Beiträge von void im Thema „Nicht töten - Probleme in der Praxis“

    Axel:

    Vielleicht gilt diese Theorie auch für Religionen: Irgendwann brechen sie unter der Last der Komplexität zusammen, weil Regeln erklärt werden wollen, Ausnahmen hinzugefügt werden (oder eben: erklärt werden muss, warum es keine Ausnahmen geben darf), unweigerlich die Ausnahmen von der Ausnahme folgen, dann folgt, dass eine bestimmte Textstelle der Keine-Ausnahme-Schule auch ganz anders gelesen werden kann usw. ad infinitum...
    Wenn ich intelligenter wäre und mehr Zeit hätte, würde ich das Buch 'The Collapse of Complex Religions' schreiben.


    Es sind ja nicht die Religionen die kollabieren, sondern eher die Denkgebäude der Scholastik.


    Das hat viel damit zu tun, wann man eine Antwort als befridigend empfindet und deswegen aufhört zu fragen und wann man nicht das Gefühl "befriedigende Antwort" hat und deswegen Erklärungen für die Erklärungen will oder Ausnahmen für die Ausnahmen.


    Ich finde das Buch "Why Religion is Natural and Science is Not" von Robert N. McCauley sehr interessant. Da geht es unter anderem darum, dass selbst profunde wissenschaftliche Antworten das in der Frage ausgedrückte Bedürfnis nicht befriedigen. Während andere Antworten, die tief mit unserer ererbten Denkweise korresponiederen, tiefe "Gefühle der Antwort" auslösen, auch wenn sie nüchtern betrachtet eher sinnlos sind.

    Frieden-und-Freude:

    Ist Dir bewusst, was für schwere Anschuldigungen Du da erhebst, bloß weil Du etwas nicht persönlich nachvollziehen kannst?


    Du wirfst mir vor, hier öffentlich zu lügen, und zwar aus niederen Beweggründen zu lügen. "Um besser dazustehen".


    Das hat mir geholfen, mir selbst über manches Klarheit zu verschaffen.
    Ich bedanke mich bei denjenigen, die ohne persönliche Vorwürfe oder Verleumdungen daran teilgenommen haben.


    Ich bin mir sicher, dass du da nicht persönlich gemeint bist. Aber irgendwas "Brutales" ist schon in dem drin, was Spock sagt.


    Es ist ja eher so, dass man sich selber oft über seine eignen Motive gerne täuscht. Stell dir z.B vor ein naher Anghöriger von mir wäre gestorben, und ich wäre am Boden zerstört. Da würde ich ja auch gerne glauben, dass meine Trauer zu 95 % aus hehren Motiven besteht (Mitgefühl) und nur zu 5% Anhaftung und Selbstmitleid. Aber villeicht bin ich ja überhaupt nicht so nett, wie ich denke und die umgekehrten Zahlenverhältnisse sind realistisch! Wie kann ich das wissen?


    Meine Vermieterin sagte mal, sie fände es total schlimm, wenn sie Behinderte trifft, weil ihr die immer so unglaublich Leid täten in ihrem Elend. Und ihnen besser veboten werden sollte auf die Strasse zu gehen. Die Unfähigkeit Leid auszuhalten tarnt sich da als Mitgefühl. Aber wie erkennt man das?

    pamokkha:

    Irgendwie komisch, wie die buddhistische Praxis manche hinführt zu einem Töten, welches nicht einmal mehr karmisch unheilsam ist. Und man dann aus dieser erhabenen Perspektive entscheidet, welches Leben lebenswert ist und welches nicht. Mir macht solch ein Denken Angst


    Wobei die Grundsituation ja noch sehr nachvollziehbar ist: Man ist in einer schlimmen Situation, wo man entscheiden muss, und wo dann egal, was man tut Leid verursacht wird - man ist in einem Dilemma. Und es ist verständlich, dass sich da Leute zu einem Kompromiss entschliessen, der dann auch z.B ein Töten sein kann, das aber eben aus der Motivation wurzelt, andere Arten von Leid zu vermeiden und insofern mitfühlend ist.


    Da kann man sich ja viele Situationen denken: Ich töte den Fuch aus Mitgefühl mit den Hühnern, ich töte die Zecke aus Mitgefühl mit dem Hund. Oder ich töte den Katze aus Mitgefühl mit der Katze. Es ist sehr verständlich, dass man Leid abwägt, und durch Zufügen von Leid, weniger Leid an Leid an einer anderen Stelle verursachen will.


    Das man solche Kompromisse schliesst ( und mit den Konsequnzen leben muss ) ist nicht schlimm. Ich denke schlimm ist etwas anderes, nämlich die Denkweise dass etwas nur weil es ein Kompromiss ist, dann gut bzw. heilsam wäre. Damit leugnet man ja das "samarische Dilemma", dass das eine Situation ist, wo man entweder auf die eine oder andere Art Leid zufügt und auf die eine oder andere Art unheilsam handelt.


    Ich denke ein Grund für die Hauslosigkeit der Ordinierten ist ja, dass man sobald man Verantwortung für etwas übernimmt (Haus, Partner , Kind, Tier) immer in Situationen kommt, wo man aus dieser Bindung heraus in so ein Dilemma kommt, einfach aus der Logik der Sache selbst. Ich kann immer in so Situationen kommen, wo ich entweder im Interese meines Kindes übel handeln muss, oder ich handle eben übel, indem ich gegen die Interessen meines Kindes handle. Dukkha hat immer auch so eine Dillmahaftigkeit, in der man sich aus dem Leid eben nicht so einfach rauswinden kann.


    pamokkha:

    Das ist viel zu kompliziert gedacht. Das sind Beobachtungen allein hier im Buddhaland. Mitfühlendes Töten wird mehrheitlich von Mahayanin vertreten. Ich denke, dieser Thread zeigt dies wieder mal ganz gut.


    Ich glaube es ist eine Frage dessen, inwieweit man religiöse und weltliche Logik mischt, so das sie sich durchdringen.