Beiträge von Sudhana im Thema „Ist die Übertragung des Zen in das Politische der Faschismus?“

    catflap08:

    @ kongjiazhong
    "Du bist nichts - dein Volks ist alles" - das ist der Leitspruch aller Buddhas und Bodhisattvas.“ Nebst ihren anderen Beiträgen irritiert dieser Ausspruch sehr.


    Was irritiert Dich daran? Das ist doch lediglich ein völlig sinnfreier Spruch (um es höflich auszudrücken). Nimmst Du das etwa ernst? Was der Begriff 'Volk' besagt, kann man im Zweifelsfall hier nachlesen. Hat alles weder mit Buddhas noch mit Bodhisattvas auch nur das geringste zu tun - mal davon abgesehen, dass diejenigen, die allen Ernstes diesen "Leitspruch" absondern, sich üblicherweise in sozialen Umfeldern bewegen, die kaum mit 'Sangha' zu verwechseln sind.

    Du bist nicht 'nichts' sondern das, was Du bist - und herauszufinden, was Du bist hat schon eher etwas mit "Buddhas und Bodhisattvas" zu tun. Ansonsten - 'Volk' ist 'Volk' und 'alles' ist 'alles'.


    ()

    Morpho:

    wer ohne Kensho die Robe nimmt, kommt einem Fanatiker gleich


    Wenn man hier 'Kensho' mit 'Bodhicitta' tauscht (was nach meinem Verständnis zwar dieselbe Baustelle ist, aber doch in der zeitlichen Dimension einen anderen Ort hat):

    Zitat

    wer ohne Bodhi-Geist die Robe nimmt, kommt einem Fanatiker gleich


    - dann wäre der letzte Abschnitt von Shōbōgenzō Zuimonki I.16 (Englisch hier) eine Erwägung wert. Dort steht allerdings etwas Anderes:

    Zitat

    Wer hat schon von Anfang an Bodhi-Geist? Etwas zu erwecken, das schwierig zu erwecken ist, etwas zu praktizieren, das schwierig zu praktizieren ist: das ist die Art und Weise, wie ihr im Buddha-Dharma ganz natürlich fortschreitet. (Übers. Shohaku Okumura / Barbara Knab)


    Dafür ist der Verweis auf I.16 im Kontext des Threadthemas ontopic. Was zumindest Dōgen vom 'kaiserlichen Staats-Zen' oder dem 'Buddhismus des kaiserlichen Weges' gehalten hätte, wird da mE ziemlich deutlich. Deutlicher jedenfalls, als durch die von mogun vorgeschlagene Kōan-Methode. Wobei ich mir nicht so recht sicher bin, ob diese bizarre Idee ernst gemeint war.
    ()

    Wenn meine Interpretation Deiner Intentionen eine Fehlinterpretation war bzw. auf falscher ("verzerrter") Wahrnehmung beruhte, bitte ich um Entschuldigung. Zur Erläuterung: Anderen verzerrte Wahrnehmung zu bescheinigen (bzw. dass deren Argumente darauf beruhen) und dabei explizit geäußerte Einschränkungen und Vorbehalte zu ignorieren ist selten sachdienlich. Auch, wenn (oder gerade weil) wir Alle verzerrter Wahrnehmung unterliegen - spätestens, wenn wir versuchen, unsere Wahrnehmungen in sprachliche Form zu bringen. Sicher habe ich da überempfindlich reagiert.

    Moosgarten:
    Sudhana:

    Zen-Praxis trägt die Merkmale hoher Disziplin, vorbehaltloser Hingabe, Negation des Egos und - wenn in einem (insbesondere traditionellen) institutionellen Rahmen ausgeübt - auch das der widerstandslosen Einordnung in eine Hierarchie.


    Beschreibt ein Ideal - übrigens unter Aussparung wesentlicher anderer idealer Merkmale


    Natürlich beschreibt dies ein Ideal und natürlich ist das auch keine vollständige Beschreibung idealer Zen-Praxis. Es greift die Merkmale des Ideals heraus, die im Kontext unseres Themas hier von besonderem Belang sind. Dies sollte eigentlich in dem auf das Zitierte unmittelbar Folgende deutlich werden:

    Sudhana:

    "Übersetzt" in eine politische Programmatik ist dies in der Tat kompatibel mit Kernbegriffen faschistischer Ideologie wie Führerprinzip und Gleichschaltung.


    Der Begriff "übersetzt" ist hier - anders als in dem Adam-Zitat ("Die Zen-Praxis, eins zu eins in eine politische Programmatik übersetzt") - durchaus bewusst in Anführungsstriche gesetzt. Das kann nach meinem Verständnis (ob nach dem Adams oder Tenbreuls, muss ich zwangsläufig offen lassen) eben kein schlichtes "implementieren" oder direktes "nutzbar machen" des angesprochenen Ideals bzw. der angesprochenen Merkmale dieses Ideals sein. Der in dem dem zitierten kritisierten Abschnitt unmittelbar vorangehenden Satz ausgesprochene Vorbehalt gegen das "übersetzen" sollte dies noch stärker verdeutlichen:

    Sudhana:

    Vorbehaltlich der gar nicht so unwesentlichen Frage, wie und ob so etwas denn überhaupt möglich wäre (mE liegt hier ein eklatanter Kategorienfehler vor)


    Das von Dir angesprochene "Durchbrechen" des Ideals, vor allem in der nicht-monastischen Alltagspraxis, negiert das Ideal ja nicht - es zeigt vielmehr die Begrenztheit der persönlichen Praxis auf, an deren Grenzen die "Reibungswärme" entsteht und ist insofern in Bezug auf das Ideal sogar eher affirmativ.


