Beiträge von Sudhana im Thema „Wohin gehöre ich? Wie fandet ihr euren Weg?“

    Selbst:

    Ich finde, wenn man sich bei Unklarheiten von Dôgen oder anderen auf Sprachbilder, Stilistik u.ä. zurückzieht, ist der Diskussion nicht geholfen. Es wurde hier im Forum schon einmal ein Essay zitiert, in dem darauf abgehoben wird, dass "Körper und Geist abfallen" (shinjin datsuraku) eine Erfindung Dôgens sein dürfte, und für mich stellt sich die Frage, ob hier ein eher verunglücktes Bild falsche Vorstellungen im Übenden erzeugt.


    Was heisst schon "falsche Vorstellungen"? Gibt es auch richtige? Bei aufmerksamer Betrachtung des eigenen Umgangs mit Sprache ist doch nicht zu übersehen, dass sich persönliche Erfahrung und deren sprachlicher Ausdruck nicht völlig zur Deckung bringen lassen. Und das ist noch der einfache Part - um ein vielfaches schwieriger ist es, aus der Rezeption sprachlichen Ausdrucks die ausgedrückte Erfahrung zu rekonstruieren. Gilt dies schon für ganz alltägliche Erfahrungen, so in potenziertem Ausmaß für den sprachlichen Ausdruck von Erfahrungen, die jenseits des allgemein zugänglichen Erfahrungshorizontes liegen. Nagārjuna bringt das Dilemma dessen, der eine Wahrheit erkennt und diese zum Nutzen Anderer kommunizieren will auf den Punkt, wenn er sagt, dass Wahrheit im höchsten Sinn sich sprachlichem Ausdruck verweigert, dass jedoch ohne sprachlichen Ausdruck, ohne Wahrheit in einem lediglich konventionellen Sinn, auf die eigentliche Wahrheit nicht verwiesen werden kann. Das Problem ist, dass eine 'Konvention' über einen adäquaten sprachlichen Ausdruck nur existieren kann, wenn die Erfahrung, die ausgedrückt wird, Sprecher und Hörer gemeinsam ist. Ist dies nicht der Fall, erscheint die Sprache lediglich konventionell. Das ist die von Bambushain angesprochene schwere Verständlichkeit - die natürlich auch potentielle Missverständlichkeit ist - Dōgens.


    In diesem Sinne hasst Du natürlich recht, dass es völlig an der Sache vorbeigeht, etwa die Darlegungen Dōgens als Dogmen zu behandeln. Dōgen bewegt sich am Rande des Sagbaren, der gleichzeitig auch der Rand des Verstehbaren ist. Dieser 'Rand' ist jedoch nicht fixiert, er verändert sich mit der Entwicklung des Verständnisses des Rezipienten und eben dieses Verständnis entwickelt sich durch die von Dōgen vorgezeichnete Praxis, das Studium des Selbst - das entsprechende Money Quote hattest Du ja schon angeführt. Dōgens Texte sind immer nur die Folie, auf die sich der eigene Standort auf diesem Weg projizieren lässt. Sie formulieren keine Wahrheiten (was der Anspruch von Dogmen ist), sie erhellen den Stand eigenen Verstehens. Ich lese Dōgen seit etlichen Jahren und doch habe ich keinen Text von ihm zweimal gelesen - mit jedem Lesen ist der Text ein Anderer, weil der Leser ein anderer ist. Und ich bin weit entfernt von dem Empfinden, Dōgen irgendwann ausgeschöpft zu haben.


    Der große Wert dieser Texte, Dōgens Genie, liegt nicht in ihrer Aussage sondern in ihrer Eignung, das Verständnis des Studierenden widerzuspiegeln, damit ihm sichtbar zu machen und zu vertiefen. Das funktioniert vielleicht nicht bei jedem, aber es funktioniert bei Vielen. Es sind nur die, deren Verständnis ihrer selbst stagniert und schließlich steckenbleibt, die in die Versuchung geraten können, aus Dōgen einen Dogmatiker, einen Anwalt ihrer eigenen begrenzten Sichtweise zu machen. Dann ist er ihnen (und denen, die sich von ihnen beeindrucken lassen) tatsächlich im Weg. Aber das ist kein spezifisches Problem bei Dōgen. Es ist generell das Problem von Menschen, die Wahrheit am falschen Ort suchen. In Schriften, in den Sprüchen angeblich (oder meinetwegen auch tatsächlich) erleuchteter Meister oder sonstwo - nur nicht in sich selbst.

