Beiträge von Sudhana im Thema „Zen und seine Bedeutung für Alltag und Meditation.“

    Ellviral:

    Buddhanaturen können nur durch viel Nachdenken entstehen


    Durch Nachdenken entstehen nur Gedanken - sonst nichts. Der Gedanke "Buddhanaturen" ist allerdings wohl eher durch Ausdenken entstanden. Der Gedanke "Buddhanatur" hingegen ist ein ziemlich gut bestimmter Begriff, der daher auch geeignet ist, sich über Sachverhalte auszutauschen. Wenn man denn weiss, was er bedeutet und das, was er bedeutet, erfahren hat. Im Zen bezieht man sich da vor allem auf die Darlegung, die dem 21. indischen Patriarchen Bashyubanzu zugeschrieben wird.


    Wenn nicht, ist alles Reden und Schreiben darüber nur sinnfreies Geplapper. Freies Assoziieren hat seinen passenden Ort auf der Couch des Psychoanalytikers. Das Problem ist, dass gbg statt sich auf die Couch zu legen meint, er müsste uns hier mal wieder mit dem beglücken, was er für Satsang hält.


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    Piti:

    Übersetzungen oder allgemein Schriftliches ist immer subjektiv


    Das habe ich in der Schule auch immer versucht, meinem Französischlehrer klar zu machen. Hat aber nichts genutzt. Natürlich fließt in eine Übersetzung notwendig die Subjektivität des Übersetzers mit ein. Trotzdem gibt es objektive Kriterien, ob eine Übersetzung gut, schlecht oder schlicht falsch ist. Und die haben nicht zuletzt damit etwas zu tun, wie weit der Übersetzer fähig ist, seine Subjektivität auf das notwendige Minimum zu beschränken. Bei öffentlich bestellten Dolmetschern und Übersetzern heisst so etwas übrigens "Treue" und sie werden darauf vereidigt.


    Mal anders gesagt: wenn ich 144,- € für eine Übersetzung des Shōbōgenzō abdrücken soll, dann tue ich das sicher nicht für subjektive Ansichten über das, was Dōgen womöglich gemeint haben könnte. Auch wenn es Ansichten einer sicher respektablen langjährigen Zen-Übenden sind. Ich will möglichst genau wissen, was Dōgen geschrieben hat. Eine subjektive Ansicht dazu kann ich mir dann selbst fabrizieren. Ich übe auch nicht erst seit gestern.


    Piti:

    Selbst lese ich am liebsten kurze knappe Sätze - lange Erklärungen und chinesische Schriftzeichen sind ermüdend und für mich nicht fördernd.


    Was für den Einen anregend ist, ist für den Anderen ermüdend. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn jemand es sich gerne leicht macht. Dann wäre ihm allerdings auch anzuraten, von Dōgen die Finger zu lassen.


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    Askese:

    So heißt es bei Gertrude Stein in "Poetry and Grammar".


    ... entstanden 1935 - da kommentiert sie ihr Gedicht 'Sacred Emily', aus dem das Originalzitat stammt. Das Du genauso wenig zu kennen scheinst wie gbg. Entstanden übrigens 1913, fast ein Vierteljahrhundert früher.

    Askese:

    Vor Wortglaubereien würde ich mich hüten,


    Und was glaubst du, was Du da gerade machst? Aber da wir schon dabei sind: Es heisst Wortklauberei. Im Übrigen ging es mir nicht um Wortklauberei - ich habe mir nur erlaubt, mich über gbg's Sinnhuberei mit einer Zeile aus Steins reichlich sinnfreiem Gedicht etwas lustig zu machen. Sorry, wenn Dir der Scherz entgangen ist.

    Askese:

    Ich verbürge mich dafür, dass "Einssein mit allen Existenzen" ein ebenso passender Ausdruck aufgrund von Zen-Erfahrung ist, und irgendwie auch eingängiger als die anderen Übersetzungen.


    Ich will ja jetzt nicht meinerseits über Deine "Zen-Erfahrungen" spekulieren und was Dein "Verbürgen" wert ist, denn bei Übersetzungen geht es jedenfalls nicht darum, dass der Übersetzer seinen persönlichen "Zen-Erfahrungen" "Ausdruck gibt", sondern dass er möglichst getreu widergibt, was im Original steht. "Irgendwie eingängigere" Aussagen sind kein Kriterium für eine gute Übersetzung. Bei Dōgen in aller Regel eher für das Gegenteil.

    Askese:

    Ich möchte wetten, dass diese Übertragung von einem erfahrenen Zenmeister stammt (ich vermute, Nishiyama),


    Mit Nishiyama liegst Du falsch - im Gegensatz zu Dir kenne ich seine Übersetzung, die nicht zufällig keinen sonderlich guten Ruf hat. Hat übrigens etwas damit zu tun, dass sie "irgendwie auch eingängiger als die anderen Übersetzungen" ist. Hier handelt es sich jedenfalls um die Nishijima / Linnebach - Übersetzung, die Du offensichtlich auch nicht kennst. Der beteiligte "erfahrene Zenmeister" ist also der, von dem Du meinst:

    Askese:

    Der einzige zitierte Zenmeister schlägt dann auch alles, indem er meint, sich selbst zu vergessen bedeute, "by millions of things and phenomena experienced" zu werden.


