Beiträge von K-Dorje im Thema „Tibetisch-buddhistische Methoden zum Umgang mit der Welt“

    Wenn man seine Seite länger liest, merkt man, dass sich Poller auf die 'verklösterlichung' der ursprünglich wilden Mahasiddha-Kultur bezieht. Dabei waren im Kloster bestimmte Elemente nicht mehr erwünscht (gleichberechtigte Rolle der Frau war Mahasiddhas und Poller wichtig). Außerdem etablierten sich Machtstrukturen, die Einfluß auf die Weitergabe der Tantras hatten. Also sowas wie Lehrberechtigung statt freier Einschätzung durch die Mahasiddhas. Poller weist auch darauf hin, dass keiner der 84 Mahasiddhas Ngöndro machte, dass dies aber später (Gampopa?) zur Zugangsvoraussetzung erklärt wurde etc. Man muss mit Poller nicht immer einverstanden sein, aber bzgl. Tantra schärft er den Blick ungemein.

    mkha fragte:

    Zitat

    a.) welcher Tradition des tibetischen Buddhismus liegen die Belehrungen, die Du hier darlegst, zugrunde - und
    b.) welcher tibetisch-buddhistische Lehrer erteilte Dir die Initiation (inclusive wang chen, etc.)?


    zu a) Karmamudra ist mindestens ab Tilopa Bestandteil des Vajrayana. Der gehört in den Kagyü Stammbaum. Andere Traditionen praktizieren das aber auch, z.B Nyingma, von denen hab ich's. Das Tantra, innerhalb dessen ich das tue, ist allerdings auch eine wichtige Praxis der Sakya. Es steht also zu vermuten, dass Karmamudra dort auch praktiziert wird. Und zu guterletzt hat sich Tsongkhapa dazu ausführlich geäußert, also Gelug. Es ist wohl weniger an heutigen Traditionen festzumachen, sondern man fragt besser danach, wo die das wiederum herhaben. Keith Dowman ist der Meinung, dass die Praxis sehr früh über Oddiyana in den Buddhismus gekommen ist (vgl. Guru Pema here and now). Helmut Poller (siehe b) hat sich sehr ausführlich darauf spezialisiert und verortet die Ursprünge ebenfalls in Übernahmen aus shivaitischen Tantras.


    zu b.) für westliche Schüler in Europa, die eine starke Anziehung zu diesem Thema verspüren, halte ich Helmut Poller in Wien für den besten Lehrer/Initiator. http://helmutpoller.eu/index.html

    Gelübde musst du halten, wenn du welche genommen hast und dann die, die du genommen hast.
    Ob das hier der richtige Thread ist für bestimmte Techniken, hängt vom Thema ab. Ich wollte eigentlich nur das Thema Kindererziehung als Beispiel anführen und es in buddhistischen Kontext setzen. Ich halte das übrigens für eine originäre Leistung eines entstehenden westlichen Buddhismus, da sich in Kangyur und Tengyur sonst wenig zu diesem Thema findet.

    Ja, in dem Sinne einer Transformation meinte ich das. Mal schauen, ob ich es erklärt kriege, ohne Samayas zu verletzen.
    Es gibt im Anutaratantra (und nicht nur da) die Energiekanäle, wo in den beiden Äußeren solare und lunare Energien zirkulieren, welche die Grundlage für unser tägliches weltliches Erleben bilden. Also z.B. auch für Gier und Ärger. Traditionelle Buddhistische Wege zielen durch 'sich Distanzieren von Geistesgiften' darauf, die unheilsamen Energien nicht neu anzuregen und bei den schon existierenden zu warten, bis sie sich 'totgelaufen' haben, wie die Wellen auf dem Wasserspiegel. Durch den ruhigen Wasserspiegel kann man dann in die Tiefe blicken, und durch Erkenntnis das Thema der Verblendung lösen.


