Ich erinnere mich, vor Jahren mal so etwas in der Hand gehabt zu haben. Sorry - ich will mich nicht über Dich und schon gar nicht über Deine Fragen (die ernste Fragen sind und die ich deswegen auch ernst nehme) lustig machen. Nur ein wenig die Atmosphäre lockern. Bloß, weil wir uns über das Problem einig sind, sitzen wir ja noch nicht gleich gemeinsam am Verschwörertisch.

    Chris Urban:

    Mich interessiert: - wie weit im Buddhismus die Rebellion gehen darf


    Also - ich halte Buddhisten für die radikalsten Rebellen überhaupt. Ernsthaft. Dass die Lage beschissen ist, ist ja kaum zu übersehen. Jedenfalls für Viele. Die Buddhisten stellen die paar unter diesen Vielen, die so sehr die Schnauze voll davon haben, verarscht zu werden, dass sie überhaupt keinen Utopien (Konzepten eines besseren, glücklichen Daseins) mehr trauen wollen. Keiner sozialen, politischen oder religiösen Utopie mehr; die Welt kann nicht repariert werden, sie taugt schlicht nicht dazu, Menschen glücklich zu machen und lässt sich auch nicht dazu hinbiegen. Das von Buddha konstatierte notwendige Scheitern aller Utopien wurde auch in den zweieinhalb Jahrtausenden seit seiner Lebenszeit durch kein Beispiel widerlegt, wie uns die historische Perspektive zeigt. Das ist mithin also auch empirisch abgesichert. Auch nirvana ist keine Utopie - es ist das Erwachen zur Wirklichkeit, das Sehen der Welt, wie sie wirklich ist. Das ändert an der Welt nichts - sie wird nicht merklich besser dadurch. Nirvana (besser: bodhi, das Erwachen) befreit von der Bedingtheit und damit vom Erleiden der Bedingtheit. Das ist die Freiheit, um die es im Buddhismus geht - sie hat mit der Änderung sozialer, wirtschaftlicher, politischer Verhältnisse (die sich stets nur als Austausch der Fesseln erwiesen hat) nichts zu tun.


    Trotzdem hat auch der Buddhismus eine soziale Seite. Buddhas Erwachen war nicht nur die Befreiung durch Wissen (jnana), sie war auch eine emotionale Erfahrung: die eines unermesslichen Wohlwollens für alle Wesen, grenzenloser Empathie in Form von Mitgefühl und Mitfreude sowie unerschöpflicher Duldsamkeit. Diese emotionale Erfahrung war der Grund für Buddhas soziales Projekt - der Sangha, mit der er sein Wissen - so weit es sprachlich vermittelbar war - teilte und der er praktische Mittel und Wege wies, seine eigene Erfahrung der Befreiung zu reproduzieren.


    Dafür, dass diese von Buddha gegründete Rebellenarmee Zulauf erhält, bedarf es gewisser Voraussetzungen. Für die wichtigste Voraussetzung gilt Buddhas Prinzip des mittleren Weges: um dazu zu motivieren, den Weg wahrer Befreiung zu suchen, muss Leiden hinreichend spürbar sein. Leiden im Übermaß hingegen raubt die Kraft, Befreiung zu suchen; Ein Übermaß an Leiden führt zu Apathie. Das ist ein guter Grund, etwas gegen Leiden im Übermaß zu tun, wenn es sich durch eine Änderung der momentan gegebenen Bedingungen ändern lässt. Wobei man beim Handeln vom Ergebnis her denken sollte und sich der Auswirkungen des Handelns sehr deutlich bewusst sein sollte. Und man sich klar sein sollte, dass dies am eigentlichen Problem - der Untauglichkeit von Utopien, Menschen glücklich zu machen - gar nichts ändert.

    Chris Urban:

    Mich interessiert: - wie weit eurer Meinung nach Rebellion gehen darf


    Solche Festlegungen, wer was unter welchen Voraussetzungen, mit welchen Mitteln oder Methoden und in welchem Umfang darf - tatsächlich kann ja eine Rebellion nicht "dürfen", allenfalls Rebellen - scheinen mir eher eine Sache für Juristen zu sein. Ich bin da raus.


    Dem, was ich darf, eine Grenze zu setzen, fühle ich mich allerdings berechtigt. Solche Grenzen setzt man als initiierter Buddhist mit Gelübden. In meinen Gelübden habe ich mich auf Nicht-Verletzen festgelegt. Das schränkt die Handlungsoptionen bei einer Rebellion ziemlich ein. Dafür schränkt es noch deutlicher das Risiko unheilsamer Auswirkungen meines Handelns ein. Das bedeutet jedoch nicht, nichts zu tun. Das konkrete Tun ist jeweils situativ bedingt, insofern ist es schwierig, diese Art des Tuns generell zu beschreiben. Die Japaner haben eine schöne Metapher dafür gefunden: eine Kerze anzünden, um deine Ecke der Welt zu erhellen. Dem möchte ich hinzufügen: je dunkler die Ecke, um so effektiver wirkt selbst die kleinste Kerze.


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    P.S.: Eine höfliche Bitte noch - es ist eigentlich kein Problem, wenn man zwei eigentlich sehr verschiedenartige Fragen hat, auch zwei Threads aufzumachen. Das vereinfacht es etwas, den Threads zu folgen. Und es gibt Leute, die an manchen Fragen interessiert sind und an anderen nicht (was nicht heißen muss, dass sie nichts dazu zu sagen hätten).