    Dazu noch zwei Anmerkungen: dieses Ideal ist eben nicht beschränkt auf die Praxis in der sōdō, gerade weil diese monastische Praxis einen von Zen-Praktizierenden weitestgehend akzeptierten Vorbild- und Modellcharakter hat. Ich denke, auch als zaike im Westen kann man, ohne (u.a.) dem Ideal "hoher Disziplin, vorbehaltloser Hingabe, Negation des Egos" zu folgen, keine ernsthafte Zenpraxis ausüben. Zumal wenn man dies ohne den unterstützenden Rahmen einer Institution tut. Ob diese Institution (wenn man einen solchen Rahmen - in welcher Form auch immer - in Anspruch nimmt) so hierarchisch sein und so auf "widerstandslose Einordnung" bestehen muss wie die klassischen japanischen (was ich persönlich bezweifle), ist durchaus diskutabel. Das ist aber eher ein Inkulturationsproblem und hier nebensächlich.


    Sodann - falls das so herübergekommen sein sollte - wollte ich überhaupt nicht in Frage stellen, dass die Tätigkeit eines sōryo für seine danka auch Zen-Praxis ist bzw. doch eine solche sein kann. Ich persönlich sehe das durchaus so. Meine etwas unbestimmte Formulierung trug lediglich dem Rechnung, dass das eben (vor allem im Westen) nicht allgemein so gesehen wird - und für die Praxis im Westen auch weitgehend ohne Belang ist. Aber auch dafür - also etwa für die Durchführung einer Bestattungszeremonie - ist, wenn dies denn tatsächlich Zen-Praxis sein soll, Bemühung um Disziplin, Hingabe und Negation des Egos eine Voraussetzung.


    ()

    Moosgarten:

    Deine Quellen waren mir übrigens bekannt.


    Dann hast Du z.B. bei Borup sicher auch das gelesen:

    Zitat

    Zazen and monastic life as means of spiritualizing and socializing especially new employees are also widespread practices within a significant number of private companies. These often see “Zen as a way of restoring the traditional values of discipline, obedience, and loyalty to superiors” (Victoria 1997, 182), an image that institutional Zen does not refrain from exploiting.


    Zitat

    rituals and kyōka strategy simultaneously ratifies existing bonds and strengthens hierarchies. This goes for both the monastery where monks are taught discipline (rank and pecking) order, for the clerical system where ranks, titles, emblems, and certificates secure a symbolic order in an institutionalized process, and for the relation between clerics and laity


    Zitat

    Hierarchy is of utmost importance. The relations between the older (sempai) and the younger (kōhai) — in terms of age, experience, and rank — is even more rigid in Zen monasteries. All monks have status according to length of stay; the novice is called a shintō, the seniors kōtan, etc. The young monk must follow the instructions of his superiors and show no sign of disapproval of the functioning power relations — especially, of course, toward the Zen master. Monks, regardless of background, will have to be placed in the monastic habitus, which functions by hierarchy and pecking order, by ranks and roles, the modes within which each individual, according to the time spent in the training hall, can progress. Personal authority thus accumulates in time; each kōhai will become a sempai, and each monk can aspire to become director (hyōseki), head monk (jikijitsu), holy monk’s attendant (shōji), chief administrator (shika), business manager (fūsu), cook (tenzo), vegetable gardener (enzu), hall manager (densu), master’s attendant (inji ), etc. Authority might also be exercised psychologically and even physically between the monks, though it is hardly ever voiced from within the system. On the contrary, I have often heard of how hard (kibishii), but also how mentally and emotionally deep, monastic experience was and how it turned out to have positive effects on later life. Such experiences are also popular subjects of books, speeches, and interviews for newspapers or television programs, fitting well the Japanese gambaru (“fight”) culture of enduring suffering and submitting to hierarchical relationships for the benefit of the group.


    Zitat

    Belief, devotion, and peace of mind are concepts expressing a digital yes/no acceptance of, and commitment to, being part of the institutional order. But they are also notions embodying a “more or less” relation to the hybrid possibilities of belonging and believing. As such they are flexible qualities, potentially being part of the process of what Reader and Tanabe call “the ‘high’ magic of being transformed into a living Buddha” (as opposed to “the ‘low’ magic of producing material things” 1998, 135). Transforming religious fields vertically (from “low” to “high magic” or from no or little to strong commitment) and horizontally (spreading the qualities to others) is an ideal propagated by the institution [...] Although not being concepts exclusively used in either Zen Buddhist or general religious terminology, they are generally valued to be relevant and “Zen-like.” As institutionalized concepts they are propagated as apprehensible ideals for the lay members, often being identified with ideals usually restricted to the clergy or monastic life.


