Es kommt halt auch darauf an, welche Anforderungen man an solche Texte stellt. Sucht man nach Orientierung und Halt für seine buddhistische Praxis, dann ist der Text tatsächlich 'sehr schön'. Wenn man allerdings tiefer diskutieren will, ob ein Bewußtsein ohne Objekt möglich ist, dann müsste man genauer darauf eingehen, welche Bedeutung diese Begriffe hier haben sollen. Zunächst wäre eine Suche danach im vorliegenden Text durchzuführen, falls sich dort nix Einschlägiges findet, dann würde man im weiteren buddhistischen Kontext suchen und falls auch das nicht hinreichend ist, sucht man im normalen Sprachgebrauch. Und an dieser Stelle muss man einfach sagen, dass der vorliegende Text bzgl. eindeutiger Definitionen und lückenloser Abfolgen von Schlüssen in einem heutigen linguistischen, sprachlogischen oder philosophischen Seminar an einer Uni nicht gut abschneiden würde.
Einige Beispiele:
'Bewusstsein ist aus buddhistischer Sicht in seinem Wesen klar und erkennend. Aus diesem Grund kann auch seine Grundlage nicht materieller Art sein;'
-hier ist schlicht zu sagen, dass aus dem ersten Satz logisch keineswegs der zweite folgt. Zwar folgt in hinteren Textteil noch mal eine Argumentation, aber auch diese hat schwere Lücken.
'Wir erkennen, dass das Bewusstsein des Klaren Lichts kontinuierlich existiert'
-der Schluss, der Leser würde auf Basis der vorausgegangenen Sätze Kontinuität erkennen ist nicht gerechtfertigt. Vielmehr hat Dharmakirti die Kontinuität am Anfang der Argumentation selber gesetzt = Zirkelschluss = unzulässig.
'Ein Moment des Klaren Lichts folgt auf den nächsten Moment usw. ohne Unterbrechung.'
-hier scheint die Momenten-Auffassung des Zenon von Elea durch, bekannt mit dem Paradoxon von Achilles und der Schildkröte. Man kann so ansetzen, aber man muss höllisch aufpassen mit den Schlußfolgerungen. Jeder Gynasiast lernt heute mit lim n gegen unendlich, wo der Trugschluss des Zenon lag.
Etwas anspruchsvoller:
'...ob das Bewusstsein des Klaren Lichts inhärent, von seinem eigenen Wesen her existiert.'
-hier gibt es das Problem, dass der Prädikator '... existiert' nicht zur Zufriedenheit der überwiegenden Anzahl von heutigen Philosophen mit Bedeutung hinterlegt werden kann - dies ist unter anderem die Ursache für das Verschwinden der 'Ontologie', also der Wissenschaft vom 'Seienden'.
Bitte versteht mich nicht so, dass ich den Text vom DL schlecht reden möchte. Keineswegs. Auch die Texte von Aristoteles und Platon sind brilliant. Doch muss man die historische Herkunft im Auge behalten und anerkennen, dass sie nur begrenzt taugen als Grundlage für heutige tiefere philosophische Detailfragen. Dafür waren sie wohl auch nie gedacht, sondern eher als praktische Orientierung des Denkens, als Hilfe für den Praktizierenden.