Beiträge von Yofi im Thema „Worauf will Nagarjuna raus?“

    Yofi:
    Zitat

    Thich Nhat Hanh - "Schlüssel zum Zen" - Herder Verlag


    Nicht mal ein Tisch ist wirklich ein Tisch...


    Übrigens findet sich in diesem Buch ebenso eine Analogie zum "Tisch", was ist gestern noch nicht wusste. Seht ihr, das Buch wirkt noch bevor man es gelesen hat - für einen Zen-Einstieg in die Philosophie der Leere bestens geeignet.


    Zitat

    "Der Wald, der Baum, die Säge, der Hammer und der Möbelschreiner sind Nicht-Tisch-Elemente, genau wie die Eltern des Möbelschreiners, das Brot, das sie essen, der Schmied, der den Hammer angefertigt hat usw. Wenn wir tief genug in den Tisch hineinzuschauen verstehen, können wir die Anwesenheit aller dieser Nicht-Tisch-Elemente in ihm wahrnehmen. Die Existenz des Tisches führt uns sie Existenz aller Nicht-Tisch-Elemente vor Augen, ja in Wirklichkeit sogar die Elemente des gesamten Universums. Diese Vorstellung ist im Avatamsaka-System des Buddhismus in den Begriff des >>Ineinander aller Dinge<< gefasst."


    Grüße

    Zitat

    "Die Methode der Madhyamika besteht darin, deutlich die Leerheit vor Augen zu führen, wie sie in der Prajnaparamita dargestellt wird, sowie die Absurdität und Nutzlosigkeit aller Begriffe und Ziele aufzuzeigen. Sie stellt keine linguistische Philosophie dar und ist nicht lediglich eine Spielerei mit Worten oder eine intellektuelle Übung. Die Madhyamika zielt vielmehr darauf, alle Begriffe ad absurdum zu führen, um das Tor zum nichtbegrifflichen Wissen aufzustoßen. Dabei geht es nicht darum, eine bestimmte Sicht der Wirklichkeit vorzustellen und diese dann in Gegensatz zu anderen Sichten der Wirklichkeit zu bringen Alle Sichtweisen sind nach Auffassung der Madhyamika irrig, weil alle Sichtweisen nicht Wirklichkeit sind. Die Madhyamika wird deshalb nicht als Lehre, sondern Methode vorgestellt."


    Thich Nhat Hanh - "Schlüssel zum Zen" - Herder Verlag


    Insofern gibt es keinen Grund dazu, andere Methoden in ein Konkurrenzverhältnis dazu zu stellen.



    Denken wir weiter in rationalen Begriffen: Nicht mal ein Tisch ist wirklich ein Tisch, Der Tisch ist ein gefällter Baum, Leim und Arbeit. Von wo kamen die Arbeiter, aus was entstand der Baum, wo wuchs er auf? Wir wissen das nicht, und weil wir das nicht wissen, haben wir uns einfache Begriffe ausgedacht, die wir Wahrheit nennen.


    Die Aktivität des Speicherbewusstseins nennen wir Vergangenheit, alle Projektionen unserer Wünsche und Ängste Zukunft.


    Auf die Art kann man lange überlegen und feststellen, dass es nichts gibt, das man als existent bezeichnen kann. Wer Tisch sagt, meint die Menschen, meint die Sonne, deren Energie der Baum festgehalten hat, meint alle Licht- und Materie-Partikel des Weltraums, aus denen zusammengesetzt alles um uns herum erscheint. Wer Erinnerung sagt, meint einen Teil der Energie der Erde, die sich in Jahrmillionen der Geschichte in einen einzigen Gedanken verwandelt hat.

    Um seine Person geht es auch nicht, sondern um den Unterschied zwischen einer Abstraktion, wie man westliche Philosophie bezeichnen kann, und dem Weg nach innen, in die innere Erkenntnis, die sich als Hasslosigkeit manifestiert.


    Aber du hättest auch David Hume oder Rousseau nennen können, die Humanisten und vor allem Psychoanalytiker, die den richtigen Weg eingeschlagen haben, nur mit dem Unterschied, dass sie die Philosophie der Unbeständigkeit und Leere nicht kannten und an eine eigenständige, von allem anderen isolierte Persönlichkeit glaubten, an die Unbeirrbarkeit der Wahrnehmung, die auf fünf Sinne begrenzt ist. Das ist ein Resultat der früheren rationalistischen Aufklärung, der Mensch wurde auf ein denkendes Selbst reduziert, und das hatte sicher mit einem Stolz zu tun, den manche heute noch empfinden und z. T. gar nicht merken, dass ihnen etwas fehlt - nämlich der Bezug zu der eigenen geistigen Natur, der sich dann offenbart, wenn man den Glauben an eine Selbst-Instanz weg lässt.