    Selbst:

    Insofern sind Sôtô-Dogmen eben m.E. dem Schüler genauso im Weg wie anderen ihre je eigenen Erwartungshaltungen.


    Genau so ist es. Dogmatismus wie auch Erwartungshaltungen sind Kinderkrankheiten - so ziemlich jeder muss da durch und nicht jeder übersteht sie unbeschadet.

    Selbst:

    Wenn Körper und Geist abfallen, dann immer von jemandem, der dann als Meister oder Abt Soundso mit dem immer noch klar erkennbaren "Subjekt" weiterwirkt, als der, der er oder sie auf der Grundlage dessen, was er/sie zuvor war, nun geworden ist.


    Das hatte Monday ja schon (zu recht) angesprochen. Nicht jedem genügt das Verlieren, der Eine oder Andere will auch etwas haben oder zurückbehalten. Dein "immer" suggeriert freilich eine Zwangsläufigkeit, die ich nicht sehe. Die "Spurlosigkeit", die das zehnte Ochsenbild ausdrückt, halte ich nicht für einen bloßen Mythos. Wobei die Spurlosigkeit ein Verifizieren (oder Falsifizieren) ausschließt - insofern ist es müßig, darüber zu streiten.

    Selbst:

    Auf die Frage, warum ich mir von jemandem sagen ließ, was ich (nicht) tun solle (nämlich den Weg suchen), könnte ich nun ebenfalls mit Dôgen antworten: "Wenn du beginnst, nach der Wahrheit zu suchen, entfernst du dich weit von ihr." (Genjokoan).


    In diese Richtung zielte ja auch mein Zitat Sekito Kisens - der Weg liegt vor DeinenFüßen, suche nicht woanders danach.

    Selbst:

    Meine Antwort ist jedoch eine andere: Es war der entscheidende Schritt des Vertrauens in einen Meister (oder eine Lehre), der mich weiterbrachte. Es war das Vertrauen in die Weisheit eines anderen, die zu Beginn meines Weges stand, es war die Akzeptanz der tieferen Einsicht eines anderen (Subjektes).


    Daher meine Frage: war es das, was Du hören wolltest? Oder was Du ohnehin schon wusstest und wo Dir der Andere nur als Projektionsfläche eigener Einsicht diente, so wie ich es oben bezüglich Dōgen versucht habe, zu umreißen? Woher rührt das Vertrauen, die "Akzeptanz tieferer Einsicht eines anderen"? Ich bezweifle ja nicht, dass Andere tiefere Einsichten haben mögen als ich, auch ich nehme Hinweise und Ratschläge gern entgegen und folge ihnen gelegentlich sogar. Aber deren Einsicht ist nicht meine Einsicht und umgekehrt.


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    bel:

    Wo wird denn bei Dogen bzw anderswo Zen ausdrücklich in diesem Sinne auf ayavijñāna Bezug genommen?


    Dōgen scheint mir generell keine allzu große Affinität zum Yogācāra zu haben. Es ist wohl der vorwiegend praktischen Orientierung des Zen und seiner Geringschätzung spekulativen Denkens geschuldet, dass da der ālaya als karmischer 'Speicher' weniger eine Rolle spielt als seine Transformation, i.e. die "große perfekte Spiegelweisheit" (大圓鏡智, ādarśa-jñāna). Die Spiegelmetapher spielte laut McRae in der sog. Nördlichen Schule (man denke z.B. an Shenxius Vers im Platform-Sutra) eine wichtige Rolle; man findet aber auch sonst Bezugnahmen darauf, z.B. bei Hakuin, der den ersten von Tōzan Ryōkais Go-I mit der 'Spiegelweisheit' identifiziert.


    bel:

    Die Stelle im "Soku Shin Ze Butsu", die ich grad zufällig vor mir habe:

    Zitat

    ... that the hundreds of karmic seedlings from defiling passions have been weeded out and discarded.

    deutet für mich eher auf sankhara (seedlings) hin, als auf ālaya (seeds).


