Beiträge von K-Dorje im Thema „Das Bewusstsein aus der Sicht des Tantra“

    Zitat

    Kilaya schrieb:
    Aber: bitte wieder versuchen, die Kurve zu kriegen zum Threadthema.

    Ich sehe die Diskussion gar nicht als vom Thema des Threads abkommend. Im Gegenteil: die letzten Schilderungen von Meditationserfahrungen und die Beschreibungsversuche treffen m.E. die tantrische Sicht des Bewußtseins ziemlich genau und stehen auch nicht im Widerspruch zum Text vom DL am Anfang des Threads. Ich habe beim Lesen das seltene Gefühl, hier kommen Leute der Sache selbst nahe. Mir zumindest bringt das eine ganze Menge, vor allem als Referenz für eigene Meditationsbemühungen.

    Solche Fälle wie die Entwicklung von alamerrot hier im Forum finde ich immer ganz interessant, weil ich an ihnen ein tieferes Verständnis von Leiden lernen kann. Man kann den guten Willen von alamerrot zur Diskussion förmlich spüren, man sieht aber auch, wie die Sache dann schief geht. An solchen Beispielen wird mir klar, wie wir Menschen dazu tendieren, unser eigenes, mühevoll konsistent gemachtes Weltbild nach aussen zu projizieren. Und je mehr wir in unsere Auffassung 'investiert' haben (auch ein Begriff von Castaneda), desto mehr leiden wir darunter, dass Andere die Zusammenhänge nicht so sehen. Wird dann noch Kritik geäußert, interpretiert das Ego dies leicht als Verkennen der eigenen Leistung und reagiert entsprechend unheilsam.

    Zitat

    kilaya hat geschrieben:
    "... könnte man vielleicht sagen, dass die Erfahrung des Klaren Lichts als Grundlage aller Phänomene sozusagen diese Phänomene "erleuchtet" - während wenn diese Erfahrung fehlt, die veränderlichen Phänomene als Samsara erlebt werden. "


    Bei tieferem Durchdenken komme ich immer mehr zu der Auffassung, dass dies eine der brilliantesten Aussagen ist, die im Forum je gemacht wurden. Legt man noch ein Zitat aus dem Usprungstext hinzu "Das subtilste Bewusstsein existiert zu jeder Zeit und wird niemals unterbrochen", dann ist Kilayas Satz sogar unabhängig davon, ob der Erwachte nach dem Tod ist oder nicht, oder beides oder keins von beiden oder sonstwas. Denn davon wäre nur der einzelne Erwachte betroffen, nicht jedoch die "Erleuchtung der Phänomene" durch die Erfahrung des klaren Lichtes. So eine Formulierung hat schon fast Heideggersches Niveau ('Lichtung des Seins') und hintergeht die folgenschwere Unterscheidung von Subjekt und Objekt. KLASSE!

    Zitat

    Hedin02 hat geschrieben:
    'Was passiert wenn ein Erleuchteter stirbt, kann aus diesen „klaren Licht“ eine Wiedergeburt entstehen? '


    Interessante Frage. Wenn die Antwort 'Nein' wäre, dann würde das bedeuten, dass zukünftige Buddhas nur aus dem verblendeten Teil kommen könnten. Also normale Menschen werden zu Buddhisten und nach langer Praxis dann zu Buddhas, um schließlich endgültig zu 'verlöschen'. Würde es dann irgendwann keine Buddhas mehr geben, weil die gesamte Verblendung 'aufgebraucht' ist?

    Es kommt halt auch darauf an, welche Anforderungen man an solche Texte stellt. Sucht man nach Orientierung und Halt für seine buddhistische Praxis, dann ist der Text tatsächlich 'sehr schön'. Wenn man allerdings tiefer diskutieren will, ob ein Bewußtsein ohne Objekt möglich ist, dann müsste man genauer darauf eingehen, welche Bedeutung diese Begriffe hier haben sollen. Zunächst wäre eine Suche danach im vorliegenden Text durchzuführen, falls sich dort nix Einschlägiges findet, dann würde man im weiteren buddhistischen Kontext suchen und falls auch das nicht hinreichend ist, sucht man im normalen Sprachgebrauch. Und an dieser Stelle muss man einfach sagen, dass der vorliegende Text bzgl. eindeutiger Definitionen und lückenloser Abfolgen von Schlüssen in einem heutigen linguistischen, sprachlogischen oder philosophischen Seminar an einer Uni nicht gut abschneiden würde.


    Einige Beispiele:


    'Bewusstsein ist aus buddhistischer Sicht in seinem Wesen klar und erkennend. Aus diesem Grund kann auch seine Grundlage nicht materieller Art sein;'
    -hier ist schlicht zu sagen, dass aus dem ersten Satz logisch keineswegs der zweite folgt. Zwar folgt in hinteren Textteil noch mal eine Argumentation, aber auch diese hat schwere Lücken.


    'Wir erkennen, dass das Bewusstsein des Klaren Lichts kontinuierlich existiert'
    -der Schluss, der Leser würde auf Basis der vorausgegangenen Sätze Kontinuität erkennen ist nicht gerechtfertigt. Vielmehr hat Dharmakirti die Kontinuität am Anfang der Argumentation selber gesetzt = Zirkelschluss = unzulässig.


    'Ein Moment des Klaren Lichts folgt auf den nächsten Moment usw. ohne Unterbrechung.'
    -hier scheint die Momenten-Auffassung des Zenon von Elea durch, bekannt mit dem Paradoxon von Achilles und der Schildkröte. Man kann so ansetzen, aber man muss höllisch aufpassen mit den Schlußfolgerungen. Jeder Gynasiast lernt heute mit lim n gegen unendlich, wo der Trugschluss des Zenon lag.


    Etwas anspruchsvoller:
    '...ob das Bewusstsein des Klaren Lichts inhärent, von seinem eigenen Wesen her existiert.'
    -hier gibt es das Problem, dass der Prädikator '... existiert' nicht zur Zufriedenheit der überwiegenden Anzahl von heutigen Philosophen mit Bedeutung hinterlegt werden kann - dies ist unter anderem die Ursache für das Verschwinden der 'Ontologie', also der Wissenschaft vom 'Seienden'.


    Bitte versteht mich nicht so, dass ich den Text vom DL schlecht reden möchte. Keineswegs. Auch die Texte von Aristoteles und Platon sind brilliant. Doch muss man die historische Herkunft im Auge behalten und anerkennen, dass sie nur begrenzt taugen als Grundlage für heutige tiefere philosophische Detailfragen. Dafür waren sie wohl auch nie gedacht, sondern eher als praktische Orientierung des Denkens, als Hilfe für den Praktizierenden.