Sudhana:
mukti:
Weil dort der Gottesbegriff von dem der etablierten Kirchen abweicht, kam es in der Geschichte immer wieder zu Konflikten.
Im Ernst? Der Gottesbegriff eines Thomas a Kempis, eines Franz von Sales, Jakob Böhme, Angelus Silesius, Johannes Bonaventura, Johannes vom Kreuz, einer Theresa von Avila, Hildegard von Bingen - um nur mal ein paar Namen zu nennen - weicht von dem der etablierten Kirchen ab? Tatsächlich? Inwiefern denn?
Dass einige Thesen Meister Eckharts offiziell verurteilt wurden und Marguerite Porète als Häretikerin verbrannt (übrigens weniger wegen ihres "Gottesbegriffs") reicht wohl kaum zur Begründung solch einer These aus. Übrigens gerade Eckhart baut ja ganz wesentlich auf der negativen Theologie des Dionysisus Areopagita auf - ganz offiziell sowohl von der katholischen als auch den orthodoxen Kirchen als Kirchenlehrer anerkannt und verehrt. Wie übrigens auch Franz von Sales. Und der wohl einflussreichste christliche Mystiker der Neuzeit war Ignatius von Loyola (wie Franz von Sales heiliggesprochen) - Gründer des Jesuitenordens, der z.B. Pater Lassalle als Missionar nach Japan schickte.
mukti:
Demnach wären nicht die Ideen und Formen der kirchlichen, sondern diejenigen dieser mystischen Traditionen mit dem sogenannten "christlichen Zen" zu vergleichen.
Du postulierst da einen Gegensatz zwischen Kirche und "mystischen Traditionen", den es historisch gar nicht gab. Selbst Eckhart, der für solche Thesen gerne herangezogen wird, war einer der ranghöchsten Kirchenfürsten des Dominikanerordens sowie als Lehrer an der Sorbonne einer der prominentesten Theologen seiner Zeit. Der stand nicht außerhalb der Kirche - er hatte nur Feinde in ihr.
Gut, präziser und korrekter ausgedrückt gibt es eine Diskrepanz zwischen der positiven und der negativen Theologie, die seit dem Frühchristentum zu Auseinandersetzungen führt. Wobei Letztere dem Daoismus und Buddhismus sicher näher kommt.
Sudhana:
mukti:
Eine essentielle Übereinstimmung solch christlicher Mystik mit dem Buddhismus wäre, dass über das Göttliche einerseits und das Nirvana andererseits nichts anderes ausgesagt werden kann, als dass es durch die vollständige Loslösung von der sinnlich erfahrbaren Welt eintritt.
Die These, die christliche Mystik (ignorieren wir mal die offensichtliche Tatsache, dass Du da unzulässig recht unterschiedliche Strömungen unter einem Begriff zusammenfasst) vertrete die Auffassung, dass "über das Göttliche [...] nichts anderes ausgesagt werden kann, als dass es durch die vollständige Loslösung von der sinnlich erfahrbaren Welt eintritt" halte ich schon einmal für bedenklich - doch ist hier wohl nicht der Ort für theologische Disputationen. Ob nun dieselbe These - nämlich, dass es "durch die vollständige Loslösung von der sinnlich erfahrbaren Welt eintritt" - für das nirvana zutrifft, halte ich für mehr als nur zweifelhaft. Die Sphäre der Nichtsheit (ākiñcaññāyatana) hatte Buddha schon bei seinem Lehrer Ālāra Kālāma kennengelernt - und diesen Lehrer verließ er bekanntlich, weil diese "vollständige Loslösung von der sinnlich erfahrbaren Welt" eben nicht die Befreiung war, die er suchte. Dasselbe gilt für die nichtdualistische Sphäre der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung (nevasañña-n'āsaññāyatana), die er unter seinem nächsten Lehrer Uddaka Rāmaputta erlangte. Offensichtlich ist also an nirvana doch ein wenig mehr dran als nur "die vollständige Loslösung von der sinnlich erfahrbaren Welt".
Die Verwerfung aller Bestimmungen Gottes ist eine These der negativen Theologie, die in der Praxis folgerichtig auf Loslösung von allem sinnlich (den Geistsinn mit einbezogen) Erfahrbaren abzielt.
Im Buddhismus führt diese Loslösung auch über die Sphären der "Nichtsheit", und "Weder Wahrnehmung noch nicht Wahrnehmung", die noch geistig sind, hinaus bis zu Nibbana, eben dem völligen Erlöschen.
Sudhana:
Selbst jedoch, wenn dem nicht so wäre - das wären allenfalls gleiche Bedingungen (wobei die Frage noch zu klären wäre, ob für sich schon hinreichende Bedingungen) für den Eintrit eines Ereignisses, nämlich laut Deiner These dem "Eintreten des Göttlichen" einerseits und dem "Eintreten des nirvana" andererseits. Das ist jedoch nicht notwendig eine "essentielle" Übereinstimmung. Alleine hier - ungeachtet der beiden problematischen Prämissen - weist Deine These schon einen logischen Fehler auf.
Übereinstimmend ist, dass nichts Positives über das was eintritt gesagt werden kann. Somit wäre auch die Bezeichnung "das Göttliche" oder "Gott" hinfällig. So wie z.B. "die Stätte höchsten Friedens" für Nibbana.
Grundsätzlich möchte ich da keinen gegnerischen Standpunkt einnehmen. Wie schon angedeutet weiß ich auch zuwenig über Zen und diese Verbindung mit dem Christentum. Nach oberflächlicher Betrachtung ist die Sache sympathisch, neben einer friedlichen Verständigung der Kulturen eine Befruchtung des Christentums durch das Buddhadhamma. Dabei sehe ich den Lerneffekt wichtiger als dass es dabei zu abweichenenden Auffassungen kommen mag.
Sogar wenn jemand Formen eines säkularen, also weltlichen Buddhismus entwirft oder übernimmt, dann hat ihn etwas von der Buddhalehre inspiriert das er in seinem Leben auf heilsame Weise anwenden kann, wunderbar. Auch ist es gut möglich, dass er mir in einigen Bereichen was voraushat. Ein ernsthaft praktizierender Mönch oder eine Nonne ist sowieso ein Vorbild für mich. Ich besitze und verteidige keine wahre Lehre, was mich aber nicht an dem Versuch hindert dem zu folgen, was mir richtig erscheint, und es mitzuteilen.