    - nur eine kleine Auswahl. Aspekte, die ich so zusammengefasst habe:

    Zitat

    Zen-Praxis trägt die Merkmale hoher Disziplin, vorbehaltloser Hingabe, Negation des Egos und - wenn in einem (insbesondere traditionellen) institutionellen Rahmen ausgeübt - auch das der widerstandslosen Einordnung in eine Hierarchie.


    Wozu Du dann gemeint hast, anmerken zu müssen:

    Moosgarten:

    Na ja, das hört sich martialisch an - aber widerspiegelt die Realität auch ziemlich verzerrt.


    - im übrigen mit einer mE nicht sachgerechten Begründung. Das Publikum hier möge selbst erwägen, ob ich da (u.a.) Borups und Victorias Aussagen "verzerrt" wiedergegeben habe bzw. ob diese Aussagen selbst "die Realität ziemlich verzerrt widerspiegeln" - und ob sich dies mit einer wie auch immer zeitlich begrenzten Ausbildungsdauer in einer sōdō begründen lässt.


    Ansonsten: dieses Guido-Keller-Argumentationsmuster ist mir nur zu bekannt, um mich weiter darauf einzulassen. Daher, was Dich angeht, von meiner Seite EOD.


    ()

    Moosgarten:
    Sudhana:

    Zen-Praxis trägt die Merkmale hoher Disziplin, vorbehaltloser Hingabe, Negation des Egos und - wenn in einem (insbesondere traditionellen) institutionellen Rahmen ausgeübt - auch das der widerstandslosen Einordnung in eine Hierarchie.


    Na ja, das hört sich martialisch an - aber widerspiegelt die Realität auch ziemlich verzerrt.


    Die "Realität" der Zen-Praxis spiegelt sich in Deinem Geist womöglich anders als in meinem. Das bedeutet nicht notwendig, dass meine (bzw. nur meine) Widerspiegelung verzerrt ist.

    Moosgarten:

    Einem solchen Druck sind die Eleven vielleicht 1 bis maximal 3 Jahre in einem Priesterseminar ausgesetzt


    Um ein wenig zu verdeutlichen, worauf meine Widerspiegelung beruht, zunächst einmal Verweise auf Quellen. Da ist zum einen, was die Sōtōshū angeht, die hier sehr instruktive Webseite des Antaiji, insbesondere die auf dieser Unterseite: http://antaiji.org/en/english-…-some-words-about-zui-se/ veröffentlichte Tabelle. Die komplizierte Angelegenheit zusammenfassend, lässt sich sagen, dass das Mindesterfordernis der für sōdō ango aufgewandten Zeit - unter der Voraussetzung einer zusätzlichen (akademischen) Ausbildung - für eine Dharmaübertragung ein halbes Jahr ist, wobei Muho Nölke allerdings darauf verweist, dass die Norm eher zwischen eins und zwei Jahren liegt.


    Dabei sollte man nicht übersehen, dass es hier lediglich um den niedrigsten Rang innerhalb der Institution geht - und dass für höhere Ränge entsprechend längere Zeiten des Intensivtrainings in einem sōdō erforderlich sind. Ziemlich deutlich spricht dies auch Bodiford an:

    Zitat

    dharma transmission provides access to only a relatively low grade. It is listed as a requirement for the very lowest ecclesiastical status, that of an instructor third class (santo kyoshi). Thus, in present day Soto Zen, dharma transmission constitutes a preliminary step, after which one’s real development begins. The relatively low status of dharma transmission means that in and of itself it does not qualify one to accept students or to train disciples.
    [...]
    Today, the key authority conferred by dharma transmission is that it qualifies a priest to manage an ordinary (jun hochi) local temple.
    (William Bodiford, Dharma Transmission in Theory and Practice in: Steven Heine / Dale Wright (eds.), Zen Ritual. Studies of Zen Buddhist Theory in Practice, Oxford 2008 S. 276)


    Für die Rinzaishū soll folgendes Zitat stehen:

    Zitat

    In modern Japanese Zen Buddhism monastic life is only a transitional and temporary affair. Though highly praised in all literature as the most perfect expression of true Buddhism — Zen being a “shukke religion” (Nishimura 1983, 51) — monastic life only functions as an important phase in the ritual process, which itself ideally is an endless process of religious education. There is a certain prestige and respect in staying many years in the sōdō, but most are only shukke monks for a few years — and in modern times it is even possible to stay only six months or even less. A Myōshinji survey showed that half of the responding priests had spent less than two years, and 10 percent not even one year in the sōdō ( Jūshoku no chōsa, 65). “Such short periods can never justify a true monastic experience,” a priest, who himself had stayed four and a half year in the sōdō, told me, commenting on the reduced time and quality of present-day conditions in Zen monasteries. In practice the length of the stay is decided by both the monk and his sponsor and/or father, who both have an interest in securing a proper monastic education for the young priest-to-be.
    (Jørn Borup, Japanese Rinzai Zen Buddhism, Myōshinji, a living religion, Brill 2008, S.54)