    Hmmm ... da könnte man ggf. überprüfen, was genau da von Nearman mit "seedlings" übersetzt wird. Bei Nishijima/Cross findet man einfach "weeds". Allan/Tanahashi (die übrigens die kritischen Worte zu Rinzai und Tokusan unterschlagen) geben "blades of grass". Das macht es zumindest unwahrscheinlich, dass im Original 種子 ( bīja) oder gar 習氣 (vāsanā) steht. Es scheint sich eher um eine offensichtlich nicht so einfach zu übersetzende Metapher zu handeln, die sich mE durchaus auf die genannten Yogācāra-Begriffe beziehen lässt. Dieser Auffassung scheint mir auch Nearman (trotz "seedlings") zu sein, was sein wohl nur erklärender Zusatz "from defiling passions" andeutet - etwas Entsprechendes findet sich in den anderen beiden Übersetzungen jedenfalls nicht.


    ()

    Selbst:

    Hier einige Perlen aus diesem Thread:

    Zitat

    Es geht darum, dass 'Körper und Geist abfallen'


    Von was denn?


    Mach Dich einfach kundig, was eine Metonymie ist und warum es unsinnig ist, sie wörtlich zu nehmen - wenn man nicht gerade einen Witz oder ein Wortspiel konstruieren will. Der Punkt, um den es hier letztlich geht, ist der, dass 'Geist und Körper' (shinjin, namarupa) nicht Subjekt der Erleuchtung ist - weil diese keines hat.


    Selbst:

    Mein Fazit: Wer keine Erleuchtung will, hat im Zen nichts verloren.


    Es mag sein, dass man Erleuchtung wollen muss, um sich ernsthaft der Übung des Weges zuzuwenden. Oder dass zumindest manche das brauchen. Mit Sicherheit ist es jedoch richtig, dass zu dieser Übung gehört, sich von solchen Flausen zu verabschieden - besser früher als später. Wer meint, Zen sei ein Deal nach dem Motto 'ich sitze mir den Arsch wund und die Knie kaputt und dafür werde ich erleuchtet', ist da an der falschen Adresse. Die Zenübung bringt nichts, sie nimmt. Auch den Willen, "erleuchtet" zu werden. Letztlich auch 'Geist und Körper'. Positiv formuliert: sie befreit von Anhaftungen. Das kann man dann, wenn man denn unbedingt will, "Erleuchtung" oder "Satori" nennen, wenn man da ein Preisschild dranmachen will. Nur hat niemand etwas davon (das kannst Du jetzt gerne wörtlich nehmen). Wer Zen übt, um Erleuchtung nach dem Muster der Beschreibungen bei Kapleau zu erfahren, sollte statt Zen zu üben vielleicht besser kiffen. Ist weniger mühsam. Und man kriegt nicht dauernd gesagt "geh weiter".


    Selbst:

    Wohin gehöre ich?
    Zum Universum.


    Hmm ... soll das jetzt irgendwie tiefschürfend oder so rüberkommen? Dann hab ich's nicht verstanden. Wieauchimmer - wenn Du keinen Unterschied zwischen zwischen 'Universum' und 'Sangha' machst, ist das zwar keine andere Sichtweise (es ist überhaupt keine Sichtweise) - aber ein anderes Interagieren. Es ist Zuflucht nehmen und geben.


    Selbst:

    Wie fandet ihr euren Weg?
    Indem mir jemand sagte, ich solle nicht danach suchen.


    War es das, was Du hören wolltest? Oder wieso lässt Du Dir sagen, was Du tun sollst? Nicht, dass ich den Vorschlag für schlecht halte - nur hätte ich gesagt, Du brauchst nicht danach suchen. Es geht nicht darum, einen Weg zu finden, sondern darum, seinen Weg zu verstehen.


    Zitat

    "Verstehst du den Weg vor deinen Augen nicht,
    wie kennst du dann den Weg, den du gehst?
    Voranschreiten ist keine Sache von fern oder nah,
    doch bist du verwirrt, versperren Berge und Flüsse deinen Weg."


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    Monday:

    Das Linji-lu gibt es auch online als pdf:
    http://info.stiltij.nl/publiek…storisch/linji-sasaki.pdf


    Danke für den Hinweis. Fuller-Sasaki folgt nicht der üblichen Einteilung des Textes nach Yanagida Seizan (wie z.B. Schloegl und Watson). Die von mir gemeinte Stelle findet sich bei Fuller-Sasaki in Abschnitt X, 165 ff. Das deckt ziemlich mit dem, was Dōgen in Shōbōgenzō Sokushinzebutsu dem 'Häretiker' Senika in den Mund legt. In der Tat liest sich das im Rinzai Roku auch ziemlich atman-lastig.