    Ich würde trotzdem mal sagen, der "erfahrene Zenmeister", auf den Du wetten willst, ist nicht Nishijima, sondern Ritsunen Gabriele Linnebach. Auch über Ritsunen Linnebachs Zen-Erfahrung zu spekulieren halte ich für müßig. Darum geht es nicht, sondern um eine getreue Übersetzung. Und das ist diese Übersetzung hier nicht. Wer sich die Mühe macht, sich das Zitat im Original anzuschauen, kann das selbst überprüfen, so kompliziert ist die Stelle nicht: 自己をわするるといふは、万法に証せらるるなり
    Wer da etwas von "Einssein mit allen Existenzen" findet, der möge bitte erklären wo. 万法 sind keine "Existenzen" sondern "zehntausend dharmas" (wörtlich) oder "zahllose dharmas". 証 heisst bezeugen, verifizieren, beweisen, kann speziell in einem buddhistischen Kontext auch mit erfahren, verwirklichen, realisieren (auch im Sinn von Erleuchtung) übersetzt werden, aber definitiv nicht mit "Einssein". Frau Linnebach übersetzt hier nicht, sie interpretiert. Das Interpretieren sollte man als Übersetzer so weit es nur irgend möglich ist doch bitteschön dem Leser selbst überlassen. Für persönliche Interpretationen des Übersetzers gibt es Fußnoten und Anmerkungen. Übrigens wurde in der 2008 erschienenen überarbeiteten Nishijima / Cross - Übersetzung das Interpretative hier noch ein Stück zurückgenommen - da heisst es "to be experienced by the myriad dharmas".

    Askese:

    Nein, ich übersetze das auch nicht, wie mein Vorredner sich schon bewusst darum herumdrückte, es wäre einfach zu peinlich.


    Das glaube ich allerdings auch. Fragt sich nur, für wen.


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    gbg:

    „Den Weg zu studieren heißt sich selbst zu studieren, sich selbst zu studieren heißt sich selbst vergessen. Sich selbst zu vergessen bedeutet eins zu werden mit allen Existenzen.“
    Dogen im Shobogenzo Genjokoan


    Ich würde gerne mit diesem Zitat beginnend mit euch näher auf Zen und seine Bedeutung für den Alltag und die Meditation eingehen.


    Wie ist dieses Zitat zu "verstehen"?


    Eine große Hilfe beim Verstehen wäre schon einmal, sich eine bessere Übersetzung zu suchen. "Eins zu werden mit allen Existenzen" geht schon mehr als nur haarscharf an Dōgens Aussage vorbei. Zum Vergleich ein paar brauchbare, d.h. weniger fantasievolle Übersetzungen:
    "to be actualized by myriad things" (Tanahashi)
    "to be confirmed by all dharmas" (Waddell/Abe)
    "to be experienced by millions of things and phenomena" (Nishijima / Cross)
    "to be authenticated by the myriad things" (Cook)
    "durch die zehntausend dharma von selbst erwiesen werden" (Elberfeld / Ohashi).


    Dann könnte man vielleicht damit anfangen, sich zunächst einmal um ein Verständnis dessen zu bemühen, was Dōgen mit "studieren" (gaku) bzw. "Studium des Wegs" (gakudo) meint. Dazu hat Dōgen selbst ein paar leichtverständliche Hinweise für Anfänger gegeben: http://zensplitter.blogspot.de/p/gakudo-yojin-shu.html. Zu diesen eher theoretischen Richtlinien gibt es natürlich auch noch Hinweise zu ihrer praktischen Umsetzung: http://zensplitter.blogspot.de/p/fukan-zazen-gi.html.
    Wenn man diese einfachen Anweisungen umsetzt, "versteht" man auch das Zitat. Durch Diskussionen eher nicht. Auf die "Bedeutung für den Alltag und die Meditation" von Zen kann man nicht eingehen - die gibt es nicht. Man kann höchstens feststellen, dass Zen nichts "bedeutet". Was hiermit geschehen wäre.

    gbg:

    Für mich persönlich hängt dieses Zitat eng zusammen mit: "Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose".


    Für mich auch. Beide Zitate sind falsch übersetzt. Richtig: "Rose ist eine Rose ist eine Rose". Das erste "Rose" ist ein Vorname. Dann geht's weiter mit "extreme Lieblichkeit / Extragamaschen / extreme Lieblichkeit / süßeste Eiskrem". Da passt dann schon eher eine spätere Passage aus dem Gedicht: "Eier seid Abnehmer / Teile von Platznüssen / nehmt für und zwanzig Cent / es ist Rose in Henne / närrisch ist närrisch ist / Vögel messen Vögel messen Speicher messen Vögel messen". Aber bei näherem Hinschauen - auch nicht so recht.


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