    The hōkai ranks express different layers in the Buddhist clerical career hierarchy, starting with the shami rank, progressing in thirteen further steps and titles. [...]
    There are two ways of progressing until the second grade, either through passing exams or, as is the norm in practice, through authorization without examination (mushiken kentei ). The latter has different criteria, depending on time (age and years since ordination hōrō), education (school, university, university subject, and grade), and religious practice (sōdō or through ango-e). For instance, to become a shami one has to be at least five years old, and to get the title of zenjūshoku one has to be at least forty years old and with a hōrō seniority of thirty years. The criteria also cross-relate, so that, for instance, years spent in the training hall can be reduced by the time spent in the university or in the cram school (juku). To become a second grade teacher (and thus a jūjishoku) one has to 1) have graduated from the Buddhist studies department at Hanazono University and spent two years in the sōdō, or 2) hold a Ph.D. degree (from any university) and have spent two years in the sōdō, or 3) have graduated from high school and spent seven years in the sōdō, or 4) have graduated from junior high school and spent ten years in the sōdō etc. Having acquired one’s experience in the training hall through the ango-e (see below) — which counts much less than having lived in the sōdō as a monk — one can only pass beyond the tōdōshoku title (fourth grade teacher) by taking further courses (fukyō kōshūkai) aiming at becoming fukyōshi, that is, “missionary teacher” (see below).
    (a.a.O., S. 57)


    Die Bedingungen in Sōtō- und Rinzaishū sind also durchaus vergleichbar. Bemerkenswert in Hinsicht auf Deine oben zitierte Aussage ist, dass aus der von Borup zitierten Umfrage hervorgeht, dass immerhin nur die Hälfte der Priester der Rinzaishū des Myōshinji-Zweiges (zumindest derer, die geantwortet haben) weniger als zwei Jahre sōdō hinter sich hat - und von der anderen Häfte sicher nicht wenige deutlich mehr als drei Jahre. Vergleichbar präzise Angaben zur Sōtōshū liegen zumindest mir leider nicht vor. Angemerkt lediglich noch von mir, dass laut Borup die sōdō-Praxis im Sōtō als etwas strenger angesehen wird als die im Rinzai (von Rinzai-Priestern).


    Soviel als Beitrag zur Entzerrung. Es soll dabei nicht verschwiegen werden, dass nach anderen statistischen Erhebungen lediglich ca. 10% der einen lokalen Tempel betreuenden Priester tatsächlich noch regelmäßig Zazen ausüben. Ob nun das "entspannte" Dasein eines Trauerredners und Bestattungsspezialisten (die Haupteinnahmequelle der Tempel) als Zen-Praxis durchgeht oder nicht, darüber kann man geteilter Meinung sein - wenn, dann ist dies jedenfalls in Japan die hauptsächliche Praxis der Priester aller Sekten, also nichts zenspezifisches.


    Die enge Verbindung zwischen institutionellem Rang und der Dauer intensiver Zazenpraxis in monastischem Kontext bzw. das damit verbundene Prestige zeigt hingegen, dass trotz aller Abstriche, die man in Bezug auf den "real existierenden Zen-Buddhismus" machen muss, die Zazen-Übung (sowie die dafür erforderlichen und damit geschulten 'Tugenden') unzweideutig dessen Ideal ist sowie Quelle der Autorität der Priester (die im heutigen Japan freilich nicht mehr allzu hoch zu veranschlagen ist).


    ()

    Es ist in der Fachliteratur stark umstritten ob und wenn in welchem Sinn das Japan des Pazifikkrieges als 'faschistisch' bezeichnet werden kann. Zöllner spricht mE recht treffend in Bezug auf Japan von "Faschismus als Mimikry" (Reinhard Zöllner, Geschichte Japans - Von 1800 bis zur Gegenwart, Ferdinand Schöningh, Paderborn, 3., aktualisierte Auflage 2013, S. 374 f):



    Den angesprochenen aktuellen "Herstellungsprozess" (welches Etikett auch immer man dem hergestellten Produkt dann verpassen wird) beobachte ich auch - und er weist auffällige Ähnlichkeiten mit der Situation in Europa vor etwas über einem Jahrhundert auf, die einen zweiten 'Dreißigjährigen Krieg' einleitete - auch wenn heute an Stelle der Nation (freilich nicht immer) gerne die westliche Wertegemeinschaft (freedom and democracy) beschworen wird. Auch dazu ein Zitat aus einem letztes Jahr auf Deutsch (Originalausgabe 2015) erschienen, mE empfehlenswerten Buch (Ian Kershaw, Höllensturz - Europa 1914 bis 1949, DVA München 2016):