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    Bambusblatt:

    Außerdem bin ich mangels Beschlagenheit in den von Dir angesprochenen Gebieten etwas hilflos angesichts Deiner Erläuterung zu Alaya und kann nicht sehen, in wie weit es faktisch falsch ist, Erleuchtung als Wandel der 8. Bewusstseinsstufe anzusehen.


    Das hattest Du aber nicht geschrieben, sondern

    Zitat

    Die Essenz von Kensho ist ja gerade, dass es einen fundamentalen Wandel der achten Bewusstseinsstufe bewirkt.


    Darauf mein Hinweis:

    Zitat

    man könnte - wenn es denn für sinnvoll hält - Kenshō durchaus so, als āśrayaparāvṛtti, beschreiben - was etwas anderes ist als die Behauptung, Kenshō "bewirke" āśrayaparāvṛtti.


    (Hervorhebungen von mir). Das mag haarspalterisch erscheinen, aber die Frage, ob Kenshō in einem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang steht (ob es etwas "bewirkt" bzw. durch etwas "bewirkt" wird), ist von nicht unerheblicher praktischer Bedeutung. Ergänzend: das "Umwenden der Basis" betrifft nicht nur den ālayavijñāna, sondern es ist die Transformation von vijñāna (d.h. aller seiner "Stufen") zu jñāna. Jedenfalls nach Vasubandhu (der nicht ganz zufällig einen Platz in der Linie der indischen Zen-Patriarchen hat). Die Transformation des ālaya ist allerdings insofern von besonderer Bedeutung, als dieser die Quelle karmischer Bindungen und seine Transformation zu jñāna die Befreiuung davon ist.


    ()

    Bambusblatt:

    Im Shobogenzo macht Dogen die Bemerkung, dass Rinzai (bzw. sein Verständnis) nicht vergleichbar sei mit dem von zB. Joshu Jushin oder Nanyang Huizhong. Sicher, beide haben nach ihrem großen Erleuchtung noch lange gelebt und gelehrt, aber ist das, weshalb Dogen das sagt? Wenn jemand dazu etwas sagen kann, wäre ich dankbar


    In dem von Dir genannten Kapitel legt Dōgen sein Verständnis von soku shin ze butsu dar und beruft sich dabei auf Nan’yō Echū. Zu Rinzai Gigens (implizit kritisierter) Auffassung vergleiche hingegen Rinzairoku Abschnitt 11 (in Schloegls Übersetzung 11.d).


    Das Deshan Sijia lu liegt mir nicht vor, daher kann ich nicht sagen, auf welche Darlegung Tokusan Senkans sich Dōgen möglicherweise bezieht. Bekannt ist jedoch, dass Rinzai und Tokusan (die Zeitgenossen waren) in ihren Lehrvorträgen und in ihrem Lehrstil ("Tokusans Stock und Rinzais Schrei") große Ähnlichkeiten aufwiesen, auch wenn sie unterschiedlichen Linien angehörten.


    Jōshū Jūshin (den Dōgen jedenfalls hoch schätzte) wird in diesem Kapitel nicht erwähnt - da müsste man dann auch ggf. den Kontext mit heranziehen.


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    bel:
    Bambusblatt:


    bel:"In der Tat, ausgesprochen komisch find ich, daß iwas angestrebt wird, wovon man nicht weiß, was es ist. "
    Die Essenz von Kensho ist ja gerade, dass es einen fundamentalen Wandel der achten Bewusstseinsstufe bewirkt. In dem Sinne kann tatsächlich vorher nicht gewusst werden, was angestrebt wird.
    Ob Kensho angestrebt wird, ist ja eher eine Rinzai und Soto-Sache; Das es irgendwann eintreten muss, kann aber nicht bestritten werden.

    Ich hab kein Ahnung was du mit "8. Bewußtseinstufe" meinst.


    Das ist so natürlich Unsinn, wobei ich nicht so recht weiss, ob dieser Unfug auf ein Missverständnis von Bambushain, von Kapleau oder sonst jemandem zurückgeht.


