Beiträge von Selbst im Thema „Umgang mit Krankheit Haustier“

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    Vor dem Unheilsamen zurückzuschrecken ist unverzichtbarer Bestandteil des Weges zur Befreiung. Jemand, der das nicht tut, erlangt nicht nur selbst keine Befreiung, sondern kann für andere, die danach streben, auch kein Vorbild sein. Du nennst ihn "Bodhisattva", aber er steht nicht für das Ideal, das der Buddha verkörpert. Darum ist es für mich auch kein "höheres" Ideal.


    Von deinem Standpunkt und Blick auf die Überlieferung habe ich mir das schon gedacht, für dich ist das sicher logisch. In der Mahayana-Tradition bekommt man den Eindruck, dass der Bodhisattva fast schon über dem Buddha steht. Im Zen spricht man darüber, über den Buddha hinauszugehen, und von "rita-gyo", anderen von Nutzen zu sein, als Folge der Erkenntnis vom bedingten Entstehen (engi). Man könnte auch sagen, dass es eigennützig wäre, Buddha zu werden oder zu sein, bevor man sich als Bodhisattva bewährt hat.


    Nach deiner Sicht ist das Ideal: Erkenntnis - unheilsam - Abstehen - Selbschutz, denn im Vordergrund steht die eigene Befreiung. Im Zen ist das Ideal: Erkenntnis - Befreiung durch direktes Erwachen - Helfen - Schutz der anderen. Die genannte Befreiung (tongo jikishô), auch von Konzepten, ist zwar der Buddha-Werdung ähnlich - da sie ja einem Erwachen gleichkommt -, führt aber dazu, diesen, wenn ich das sagen darf, doch etwas abgehobenen Zustand wieder zu verlassen, um ein Bodhisattva sein und sich um die Welt kümmern zu können. Der Bodhisattva wird zum höheren Ideal, weil er auch den Selbstschutz zugunsten anderer opfern kann. Und weil er erkannt hat, dass mit seiner Befreiung nichts gewonnen wurde, an dem er festhalten müsste (mushotoku).


    Im Sinne des Mahayana erlangt also der Mann in unserem Beispiel Befreiung (Erwachen). Er kann auch Vorbild sein. Und er steht für das Ideal, das der Bodhisattva verkörpert. Ich denke, wenn man das tief im Innern erwägt, wird man ein Verständnis dafür erlangen. Mit dem Buddha war es genauso. Hätte er kein Bodhisattva mehr sein wollen, hätte er schweigend verweilen können bis zum Tod. Aber sein Bodhisattva-Herz war stärker.

    Fußgänger schrieb:

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    Wer tötet, hat sich für eine Handlung entschieden, die der Buddha wegen ihrer Folgen als unheilsam bezeichnet hat.


    Töten tut in diesem Fall ja wahrscheinlich der Tierarzt. Das ist also nicht dein Problem, sondern seins. Und wenn er kein Buddhist ist, hat er wahrscheinlich selbst kein Problem damit.


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    aus welchem Motiv man handelt, steht auf einem anderen Blatt.


    Dieses Blatt ist in diesem Fall jedoch entscheidend. Wie ich schon sagte, geht es dem Bodhisattva nicht darum, alle unheilsamen Folgen für sich zu meiden, sondern er ist bereit, sie auf sich zu nehmen (deshalb verzichtet er in einem Gelöbnis ja auch aufs Nirwana, solange nicht alle gerettet sind). Wir gehen hier ethisch von unterschiedlichen Idealen aus. Es würde zu weit führen, das hier zu erklären, aber im Sinne des Mahayana ist die Auflösung des Karma möglich, der Bodhisattva wird darum nicht vor "Unheilsamkeit" zurückschrecken, weil er ein höheres Ideal kennt. Das ist ein bisschen wie mit der selbstlosen Nächstenliebe der Christen.