    Zitat

    Populistische Gegenbewegungen entstanden nicht nur als Antwort auf die gefühlte Bedrohung durch linke Bewegungen, sondern auch, um Regierungen, die wenig oder kaum Rückhalt bei den Massen hatten, zu einer breiteren Unterstützerbasis zu verhelfen. Solche Bewegungen wurden häufig, mal direkt, mal indirekt, von Industriellen oder Grundbesitzern gesponsert, denen sehr daran lag, potenziell klassenorientierte Oppositionsbewegungen in kontrollierbarere Kanäle umzulenken. So versuchten sie, um den politischen Status quo zu erhalten, die Massen zu »nationalisieren«, will sagen, mit aggressiv nationalistischen, imperialistischen und rassistischen Empfindungen zu impfen – mit einigem Erfolg. Außerhalb der Minderheit, die von den Lehren des internationalen Sozialismus angezogen wurde, waren aggressiver Nationalismus, brutaler Antisemitismus und andere Spielarten des Rassismus weit verbreitet. Und weil, bei verbessertem Schulwesen, immer mehr Menschen Lesen und Schreiben lernten, boten auch billige, volksnah aufgemachte Zeitungen eine Möglichkeit, diese Beeinflussung noch auszuweiten. Die Massenpolitik öffnete sich neuen Formen der Mobilisierung, auf der Rechten wie auf der Linken. Alte Gewissheiten begannen zu schwinden. Das politische Establishment der alten konservativen und liberalen Eliten empfand dies als neuerliche Verunsicherung.


    Dass Massenmobilisierung zur ernsthaften Bedrohung für die bestehende politische und soziale Ordnung werden könnte, regte den französischen Psychologen Gustave Le Bon dazu an, seine Analyse des Massenverhaltens zu publizieren: La psychologie des foules (1895, 1911 als Psychologie der Massen auf Deutsch erschienen). Seine These, die Vernunft schwinde, wenn das Individuum den irrationalen, emotionalen Impulsen der Masse ausgesetzt wird, war zu Beginn des neuen Jahrhunderts einflussreich. Das Buch erschien in 45 Auflagen und 17 Übersetzungen und avancierte später zur Pflichtlektüre angehender faschistischer Diktatoren. Überall in Europa ließen sich die emotionalen Impulse, die Le Bon als charakteristisch für die Massen ansah, am einfachsten durch nationalistische Parolen aufstacheln. Und Europas herrschende Eliten hielten den Nationalismus für längst nicht so gefährlich wie den Sozialismus. Tatsächlich waren die im nationalistischen Fanatismus angelegten Gefahren vor dem Krieg noch eindämmbar, bereiteten aber jenen Kräften den Boden, die die bestehende Ordnung später untergraben, schließlich zerstören würden.


    Nicht ganz zufällig spielt Zen in beiden Zitaten keine Rolle. Wobei sowohl die beschriebene historische wie auch die aktuelle politische unbd soziale Situation durchaus als Herausforderung an die persönliche Praxis aufgefasst werden dürfen - und das historische Versagen (von Institutionen und Personen, nicht von 'Zen') angesichts solcher Herausforderungen als Mahnung.


    ()

    Danke für die Recherche des Originalzitates (auch wenn es immer noch kein direktes Zitat Tenbreuls, sondern eines von Adam ist) - das ist auf jeden Fall hilfreich.

    Zitat

    Die Zen-Praxis, eins zu eins in eine politische Programmatik übersetzt, so der Zen-Meister L.T. Tenbreul in einem Gespräch mit dem Autor, liefe auf Faschismus hinaus.


    Vorbehaltlich der gar nicht so unwesentlichen Frage, wie und ob so etwas denn überhaupt möglich wäre (mE liegt hier ein eklatanter Kategorienfehler vor), ergibt das so noch halbwegs einen Sinn. Zen-Praxis trägt die Merkmale hoher Disziplin, vorbehaltloser Hingabe, Negation des Egos und - wenn in einem (insbesondere traditionellen) institutionellen Rahmen ausgeübt - auch das der widerstandslosen Einordnung in eine Hierarchie. "Übersetzt" in eine politische Programmatik ist dies in der Tat kompatibel mit Kernbegriffen faschistischer Ideologie wie Führerprinzip und Gleichschaltung.


    Wenn man hier die bekannte nationalsozialistische Parole "Du bist nichts, dein Volk ist alles" aufgreift, kann man (in freilich stark simplifizierter und vergröberter Form) Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzeigen: während der erste Halbsatz durchaus auch als Leitmotiv der Zen-Praxis herhalten könnte, ist der zweite Halbsatz im Kontext 'Zen' schlicht das falsche Komplement. Vor allem, wenn 'Volk' im Sinne einer geschlossenen, ethnisch und ideologisch uniformen Gemeinschaft verstanden wird, deren Bestreben gut sozialdarwinistisch die Dominanz über andere Gemeinschaften bzw. als außerhalb der Gemeinschaft stehend definierte Menschen ist. Da braucht nicht einmal betont zu werden, dass die zwangsläufige Konsequenz einer solchen politischen Programmatik Verfolgung (nach innen) und Krieg (nach außen) ist. Wenn man aus der Zen-Praxis etwas lernen kann, dann das: wenn Du nichts bist, dann ist ist dein Volk erst recht nichts. Das 'Du' (was auch immer es tatsächlich sein mag) ist zumindest ein konkreter Ansatzpunkt für die Praxis. 'Volk' ist hingegen ein rein abstrakter Begriff, ein Kriterium, das willkürlich auf eine Summe von 'Dus' angewandt wird. Was (da diese ja 'nichts' sein sollen) alleine schon das schwachsinnige der Parole, das Volk sei 'alles' verdeutlicht. Denn der Faschist versteht ja unter diesem 'alles' keineswegs ein aufsummiertes 'nichts' ...