    Gemeint ist mit der "achten Bewusstseinsstufe" offensichtlich ālayavijñāna und der "fundamentale Wandel" das, was Vasubandhu als āśrayaparāvṛtti (wörtl. "Transformation der Basis", oft auch mit "Umwenden der Basis" übersetzt) bezeichnet (śloka 29 der Triṃśikā). Grob zusammengefasst geht es um die Transformation von vijñāna zu jñāna durch Überwindung der "zwei Barrieren" (āvarana), d.h. von Objekt und Akt des 'Be-greifens' (grāha).


    Nun ist das nicht spezifisch Zen, sondern Hossō respektive Yogācāra. Aber man könnte - wenn es denn für sinnvoll hält - Kenshō durchaus so, als āśrayaparāvṛtti, beschreiben - was etwas anderes ist als die Behauptung, Kenshō "bewirke" āśrayaparāvṛtti. Ob das allerdings in irgendeiner Weise hilfreich ist, bezweifle ich. Insbesondere, wenn man in Betracht zieht, dass Hossō sich in einem ganz wesentlichen Punkt von Zen unterscheidet - nämlich dem grundsätzlichen Ansatz der Praxis (tongyō / subitistisch vs. zengyō / gradualistisch).


    ()

    Ich bin über die Sicherheit, mit der Du hier apodiktische Urteile fällst, offen gesagt doch etwas erstaunt.


    Zunächst einmal: das von Dir empfohlene Buch Philip Kapleaus schildert weder Rinzai- noch Soto-Praxis sondern die einer sog. Shinshūkyō (新宗教, "Neue Religion"). Einer Laienvereinigung von in Japan sehr marginaler Bedeutung, deren Gründung übrigens auf auf zwei Soto-Priester zurückgeht (näheres dazu http://zensplitter.blogspot.de/2010/02/reformiertes-zen.html). Dass beide auch Erfahrung mit dem Rinzai-Stil hatten, ist übrigens so ungewöhnlich nicht - der Dir so unsympathische Muho Nölke ist dafür ebenfalls ein Beispiel. Wie es da überhaupt sehr viel mehr Querverbindungen und wechselseitige Wertschätzung gibt, als es dem sektiererischen Denken erscheinen mag.


    Es ist richtig, dass im Soto-Zen eine besondere Auffassung von 'Erleuchtung' vertreten wird, i.e. Dogens 'Einheit von Übung und Erleuchtung' (shushô itto). Aus dieser Perspektive sind die schönen Kenshô-Erfahrungen, wie sie Kapleau schildert und aus denen in der Sanbo Kyodan anscheinend eine Art spiritueller Wettbewerb (größer, schneller, weiter ...) gemacht wurde allerdings auch reichlich überbewertet - es handelt sich da um mehr oder weniger subtile Makyo. Persönliche Erfahrungen, bei denen die Gefahr besteht, sie mit einer "persönlichen Erleuchtung" zu verwechseln. So etwas gibt es jedoch im Buddhadharma nicht - es wäre ein Widerspruch in sich. Jedenfalls - Deine (oder meinetwegen auch Yasutanis) Aussage, Erleuchtung sei in der Soto-Praxis "nicht direkt Ziel" ist reichlichst vergröbernd. "Ziel" bzw. genauer: Funktion der Praxis ist die Aktualisierung der Erleuchtung Buddhas - nicht jedoch das Verfolgen einer "persönlichen Erleuchtung". Es geht darum, dass 'Körper und Geist abfallen' (shinjin datsuraku), nicht darum, dass sie Kensho erfahren.


    Eine Anmerkung noch zu Dogens Shobogenzo: die angebliche schwere Verständlichkeit liegt weder an Dogens "Stil" noch an seinen Übersetzern. Die "Verständlichkeit" des Werks steht vielmehr in direktem wechselseitigem Zusammenhang mit der Praxis des Lesenden. Das Studium des Shobogenzo vertieft die Praxis und vertiefte Praxis vertieft wiederum das Verständnis des Shobogenzo. Es ist ein Werk, dessen volles Verständnis man sich über viele Jahre erarbeiten muss (falls man es überhaupt je voll ausschöpft) - nicht eines, das man gerade mal liest und dabei entweder versteht oder nicht. Anders herum: das, was man vom Shobogenzo versteht, ist ein Indikator für die Tiefe der Übung.