    Jedoch ist auch - im Sinne des Theravada - aus den Jataka überliefert, dass sich ein Bodhisattva hungrigen Tieren zum Fraße vorwarf. Dies hinderte ihn nicht, zum Buddha zu werden. Analog kann man schließen, dass selbst im Theravada ein selbstloser Tötungsakt keine hinreichend unheilsame Wirkung hat, da er die Buddhawerdung nicht verhindert.

    Mir fiel diese Tatsache der Schmerzfreiheit auch auf, mukti. Aber dann musste ich an einen Verwandten denken, der an Krebs starb. Die Ärzte behaupteten, er hätte keine Schmerzen, wegen des Morphiums, das er intravenös bekam. Ich saß aber daneben und er hat mir dauernd gesagt, dass die Schmerzen noch da sind. Wenn wir schon einen Menschen so falsch einschätzen, dann kann sich ein Arzt auch im Leiden eines Tieres täuschen. Und wir als Buddhisten fragen uns vielleicht auch, ob das Tier eine Art seelisches Leiden kennt und ob das ein Hundebesitzer nicht sensibel wahrnimmt und ob es außer körperlichem Schmerz noch eine andere Kategorie gibt, die unser Mitempfinden rührt.


    Auf jeden Fall kann es so sein, wie du sagst, mukti, aber es kann auch sein, dass jemand seinen Hund nicht einschläfern lassen will, weil er das nicht ertragen kann (wäre es dann nicht bloß spiegelbildlich auch eine Art Egoismus?). Immer dichten wir was in das Tier hinein, auch Ellviral, dessen Katze vielleicht schon morgen an Peritonitis stirbt, die ihm vielleicht vorher sagen wollte, dass sie sterben und verhungern will, aber er hat es anders verstanden und sieht sich nun durch seine Rettungsversuche - ohne ärztliche Diagnose - bestätigt. Ich finde das alles legitim (und bewegend), aber es zeigt mir auch, dass es keinen allgemeingültigen Weg geben kann. Insbesondere bei Haustieren, die nun mal auf unsere Aufmerksamkeit und Fürsorge hin gezüchtet wurden.


    Hier ein paar Kennzeichen eines sterbenden Hundes, mit denen man sich vielleicht auch Klarheit verschaffen kann:
    http://de.wikihow.com/Einen-sterbenden-Hund-erkennen

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    und doch ist nur eine Antwort richtig: Nicht-Töten.


    Ich möchte erst einmal feststellen, dass ich weder glaube, dass nur meine Antwort noch nur deine richtig ist. Die "richtige" Antwort für Kevin05 und seinen Hund können nur die beiden finden.


    Da für mich das Bodhisattva-Ideal wichtig ist, kann ich aber mit Antworten, die sich - nach meinem Empfinden - mitleidlos festlegen wollen, nicht viel anfangen. Es gibt Situationen, in denen sich mein Mitempfinden angesprochen fühlt, nicht meine Übung im Nicht-Töten. Ich war schon in solchen Situationen, und die Zurückhaltung, die du empfiehlst, kann wichtig sein, um keinen Schnellschuss zu tun. Aber wenn das Mitempfinden gefordert ist, kann auch ein Einschläfern eines Tieres die sich aufdrängende Antwort sein. Sollte jemand aber selbst viel stärker mit dem Nicht-Töten ringen, wird er wohl zu einer anderen Antwort kommen, weil ihn jede Zustimmung, die wohl juristisch nötig ist, in Gewissensunruhe brächte.


    Auf dem Bodhisattva-Weg heißt, sich dem eigenen Heil zu widmen, aber genau das gleiche: sich dem Heil der anderen zuwenden. Eine Trennung wie im Theravada, das du wohl vertrittst, ist da nicht vorgesehen oder wird sogar als mindere Stufe der Moral angesehen. Es gibt insofern keine Einmischung "in das Leben anderer", weil man sich des gemeinsamen (einen) Lebens bewusst ist. Der Bodhisattva ist bereit, sich selbst zu schaden, wenn er aus Mitempfinden eines anderen Leid mindern kann, das ist Teil seines Weges, der Opfer bringt.