    Stero:

    ich würde die zu begrüßende Abkehr von Religionen nicht als "Annäherung an östliche Weltanschauung" fehlinterpretieren. Denn schließlich handelt es sich um den Siegeszug der europäischen Aufklärung. Vielleicht bewegst du dich in Minderheitenkreisen, die dir aufgrund des Echokammer-Effektes als "westliche Gesellschaft" erscheinen. ;)


    Beschreibe doch einmal Stero, was du unter Religion verstehst. Und welche Siege uns eine Aufklärung - was auch immer
    das sein mag -, gebracht hat.

    Thomas23:

    Schiller verfasste dieses Werk aufgrund des blutrünstigen Verlaufes der Französischen Revolution.


    Das zu erleben muss sehr schlimm gewesen sein. Übrigens hat Schiller wahrscheinlich einen der ersten Grundsteine zur Triebtheorie gelegt. Natürlich wollten einige, dass so etwas nicht wieder vorkommt und haben deshalb Analysen erstellt. Wenn aber Menschen sich nicht intensiv in Nicht-Gewalt üben, wird das immer wieder vorkommen.

    Stero:

    ich würde die zu begrüßende Abkehr von Religionen nicht als "Annäherung an östliche Weltanschauung" fehlinterpretieren. Denn schließlich handelt es sich um den Siegeszug der europäischen Aufklärung.


    Diese Aufklärung brachte uns nichts außer ein System, in dem ein Mensch den anderen und ein Land das andere ausbeutet. Bzw. fallen unter die erste Instanz immer die gleichen Länder - die mit den aufgeklärten Menschen.


    Das Wort Aufklärung beeindruckt heutzutage niemanden mehr, eventuell hätte man sich vor etwa 100 Jahren noch dafür interessiert, aber auch das nur aufgrund der Unwissenheit, denn selbst in den 20-er Jahren ist der wirtschaftliche und sonstige Aufschwung Europas nur deshalb möglich gewesen, weil im Rahmen der Kolonialisierung fremde Länder geplündert wurden und deren Einheimische zu Millionen verhungerten.


    Nun gab und gibt es bis heute noch kleine Völker und Gesellschaften, die im Einklang mit der Natur leben, bei denen niemand kriminell wird und keine Gefängnisse vorhanden sind. Diese Völker haben auch kein Finanzsystem, sie produzieren Güter gemeinschaftlich und in der Menge, die für alle als ausreichend angesehen wird. Eben diese Menschen werden anhand ihrer religiösen und humanen Lebensweise von uns als primitiv angesehen.

    Hi gbg,


    der Einwand ist sicher berechtigt, es gab einige Denker, denen eine Annäherung an die Leerheit gelang, u. a. Immanuel Kant und Albert Einstein. Wir können auch all diese Philosophien als Vorstufen der unzähligen wissenschaftlichen Disziplinen sehen, die sich auf der Grundlage der Rationalität entwickeln konnten. Wie aber auch im Sinne eines anderen Threads über den Glauben (Allg. Buddhismus) - Erkenntnistheorien bekommen als Methoden dann einen Sinn, wenn sie zu einer Praxis führen, die zur Verbesserung der Gesamtsituation der Menschen beiträgt. Dieses Kriterium erfüllt die Philosophie der Leerheit im Kontext der buddhistischen Religion.


    Der Umstand, dass es Foren gibt, in denen buddhistische Philosophie bestenfalls ignoriert wird, kann ich mir nur anhand des Mangels an Informationen der Betreffenden vorstellen. Falls dir noch ein anderer Sinn zur Philosophie in der europäischer Kultur einfällt, würde ich mir das auch sehr gerne anhören.


    Meine Vermutung, die den Grund der Orientierungslosigkeit unserer westlichen Gesellschaft, die sich zumindest zum Teil nun aber zunehmend an die östliche Weltanschauung annähert betrifft, ist der Verlust der authentischen urtümlichen Religionen Europas, die in den vergangenen zwei Jahrtausenden praktisch spurlos aus der Erinnerung der Menschen verschwanden bzw. verdrängt wurden.

    Thomas23:

    Kurz und bündig beschrieben hat das Ansinnen Nagarjunas der Zen-Meister Thich Nhat Hanh in seinem Werk "Schlüssel zum Zen" in Kapitel V "Fußspuren der Leerheit" auf den Seiten 117-121:


    Thich Nhat Hanh:

    Die Methode des Madhyamika besteht darin, deutlich die Leerheit vor Augen zu führen, wie sie in der Prajñāpāramitā dargestellt wird, sowie die Absurdität und Nutzlosigkeit aller Begriffe und Ziele aufzuzeigen. Sie stellt keine linguistische Philosophie dar und ist nicht lediglich eine Spielerei mit Worten oder eine intellektuelle Übung. Das Madhayamika zielt vielmehr darauf, alle Begriffe ad absurdum zu führen, um das Tor zum nichtbegrifflichen Wissen aufzustoßen. Dabei geht es nicht darum , eine bestimmte Sicht der Wirklichkeit vorzustellen und diese dann im Gegensatz zu anderen Sichten der Wirklichkeit zu bringen. Alle Sichtweisen sind nach Auffassung des Madhyamika irrig, weil alle Sichtweisen nicht Wirklichkeit sind. Das Madhyamika wird deshalb nicht als Lehre, sondern als Methode vorgestellt. Dadurch wird sie zur legitimen Erbin des Denkens der Prajñāpāramitā.
    [...]
    Diese (Anm. Nagarjunas Dialektik) zielt darauf, gegen jeden Begriff so vorzugehen, daß sich sein jeweiliger diametral entgegengesetzter Begriff als untauglich erweist. Aus diesem Grund nennt man sie "den Mittleren Weg". Mit dem Ausdruck "mittlerer" ist keine Synthese zweier gegensätzlicher Begriffe gemeint, wie etwa "Sein" und "Nichtsein", "Erzeugung" und "Vernichtung", sondern das Transzendieren aller Gegensätze.
    [...]
    Gemäß den Prinzipien der "drei Tore zur Befreiung" hat die Negation also die Aufgabe, so lange alle Begriffe zu zertrümmern, bis der Übende an den Punkt kommt, wo er sich vollständig von aller Unterscheidung löst und in die ununterschiedliche Wirklichkeit eindringt. Die Dialektik zielt darauf ab, im Betreffenden eine Krise auszulösen, die ihn völlig umkrempelt, und nicht, eine Wahrheit herauszumeißeln.


    Was wahr ist, ist wahr.


    Zu der abendländischen Philosophien, die im Begriff einen Wahrheitsanspruch für sich einzuräumen sind, könnte man anmerken, dass sie alle Prämissen setzen, die nicht unbegrenzt gültig sind und speziell im Kontext der Leerheit der Wahrheit nicht entsprechen können. In der buddhistischen Philosophie wurde der Begriff 'Absolute Wahrheit' postuliert, die alle anderen weltlichen 'Realitäten' als relativ vorsieht - der Sinn des MMK.


    Zitat

    Prämissen und Wahrheit


    Prämissen und Wahrheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
    Sind die Prämissen in einem gültigen Schluss wahr, muss auch die Konklusion wahr sein. Ein Beispiel hierfür ist der obengenannte Schluss, dass aus „Alle Menschen sind sterblich“ und „Sokrates ist ein Mensch“ folgt „Sokrates ist sterblich“. Das Umgekehrte gilt jedoch nicht: Sind die Prämissen (oder einige der Prämissen) falsch, gilt nicht notwendigerweise, dass die Konklusion falsch ist. Beispielsweise folgt aus „Alle Menschen sind Griechen“ und „Sokrates ist ein Mensch“ der Satz „Sokrates ist Grieche“. Hier ist eine Prämisse falsch, dennoch ist die Konklusion wahr.


    Wikipedia - "Prämissen"


    U. a. deshalb:


    >>Alle Sichtweisen sind nach Auffassung des Madhyamika irrig, weil alle Sichtweisen nicht Wirklichkeit sind. Das Madhyamika wird deshalb nicht als Lehre, sondern als Methode vorgestellt. Dadurch wird sie zur legitimen Erbin des Denkens der Prajñāpāramitā.<<

    Doris Rasevic-Benz:

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.


    Alles klar.


    Für Anfänger, die hier Tipps bezüglich des Buddhismus suchen,
    Sabbāsava sutta


    Spacy:

    Hast du denn einen Begriff für/von Macht?


    Auch wenn nicht ich gefragt wurde - Verfügungsgewalt, die von einem Glauben daran, dass sie wirklich ist, abhängt. Kurz: Fata Morgana.

    Nagarjuna ist sehr abstrakt, ebenso wie alle abendländische Philosophie-Richtungen. Nur im Kontext der Praxis hat sie einen Sinn (s. Void), und daran orientiert sie sich auch - an der Philosophie der Leere, ohne Leere kein Sinn. Anhand dieser Erfahrung wird durch Reduktion der negativen Einflüsse ein Optimum an Entwicklung erreicht, was aber nicht heißt, dass das der einzige Weg wäre, die einzige Methode. Ebenso intuitiv erfahrene Unbeständigkeit kann die gleiche Wirkung haben, so wie es offensichtlich in urzeitlichen Religionen (Schamanismus) gewesen ist. Darum ist es auch so unsinnig wenn Buddhisten z. B. Hindus verpöhnen oder umgekehrt - das gibt es auch. Es geht um keine Heiligtümer, sondern um Methoden. Radikalismus bedeutet dabei Stillstand oder Regression für den eigenen Geist.

    Danke Void, das ist eine nützliche Überlegung.


    Die "philosophischen Gegner" stellen in Wirklichkeit eine Projektion des eigenen innerer Konflikts, die "eigenen Ideologien" eine Verleugnung der Realität dar.


    Alles ist ganz anders, nämlich unbeschreiblich besser als die eigene beschränkte Sicht, und das Leugnen der latenten, noch nicht ersichtlichen Wahrheit ist ein Hemmnis, das überwunden werden kann.