    Auch zu Hakuin eine Anmerkung: dass zu seiner Zeit seiner Meinung nach "echte Zen-Lehrer" "extrem selten und schwer zu finden" waren, war der Antrieb für seine Reform des Rinzai-Zen. Wenn Du nun meinst, das sei heute "umso mehr wahr", dann bescheinigst Du Hakuin damit, dass er mit seinen Anstrengungen gescheitert ist.


    Generell: wenn Du schreibst "die überwältigende Mehrheit der Lehrer hat keine volle Erleuchtung" dann stellt sich mir automatisch die Frage (die ich hiermit an Dich weiterreiche), wie viele Lehrer Du denn kennengelernt hast ("die überwältigende Mehrheit" wohl kaum?) und anhand welcher Kriterien Du beurteilst, ob diese voll, halb oder gar nicht erleuchtet sind. Mir scheint da sehr vieles - wenn nicht alles - auf Hörensagen zu beruhen. Damit sollte man generell vorsichtig und zurückhaltend umgehen.


    ()

    verrückter-narr:

    es gibt auch mind. 2 gruppen in ravensburg, die zen-meditation anbieten:
    http://www.foerderverein-meditation.de/


    Hmm - wenn der Fragesteller schon Vorbehalte gegen den Diamantweg hat, weil der ihn zu sehr an Christliches erinnert, ist ein Laien-Karmeliter, der christliches Zen und inneres Gebet lehrt, vielleicht doch nicht so ganz das richtige ...

    verrückter-narr:


    Zur Zeit keine "Kursangebote" (sic!). Außerdem offensichtlich ein rein kommerzieller Anbieter. Fragliche Qualifikation.

    verrückter-narr:

    hier noch eine weitere gruppe:
    http://www.bodhipath-rv.de/


    Dieselbe Karma-Kagyü-Fraktion wie der Diamantweg - aber ohne Ole Nydahl. Und Shine-Meditation ist ja doch vielleicht für jemanden mit Vipassana-Erfahrung akzeptabler, als "auf den Karmapa zu meditieren", wie es so schön heisst ...


    ()

    Ich denke, ohne nähere Kenntnis der persönlichen Ausgangsbedingungen ist es schwierig wenn nicht unmöglich, hier eine spezielle Übungsgemeinschaft zu empfehlen. Ich kann lediglich versuchen zu schildern, was für mich "funktioniert" hat - ohne Erfolgsgarantie bei Nachahmung, versteht sich.


    Zunächst: natürlich ist es möglich, alleine zu praktizieren (als 'Nashorn', wie es nach einer traditionellen Metapher gelegentlich genannt wird). Dies bedeutet jedoch Verzicht auf Unterstützung und Förderung durch Weggefährten, was unter ungünstigen Umständen (die selten ausbleiben) problematisch werden kann. Aus gutem Grund ist die Zufluchtnahme dreifach - für einen Verzicht auf das "dritte Juwel" (Sangha) in konkreter Form sollte es daher gute Gründe geben. Vollständige buddhistische Praxis ist immer Praxis mit und in der Sangha - nach Mahayana-Verständnis sogar mit allen fühlenden Wesen - was sich mit fortschreitender Übung zunehmend deutlicher zeigt. Für den Übenden ist Sangha in seiner Praxis immer gegenwärtig - was nicht notwendig räumliche Nähe bedeutet. Um diesen Praxisaspekt umzusetzen, ihn zu erfahren, ihn zu konkretisieren, ist es allerdings ratsam, nicht als 'Nashorn' zu praktizieren, sondern sich einer konkreten Gemeinschaft anzuschließen - d.h. sich gelegentlich ganz konkret mit anderen Praktizierenden auszutauschen bzw. gemeinsam mit ihnen am gleichen Ort zu üben. Da diese Übungsgemeinschaft der Teil von Sangha ist, der Dir bzw. Deiner Praxis unmittelbar Unterstützung und Förderung geben soll (die Du Deinerseits mit Unterstützung und Förderung vergelten solltest), muss Sie zu Dir - zu Deinen Bedürfnissen, Fähigkeiten, Ausgangsbedingungen usw. - passen, was wiederum heisst, dass man diese konkrete Gemeinschaft sorgfältig auswählen sollte.