    Bestimmte Tantrische Methoden greifen an prinzipiell anderer Stelle ein. Hier wird der Schüler befähigt, diese Energien (egal ob heilsame oder unheilsame) in den Seitenkanälen zu identifizieren, zu leiten und schließlich umzuleiten in den mittleren Energiekanal. Mit dem Verlassen der Seitenkanäle und dem Eintritt in den Mittleren verlieren die Energien interessanterweise ihre weltlichen Spezifika, bleiben jedoch weiterhin viril. Man könnte also sagen 'transformiert'. Eine der bekanntesten Übungen ist Karmamudra, also die Arbeit mit einem sexuellen Partner (siehe z.B. Guru Rinpoche und Mandarava).Und hier kommt der Begriff 'hochziehen' her. Er steht für die Anstrengung, die Energie daran zu hindern, im Orgasmus zu verpuffen, sondern sie zu 'transformieren'. Im Grunde ist man dann da, wo auch die Kundalini-Leute vorbeikommen. Sexualität ist nun nicht die einzie Energie, das funktioniert eben auch mit Ärger und Hass, wenn man es beherrscht.
    Die Übung ist nun kein Selbstzweck, sondern erst der Anfang eines längeren Prozesses der Arbeit mit den Chakren, deren Zustand in diesem System u.a. für unsere samsarische Verblendung verantwortlich gemacht wird. Der geniale Weg von Tilopa, Naropa etc. bestand also darin, den Schüler nicht mit praktischen monastischen Verhaltensregeln wie Distanzierung und auch nicht mit Begriffen wie Leerheit auf intellektuellem Weg an einen Punkt zu bringen, von wo aus er sich von Gier, Hass und Verblendung befreien kann, sondern ihn zu befähigen, subtile Energieflüsse so zu manipulieren, dass sich schließlich die reine Sicht (primordial clarity) ergibt. (Keith Dowman beschreibt dies in 'Guru Pema' mit dem tollen Ausdruck 'Samsara und Nirvana reinigen'). Diese Sicht zu erkennen und zu halten ist dann nochmal ein eigenes Problem.
    Die Methode hat etwas von Radiobasteln. Erscheint magisch, wenn's klappt, kann aber richtig schief gehen, wenn man nicht weiß, was man tut. Distanzierung ist wohl für die meisten tatsächlich die geeignetere Methode. So verstehe ich Sherabs Zitat des Rinpoche. Aber sie ist nicht die einzige Methode. Allerdings: 'hochziehen' erfordert viel Selbstdisziplin.

    Ich denke z.B. an Kindererziehung. Insbesondere wenn deren Entwicklung ab dem Jugendalter anders verläuft als man sich das als Eltern vorgestellt hat. Ich versuche hier gelegentlich, aus dem tibetischen Buddhismus das tantrische Prinzip zu übernehmen. Also mal nicht den klassischen Weg der Ruhe und Gleichmut ansteuern durch Betrachtung der Probleme als leer, vergänglich und mich nicht treffend. Die Jugendlichen wollen sich ja auch reiben und da ist es nicht immer hilfreich, wenn die Eltern immer die totalen Softies sind.
    Statt dessen ein kleines Stück weit die Enttäuschung und den Ärger in sich aufkommen lassen, vielleicht auch artikulieren (bis hierher kriegen die Kinder das mit, der Rest findet ausschließlich in mir statt). Sich dem Ärger dann aber nicht zu ergeben, sondern seine Energie zu beobachten. Die eigentliche Übung ist dann ganz bewußt Stop zu sagen, das eigene Anhaften bzw. die Hingabe an den aufgebauten Ärger loszulassen und die Energie "hochzuziehen". Hochziehen meint hier sowas wie bei Karmamudra. Nach tantrischer Sicht haben auch Ärger und Enttäuschung letztlich die gleiche Natur wie alle anderen Phänomene dieser Welt, können also als rein betrachtet und als Mittel auf dem Weg genutzt werden. Nicht ganz ungefährlich (das gilt ja für alle tantrischen Mittel) aber sehr wirksam.