Beiträge von Selbst im Thema „Dharani des Abhängigen Entstehens“

    Sôhei: Das würd ich so nicht sagen. Das SHO SAI MYO KICHIJYO DHARANI will ja Unheil abwehren, und es muss damit - um eine solche Wirkung entfalten zu können - im Rahmen bedingten Entstehens bzw. eines Ursache-Wirkungs-Kreislaufes gedacht werden. (Allerdings weiß ich nicht, ob die Frage von morpho so gemeint war.)


    Die Hinweise, das man dies und das nur wegen dies und das mache, sind deshalb auch in die Kategorie der Zen-Rhetorik einzureihen. Denn man macht ja aus bestimmten Gründen eben nicht jenes, also etwas anderes. Es geht ja auch bei Dôgen immer wieder darum, genau das, was man gefälligst im Kloster zu tun habe, herzuleiten und zu rechtfertigen. Darum wird eben dies rezitiert und nichts anderes, darum ist die Kesa nochmal durch Synonymisierung mit dharani gerechtfertigt usf. Das ist alles ein selbstreferentieller Kontext. Es funktioniert eben gerade nicht, wenn man dies nur wegen dies macht, weil man nicht von selbst drauf kommt, dies zu machen, sondern eher zu jenem neigen würde. Das genau dies gemacht wird, hat also auch eine Ursache und einen Zweck. Sonst würde man es schlicht lassen.

    Lieber morpho, die Frage habe ich so beantwortet, da dharani etwas bezwecken wollen, z.B. Verdienst. Damit würde Zen zweckhaft, was es zwar in gewisser Weise immer ist, aber nicht in solcher Weise sein sollte, dass man mit Hilfsmitteln dem Eigennutz frönt. dharani werden nur zu zusätzlichem Ballast, falls man nicht schon vorher an so etwas glaubte - dann sind sie halt der Balast, den man schon mitbringt und sowieso loswerden muss. gyate, gyate ... ist zumindest in der Deshimaru-Linie ein dharani, er hat es in Notsituationen rezitiert und auch anderen empfohlen, u.a. zur mehrfachen Abschrift, und ebenfalls mit dem Hinweis auf Schutzwirkung (bei ihm in Not auf See, soweit ich mich erinnere) und Verdienst. Ob er wusste, dass es nur eine psychologische Wirkung hat, kann ich nicht sagen. Darüber hinaus ist da nichts.


    Hier eine Liste anderer Dharanis im Zen, die du wahrscheinlich schon kennst:
    http://www.torontozen.org/dharanis_mantras.html


    Einige engl. Übersetzungen bei D.T. Suzuki:https://books.google.co.th/boo…harani%20in%20zen&f=false


    Dôgen erklärt im Shobogenzo-Kapitel die (große) Dharani, wozu er Niederwerfungen und die Kesa, aber sogar Menschen zählt:
    http://yudoblog-b.blogspot.com…-niederwerfungen-und.html
    Man beachte, dass es auch hier um Verdienst und Magie geht, etwa bei der Prostituierten, die in eine Robe schlüpft und dadurch auf den Buddha-Weg gerät. Die Umdeutung der Silben zu Ritualgegenständen oder -handlungen ändert also nichts daran, dass dharani auch bei Dôgen einen Zweck erfüllen, und von daher kann man Deshimaru verstehen.

    void:

    Zitat

    Und weil das Entstehen in Abhängigkeit im Zen so wichtig ist


    Hier möchte ich fragen: Ist es das wirklich?
    Das verbreitete Verständnis ist ja ein eher logisches. Wenn Nagarjuna sagt, alles sei leer, dann spricht er den Dingen und Wesen zunächst ein Eigen-Sein ab. Existieren tun sie nur in wechselseitiger Abhängigkeit oder bedingt entstanden.
    Was geschieht aber nun, wenn so etwas wie "Befreiung" erlangt wird?
    Zweifellos bedeutet das nicht, dass ein Mensch nicht mehr in Wechselwirkung mit anderen und den Phänomenen steht.
    Aber das wäre ja bloß eine Binsenweisheit.
    Von was also wird er befreit?
    Es muss doch wohl ein Zustand erlangt werden, in dem "Entstehen in Abhängigkeit [nicht] so wichtig ist."
    Ich glaube, dass es im Zen tatsächlich darum geht, zu erkennen, dass es auch kein bedingtes Entstehen gibt. Denn tatsächlich bedingt das, was frei von Eigensein ist, nichts (mehr) im Sinne der Kette des bedingten Entstehens. Was da bedingt bleibt, ist sozusagen Physik, Chemie, Biologie, aber das wird leider meist vermischt mit dem, was gar nicht als bedingt erlebt werden muss. Diese Fakten werden auch nicht "befreit". Es geht im Zen eben nicht um die Aufhebung von Naturwissenschaft, sondern um die Klärung des Geistes. Wichtig ist nicht das Entstehen in Abhängigkeit, sondern dessen Aufhebung, indem man das "Ich" aus der Wechselwirkung herausnimmt. Insofern sagt man dann: "Ich" macht beim Spiel des bedingten Entstehens nicht mehr mit. Wenn es nicht mehr mitmacht, ist auch die Kette des bedingten Entstehens als weitere Illusion durchschaut.


    Es ist von daher auch relativ sinnlos, vom Zen-Standpunkt aus bedingtes Entstehen zu lehren und sich damit unnötig aufzuhalten. Das kann man eigentlich nur im Stadium der Grübelei tun. Alles andere, was in diesem Zusammenhang populär gesagt wird, weiß praktisch jeder Mensch von alleine, etwa, dass Ärger und Wut ihm auf den Magen schlagen können, dass Liebeswahn ihm schlaflose Nächte macht usw. Das ist überhaupt kein spezielles buddhistisches Wissen. Das speziell Buddhistische daran scheint mir lediglich zu sein, wie man sein Leben lebt, ohne dass die übliche Kette geistiger Regungen abläuft (mit ggf. somatischen Folgen). Mit anderen Worten: Wie man die Kette bedeutungslos bzw. nicht-existent macht, wie man erkennt, dass auch sie keine Eigen-Natur hat, sondern nur so lange existiert, wie man selbst noch an genau dieser Eigen-Natur festhält. Leere heißt dann eben auch: Bedingtes Entstehen ist (gar) nicht. Es ist nur im getäuschten Zustand.


    Das Gleiche gilt auch für die dharani. muke ta somi dudu hapi zack. Gerade von mir erfundenes magisches dharani. Glaub ich dran, macht mein Eigen-Sein dem dharani sein Eigen-Sein, und schon bin ich verstrickt. Weiß ich, dass es keine magischen Formeln gibt, dann gibt es auch keine dharani, und gyate, gyate ... ist nicht wertvoller als muke ta somi .... Auch hier besteht der Fehler darin, dass die Religion - in diesem Fall im zendo - etwas schafft, was von Anfang an leer ist. Warum tut sie das? Es ist das traurige Paradox der Religion, denn irgendwann im Leben wird der Übende mit Schrecken feststellen, dass seine dharani bloß seiner Selbstberuhigung dienten, ein upaya waren, aber nicht im Mindesten die Kraft haben, die er ihnen einst angedacht hatte. Irgendwann muss er auch in dieser Hinsicht aufwachen.