    Dieser Auswahlprozess braucht einen gewissen Vorlauf - man muss sich erst einmal selbst in die Lage versetzen, auswählen zu können. Also Kriterien für eine Auswahl entwickeln. Das bedeutet bei der Vielzahl unterschiedlicher buddhistischer Traditionen und Praxisformen (ein großer Vorteil, den wir hier im Westen genießen) eine gewisse Vorauswahl zu treffen. Dies wiederum heisst, sich mit den verschiedenen Traditionen und deren Praxisformen zumindest in ihren Grundzügen vertraut zu machen. Zweckmäßigerweise macht man das nicht in der Form von Guru-hopping (trial-and-error), sondern zunächst über ein theoretisches Studium des Dharma.


    Bei mir sah das konkret so aus, dass ich mich zunächst mit den Grundlagen - konkret: den Sutten des Palikanon - beschäftigt habe. Da der Palikanon selbst nicht nach einer inhaltlichen Systematik geordnet ist, las ich die Sutten vertiefend zu verschiedenen Gesamtdarstellungen (insbesondere Oldenberg, v. Glasenapp und Bhikku Bodhi, als 'klassisches' Werk Buddhaghosas Visuddhimagga). Dann 'entdeckte' ich Nagarjuna und beschäftigte mich aufbauend mit dem Mahayana, insbesondere den Prajnaparamita-Sutren (wobei mir speziell Conze eine große Hilfe war) und dem Lotossutra. Was dann in Tibet aus dem Mahayana wurde, sagte mir persönlich weniger zu. Da ich mich schon früher mit der klassischen daoistischen Literatur befasst hatte, lag eine Beschäftigung mit dem chinesischen Chan nahe - hier war Gunderts Übersetzung des Biyan Lu für mich der Einstieg. Es lag dann auch nahe, sich auch mit dem japanischen 'Ableger' - also Zen - zu befassen, wo ich dann ziemlich schnell auf Dogen stieß. Damit hatte ich "meine" Tradition gefunden. Das war also eine Art religionswissenschaftlicher Zugang (vergleichende Religionswissenschaft gehörte schon vorher zu meinen Interessensgebieten) - das ist sicher nicht jedermanns Sache. Dass das 'Studium' damit nicht abgeschlossen war, sondern noch heute (in Wechselwirkung mit der Praxis) stetig weiter vertieft wird, sollte nicht unerwähnt bleiben.


    Um kein Missverständnis hervorzurufen - das war lediglich der intellektuelle Aspekt meiner Suche. Natürlich übte ich mich in dieser Zeit auch in 'Meditation', konkret in anapanasati. Man kann dies recht gut ohne persönliche Unterweisung anhand von Beschreibungen 'erlernen' und die Regulierung von Körperhaltung und Atem ist gleichzeitig Grundlage für vertiefte Formen der Geistesschulung. Erfahrungen mit Taijiquan und Qigong erleichterten mir hier den Zugang. Nach der Entdeckung Dogens wurde dieses anapanasati zum Zazen-Training - das dann allerdings auch an Grenzen stieß, die als 'Nashorn' nicht so ohne weiteres zu überwinden waren.


    Das heisst, ich hatte mir eine Basis sowohl theoretischen Verständnisses des Dharma als auch 'meditativer' Praxis erarbeitet, als ich mich für die Soto-Tradition des Zen als den 'Ort' entschieden hatte, wo ich meine Zuflucht zu einer konkreten Praxisgemeinschaft und einem bzw. einer konkreten Wegbegleiter/in nehmen wollte. Damit war meine Suche schon stark eingegrenzt - schließlich wusste ich, wonach ich suchte und mein Urteilsvermögen war hinreichend für ein sicheres Urteil geschärft. Ich hatte dann das Glück, dass die Zendo, der ich mich dann anschließen wollte und durfte, mit einer ca. anderthalbstündigen Autofahrt erreichbar ist. Das ist zwar etwas zu weit, um am regelmäßigen gemeinsamen Sitzen einmal in der Woche teilzunehmen, aber doch nahe genug, um über die Jahre eine tiefe Verbindung mit meinen Weggefährten in dieser Praxisgemeinschaft aufzubauen.


    Nachgeschoben, falls es nicht hinreichend deutlich genug geworden ist: räumliche Nähe eines 'Praxiszentrums' zum Wohnort war bei der Suche nicht wirklich ein Kriterium ...


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