    Es hilft wohl auch nicht, von einer "Option" zu sprechen, denn auch Essen und Trinken sind kein Teil des achtfachen Pfades, viele Themen, die unser Leben aufbringt, sind darin nicht enthalten. Meines Erachtens stellt sich die Frage nicht, ob es hier eine Option gibt, sondern ob es eine moralische Notwendigkeit gibt, weil sich das Gewissen, oder wie man es nennen will ,des Hundebesitzers rührt. Es ist dann keine Absicht zum Töten da, sondern eine Absicht der Güte.


    Der Buddha hat sogar einem Menschen die Selbsttötung nachgesehen, wenn dieser Mensch unter großen, unabänderlichen Schmerzen litt. In diesem Sinne ergibt sich aus dem Vinaya und aus der Mahayana-Tradition (Yogacarabhumi) der Gedanke, dass ein Erwachter (wie der Buddha selbst) sehr wohl seinen eigenen Todeszeitpunkt bestimmen kann, Nicht-Erwachte aber nachhelfen können, wenn sie diese Fähigkeit des Loslassens ihrer Lebenskräfte nicht besitzen. Bei einem Hund müssen wir ja davon ausgehen, dass dies so ist. Wenn man als Alternative nicht das Sterbefasten wählt, das ja im Buddhismus auch von Tieren überliefert ist, dann bleibt einem der naheliegende Entschluss, dem Hund beim Sterben zu helfen, da er sich nicht selbst töten kann. Auch hier besteht ja die Möglichkeit, das dem Tierarzt zu überlassen.

    Hallo Kevin, ich finde deine Einstellung interessant, denn in meinem Bekanntenkreis lief es meistens anders herum: Die Tierhalter wollten das Tier nicht gehen lassen, wenn es die Tierärzte nahelegten. Eigentlich möchte ich empfehlen, dem Rat des Arztes zu vertrauen, aber dann wiederum wirst du deinen Hund besser kennen als ein Fremder.


    Wahrscheinlich wirst du eine Bandbreite von Antworten bekommen, da es "den" Buddhismus mit einer Pauschalantwort nicht gibt.


    Für mich sieht es so aus, dass die aktiven Tugenden (paramita) einen höheren Wert haben das eher passive "Üben vom Abstehen" (sila). Die beiden Tugenden, die hier geübt werden können, sind liebevolle Güte (meta parami) und Gleichmut (upekkha parami). Liebevoll mitempfinden und dem Tier das Leiden ersparen wollen, ist eine Tugend, und sich in Gleichmut statt in Kummer zu ergehen, wenn das Tier eingeschläfert wird, ist ebenfalls eine Tugend. Dem gegenüber steht die Übung im Abstehen vom Töten. Diese Güte-Abwägung (ohne r) fällt in meinen Augen zugunsten der Sterbehilfe für deinen Hund aus, wenn deine Motive die gleichen sind wie die Buddhas: Leid aufheben wollen. Denn wenn du das Abstehen vom Töten über den gütigen Akt der Sterbehilfe stellst, dann wäre dir das Interesse an deiner eigenen Leidlosigkeit wichtiger als das Interesse daran, deinem Hund zu helfen. Für mich entspräche das nicht mehr dem Bodhisattva-Ideal.


    Wenn du dabei sein solltest, könntest du zum Beispiel währenddessen einen buddhistischen Text rezitieren, wie das Herzsutra.


    Hier noch zwei Buchempfehlungen:


    Bioethik im Buddhismus: http://www.amazon.de/Bioethik-…kurs-Beginn/dp/3639629035
    und "Sterbehilfe in den Weltreligionen" (findet man auch bei Amazon).