    ()


    P.S.: Ich liebe den Begriff 'Patriot' - er vereint auf anschauliche Weise die Begriffe 'Patria' und 'Idiot'. (Volker Pispers)

    Morpho:

    wenn man sich mit der Gesellschaft gemein macht oder von mir aus den veröffentlichten Meinungen und Absichten der Herrschenden


    "Sich mit der Gesellschaft gemein machen" mag ja dasselbe sein wie "keine gesellschaftliche Sonderstellung" haben. Nur - was muss man da "machen"? Ist Mensch nicht per se "mit der Gesellschaft gemein", in der er lebt? Davon abgesehen - "Sonderstellung" bezog ich auf "Vergünstigungen, Privilegien oder [...] staatliches Wohlwollen". Dazu ist es wohl in der Tat erforderlich, die "veröffentlichten Meinungen und Absichten der Herrschenden" zu vertreten und zu unterstützen. Du hingegen scheinst "Sonderstellung" darauf zu beziehen, die "veröffentlichten Meinungen und Absichten der Herrschenden" nicht zu vertreten.


    Ich vermute, außer einem unterschiedlichen Verständnis von "Sonderstellung" haben wir da keinen Dissenz.


    ()

    mogun:
    Sudhana:


    Du fragst nach Konsequenzen. Liegt die Konsequenz nicht auf der Hand? Die Gelübde ernst nehmen. kai soku zen. Sich nicht durch Vergünstigungen, Privilegien oder auch nur durch in Aussicht gestelltes staatliche Wohlwollen korrumpieren lassen und mit einem unheilsamen Regime kollaborieren.


    Mir fällt noch wesentlich mehr ein, und das ist erst einmal Demut.


    Ist nicht gerade Demut das Problem? Demut vor dem nächsthöheren Bonzen in der Hierarchie, Demut vor Kaiser, Staat, Kultur, den Göttern - vor wasauchimmer. Demut heisst, eine Hackordnung zu etablieren und seinem Ego einen Platz darin zuzuweisen. Demut ist das Lieblingsthema für die Predigten der Feldkaplane. Vor und nach der Schlächterei Helm ab zum Gebet und "Ich bete an die Macht der Liebe" singen - das ist Demut. Den Schülern, die am tiefsten vor dem Meister buckeln, sollte man besser keinen kyosaku in die Hand geben.

    mogun:

    Dazu gehört zuzugeben, dass Spiritualität kein Quell universeller Weisheit ist.


    Wenn ich früher das Wort "Spiritualiät" gelesen oder gehört habe, verspürte ich häufig einen leisen Brechreiz. Nein - ein "Quell universeller Weisheit" ist das gewiss nicht. Ist Zen aber auch nicht. Das ist dann aber auch so ziemlich die einzige Gemeinsamkeit von Zen und 'Spiritualität'

    mogun:

    Daraus folgt, dass es auch unredlich ist, sich philosophisch äußern können. Das können nur Einzelpersonen, die das auch studiert haben.


    Ich vermute mal, da ist in der Argumentation etwas durcheinander geraten. Zumindest kann ich dieser Folgerung nicht folgen. Vielleicht magst Du das noch einmal etwas anders (womöglich verständlicher) formulieren?

    mogun:

    Und daraus folgt in letzter Konsequenz, dass man keine gesellschaftliche Sonderstellung haben will.


    Nun - das folgt aus den kai in erster Konsequenz ... Zumindest ist das mein Verständnis.


    ()

    mogun:


    Es war in meinen Augen ein etwas unglücklicher Ansatz, das Problem an einem Halbsatz in einer doch ziemlich entlegenen Arbeit, die niemand hier (Dich eingeschlossen) näher zu kennen scheint, aufzuhängen. Ob Ludger Tenbreul selbst dem, was da ein aus dem Kontext und wohl auch nur indirekt wiedergegebenes 'Zitat' (mit der Autorität eines Zenmeisters ;) ) zur Sache auszusagen scheint, so zustimmen würde, sei mal dahingestellt. Falls er da wirklich als Kronzeuge herhalten soll, wäre es wohl doch eher angebracht, ihn anzuschreiben und um Erläuterung seiner Aussage (falls er sie tatsächlich so getätigt hat) zu bitten, statt das hier zur Grundlage einer Diskussion zu machen. Das wurde ja auch schon vorgeschlagen. Nichts gegen die Diskussion selbst - die halte ich für durchaus sinnvoll. Ob es dazu allerdings eines Ludger Tenbreul als 'Gewährsmannes' (ob nun Deiner oder Herrn Adams) bedurft hätte, erlaube ich mir zu bezweifeln. Die These selbst ("dass Zen, auf das Politische übertragen, geradewegs zum Faschismus führe") halte ich persönlich (pardon) bestenfall für höheren Blödsinn. Ehrlich gesagt, eher für bullshit. Es ist ja auch im bisherigen Verlauf der Diskussion äußerst nebulös geblieben, was man sich denn so unter einer Übertragung von Zen auf das Politische vorstellen könnte.


    Du meinst, "historisch spricht ja einiges dafür" und führst als Beleg dafür Victorias Buch an - ich vermute mal, Du meinst sein 'Zen, Nationalismus und Krieg' (es ist nicht sein einziges). Dazu ist zunächst einmal anzumerken, dass Victoria sich zwar zentral mit dem Verhältnis Zen und japanischer Militarismus / Chauvinismus befasst, dass dies aber (was, wenn man das Buch aufmerksam liest, auch durchaus deutlich wird) kein spezifisches Problem diverser Zen-Gruppierungen ist, sondern dass die japanischen 'Schulen' Shin, Jodoshin, Tendai, Shingon (alle deutlich größer und gesellschaftspolitisch relevanter als die Zenschulen) sowie etliche andere ebenfalls kollaboriert haben. Dass Victoria als Zenpriester vorwiegend vor der eigenen Haustür kehrt und sich vor allem mit der Ideologie des 'kaiserlichen Staats-Zen' (Kōkoku Zen, 皇国禅) beschäftigt, ist durchaus legitim - nur ist dieses Kōkoku Zen eben nur die zenspezifische Ausprägung einer umfassenderen Ideologie, nämlich des 'Buddhismus des kaiserlichen Weges' (Kōdō Bukkyō, 皇通仏教). Die historisch deutlich ältere Beziehung zwischen Bushidō und insbesondere Rinzai-Zen spielt demgegenüber eine mE deutlich nachrangige Rolle bzw. ist eher eine vor allem im Rahmen dieser Ideologie nachträglich gestrickte Legende.


    In Victorias Buch geht das, was bei einer populärwissenschaftlichen und - dem breiten nichtakademischen Publikum geschuldet - polemisch etwas überhöhten Darstellung nicht überrascht, leider etwas unter, während in Victorias Dissertation (Zen and japanese militarism: a critical inquiry into the roots of "imperial way-zen") die 1996, ein Jahr vor 'Zen at War' erschien, diese Beziehung ausführlich behandelt wird. So schreibt Victoria dort: "it should be clear that the involvement of Japan's two major Zen sects (i.e. Rinzai and Sōtō) in their country's war effort was not an isolated phenomenon, but rather, was one part, or subset, of the overall relationship between institutional Buddhism and the state in Japan". Das soll nun kein Verweis darauf sein, dass andere Buddhisten es genau so oder schlimmer getrieben haben als die Zennies - aber wenn dieser bedenkenlose Opportunismus Dich an Zen als Lebensweg zweifeln lässt, dann solltest Du Deinen Zweifel konsequenterweise auf den Buddhismus insgesamt - zumindest den institutionellen - ausdehnen.


    Kōkoku Zen ist - oder war - eine Ideologie, die sowohl politische wie religiöse Versatzstücke enthält. Das dem Zen entlehnte Element ist vor allem die eigentümliche Zen-Diktion, die hier der propagandistischen Rechtfertigung politischer Ziele und der zu ihrer Umsetzung für notwendig gehaltenen Mittel dient. Dies eine "Übertragung von Zen auf das Politische" zu nennen, halte ich für völlig überzogen. Es handelt sich um einen Missbrauch von Zen-Rhetorik, begangen im Rahmen eines umfangreicheren Missbrauchs allgemein buddhistischer Rhetorik im Rahmen der Kōdō Bukkyō - Ideologie. Es ist eine ziemlich vergröberte Wahrnehmung von Victorias Buch wenn man meint, er würde da 'Zen' faschistische oder faschistoide Tendenzen nachweisen. Victoria kritisiert speziell Kōkoku Zen - und das ist eine Ideologiekritik, keine Kritik des Zen. Dass einige heute noch renommierte Zenlehrer da ihr Kesa ziemlich bekleckert haben (und gerade Blutflecken gehen nur schwer raus) tut dem keinen Abbruch. Dient durchaus der Desillusionierung.


    Nun ist dieses Kōkoku Zen (wie Kōdō Bukkyō generell) aus einer ganz spezifischen historischen Situation heraus entstanden - aus Ursachen und Bedingungen, die nicht wiederholbar sind. Was nicht heisst, dass andere Ursachen und Bedingungen nicht zu ähnlichen Ideologien führen können. Darum geht es Victoria letzlich (und eben das ist auch Auftrag des Historikers): Immunisierung gegen solche Pervertierungen des Buddhadharma. Dass eine solche Immunisierung durchaus not tut, wurde in jüngerer Zeit vor allem in Sri Lanka und Myanmar sichtbar - stark buddhistisch geprägte Länder, jedoch ohne dass da nun ausgerechnet Zen einen merklichen Anteil an der dortigen Kultur hätte. Um aus einem 2003 in der Zeitschrift für Religionswissenschaft (Band 11, Heft 2) erschienen Artikel der Religionswissenschafterinnen Karénina Kollmar Paulenz und Inken Prohl zu zitieren: "Ebenso wie in europäischen Gesellschaften stellt auch in asiatischen Gesellschaften die Religion lediglich eine von mehreren Optionen dar, Handlungen theoretisch zu begründen. Buddhistinnen und Buddhisten haben neben einer pazifistischen Rhetorik auch Argumentationsmuster entwickelt, derer sich einzelne Individuen wie auch Kollektive bedienen, um ihr, auf eine Fülle weiterer Faktoren zurückzuführendes, gewalttätiges Handeln im Bedarfsfall zu rechtfertigen."


    Du fragst nach Konsequenzen. Liegt die Konsequenz nicht auf der Hand? Die Gelübde ernst nehmen. kai soku zen. Sich nicht durch Vergünstigungen, Privilegien oder auch nur durch in Aussicht gestelltes staatliche Wohlwollen korrumpieren lassen und mit einem unheilsamen Regime kollaborieren. Solche Leute gab es ja auch - Victoria widmet Uchiyama Gudō als positivem Gegenbeispiel einiges an Platz in seinem Buch. Und als Zeichen, dass man aus der Geschichte auch lernen kann, übersetzt und zitiert Victoria in 'Zen, Nationalismus und Krieg' auf den Seiten 217-220 das 'Reuebekenntnis' (sanshabun), das am 18.01.1993 in Sôtô Shûhô (曹洞宗報, offizielle Monatszeitschrift der Sotoshu Shumucho) Nr. 688, S. 28-31 veröffentlicht wurde:

    Zitat

    "Wir, die Soto-Schule, haben seit der Meiji-Zeit und bis zum Ende des Pazifik-Krieges den guten Namen und Ruf unserer Aktivitäten [...] benutzt, um die Menschenrechte der Völker Asiens und insbesondere derjenigen Ostasiens zu verletzen. Dies geschah, indem wir mit den politisch Mächtigen [...] gemeinsame Sache machten und ihre finsteren Pläne unterstützten. [...] Dies alles haben wir aus unserem Glauben an die Überlegenheit des japanischen Buddhismus und der nationalen Politik heraus getan. Und nicht nur das, diese Handlungen, die die Lehren des Buddhismus mißachteten, wurden ausgeführt im Namen Buddha Shakyamunis [...]. Über diese Aktivitäten lässt sich nichts anderes sagen, als daß sie wahrhaft beschämend sind.
    [...]
    Wir schämen uns, [...] daß unsere Gemeinschaft seit der Meiji-Zeit an Kriegsaktivitäten beteiligt war - manchmal, weil wir uns dazu verführen ließen, mit dem Staat gemeinsame Sache zu machen, in anderen Fällen, weil wir dem Staat aus freien Stücken unsere Unterstützung anboten.
    [...]
    Wir haben es versäumt, selbstkritisch unsere eigene Kriegsverantwortung zu untersuchen, was wir eigentlich unmittelbar nach der Kapitulation im Jahre 1945 hätten tun müssen.


    Obwohl die Soto-Schule sich des Gefühls, zu spät zu sein, nicht erwehren kann, möchten wir uns trotzdem noch einmal für unsere Nachlässigkeit entschuldigen und gleichzeitig auch dafür, daß wir in jenem Krieg mit den Kriegstreibern kollaboriert haben. [...] Wie wir wissen, lehrt der Buddhismus, daß alle Menschen als Kinder des Buddha gleich sind und daß sie weiterhin lebende Wesen sind, deren Würde aus keinem wie auch immer gearteten Grund von anderen beeinträchtigt werden darf. Trotzdem hat unsere Gemeinschaft [...] einen Angriffskrieg gegen andere Völker Asiens unterstützt, sich eifrig bemüht, mit den Kriegführenden zu kooperieren, und dieses unglückselige Geschehen auch noch als heiligen Krieg bezeichnet."


    Sicher - 1993 ist spät genug. Aber nebenbei bemerkt - etwas Ähnliches, die Verstrickungen der christlichen Kirchen in den Faschismus (nicht nur den deutschen, auch den italienischen, spanischen, kroatischen ...) betreffend, ist zumindest mir nicht bekannt ...


    Noch nachgetreten (sorry, ich kann's mir nicht verkneifen) - wenn man sich beispielsweise die aktive Mitarbeit katholischer Geistlicher in der Ustaša anschaut oder die antisemitische Hetze der 'Deutschen Christen' mit ihrem Reichsbischof Müller, dann ist man glatt in Versuchung, mal selbst etwas bullshit zu produzieren - z.B. mal eben flott zu formulieren, dass Christentum, auf das Politische übertragen, geradewegs zum Faschismus führt.


    ()