Beiträge von Sudhana im Thema „Eine metaphyische Frage“

    Sôhei:

    Keine Ahnung unter welchen Anforderungen und mit welcher Zielsetzung das Paper erstellt wurde


    Das steht unmittelbar unter Titel und Untertitel des Artikels:
    "Ein Bericht für den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderung (WBGU)" - das Paper sollte also besagtem Beirat eine zusammenfassende Übersicht über die Haltung verschiedener Religionen zu ökologischen Fragen geben. Wenn ich mir in dem Artikel insbesondere die vergleichsweise unkritische Bewertung des Christentums ansehe, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass da möglicherweise der Theologe dem Religionswissenschaftler ein wenig im Wege stand. So aus rein wissenschaftlichem Blickwinkel ...

    Sôhei:

    Ich hatte eigentlich nur darauf verwiesen, dass das Christentum eben auch eine Theologie der Schöpfungsbewahrung kennt. Und dass mir Umweltethik im Buddhismus erst aus jüngerer Zeit bekannt ist.


    Aus welcher älteren Zeit stammt denn die "Theologie der Schöpfungsbewahrung"? Seit wann wird denn in der Theologie auf Gen 2,15 als Antithese zu Gen 1,28-29 verwiesen? Wobei ich die Entwicklung insgesamt (letzter wichtiger Impuls die Enzyklika Laudato Si‘) ja durchaus erfreulich finde.

    Sôhei:

    Die eigentlichen Fragen wären also:
    - Welche Positionen christlicher und buddhistischer Umweltethik gibt es, worauf beziehen sie sich, und wann wurden diese formuliert?


    Nun - auf einige Quellen wurde ja nun von mir verwiesen. Grundsätzlich kann es eine "Umweltethik" erst geben, wenn ein Bewusstsein nachhaltiger schädlicher Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Umwelt existiert. Dass Ansätze zu einer solchen "Umweltethik" zuerst im Westen (also in christlich geprägten Gesellschaften) entwickelt wurden, hat weniger etwas mit einer besonderen christlichen Sensibilität gegenüber diesem Thema zu tun als mit dem Gegenteil - mit der Vorreiterrolle, den diese Gesellschaften bei der schonungslosen Ausbeutung natürlicher Ressourcen gespielt haben was natürlich dazu führte, dass die daraus resultierenden Probleme auch hier als erstes deutlich spürbar wurden. Und das hat durchaus etwas mit Gen 1,28-29 zu tun.

    Sôhei:

    Und nochmal: ich halte die christlichen Positionen keineswegs irgendwie für ausgewogener oder überlegen. Eine Begründung für eine Umweltethik auf der Grundlage buddhistischer oder christlicher Glaubensannahmen ist für mich beides gleichermaßen beengend. In beiden Fällen liegen schon bestimmte Annahmen darüber vor, wie Welt beschaffen ist, beschaffen sein sollte etc.; und aktuelle Probleme werden halt auf diesem Hintergrund interpretiert oder versucht einzubinden.


    Ich halte die Positionen vor allem für vereinbar hinsichtlich des Blicks auf die eigentliche Ursache des Problems: menschliche Gier und Rücksichtslosigkeit, Egoismus. "Glaubensannahmen" spielen da mE keine wesentliche Rolle. Es geht ja weniger darum, wie die Welt beschaffen sein sollte als darum, wie sie nicht beschaffen sein sollte - vergiftet, vermüllt, überhitzt, zunehmend dysfunktional als Lebensraum.


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    Sôhei:

    Die Passage zum Buddhismus ist ja nun ziemlich kurz - magst du vielleicht kurz erläutern, was du daran so verfehlt findest?


    "Verfehlt" ist es vor allem, in einem sich als wissenschaftliches Gutachten gerierendem Paper eine Position zu beziehen und den Vertretern der Gegenposition "eklatante Missverständnisse der Lehren Buddhas" zu bescheinigen - und das, ohne diese Vertreter zu benennen geschweige denn sich mehr als nur oberflächlich und pauschalisierend mit deren Position auseinander zu setzen. Es ist im akademischen Bereich Standard, Gegenpositionen zumindest mit Verweis auf entsprechende Veröffentlichungen konkret zu benennen, so dass der Leser beide Positionen nachvollziehen und sich anhand der vorgebrachten Argumente und Gegenargumente selbst ein abgewogenes Urteil bilden kann. Als Mitglied eines wissenschaftlichen Beirates würde ich eine solche (selbstdeklarierte) "religionswissenschaftliche Darstellung" als Versuch der Bevormundung und blanke Frechheit empfinden. So - in der vorgelegten Form - ist der Artikel kein wissenschaftliches Gutachten, sondern nicht mehr als eine private Meinungsäußerung und das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt wurde. Das ist Junk Science.

    Sôhei:

    In die Links von dir habe ich jetzt nur kurz reingeschaut... Wobei ich schon jetzt vermuten würde, dass die Diversität und auch Glaubwürdigkeit buddhistischer Positionen zum Thema Umwelt & Ökologie viel problematischer ist als im Judentum/Christentum und vielleicht auch Islam, einfach aufgrund der viel größeren Bandbreite der darin vorkommenden Lehren (alleine schon was Theravada und Mahayana betrifft).


    Über die "Bandbreite" und "Glaubwürdigkeit" speziell christlicher Positionen will ich mich jetzt nicht weiter auslassen - nur deutlich machen, dass ich deren von Dir im Vergleich zum Buddhismus vermutete geringere Problematik in Zweifel ziehe. Jedenfalls - die Links waren von mir auch aus diesem Grund nicht zufällig ausgewählt. David Loy ist nicht nur Professor für buddhistische und vergleichende Philosophie, sondern auch Zen-Lehrer der Sanbo-Kyodan-Schule. Der Religionswissenschaftler Donald K. Swearer ist hingegen auf den Buddhismus Südostasiens, v.a. Thailands, spezialisiert.


    Was die "Aktualität" des von Dir eingestellten Artikels angeht, so ist eines der immer noch wichtigsten religionswissenschaftlichen Standardwerke zu diesem Thema (auch, weil dessen 20 Autoren die von Dir angesprochene "Bandbreite" berücksichtigen) kaum jünger - es wurde im Januar 1998 veröffentlicht, gerade mal 8 Monate nach dem Artikel im Marburg Journal of Religion. Das zeigt mE ziemlich deutlich, dass Prof. Dr. Pye und seine beiden Mitarbeiter schon damals nicht mehr auf der Höhe ihrer Zeit waren - was heute, 20 Jahre später, beim besten Willen und allem Respekt vor Dr. Pyes Lebensleistung, nicht mehr zu übersehen ist.


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    Sôhei:


    Nun ja - wenn das repräsentativ für die Art Informationen ist, mit denen ein wissenschaftlicher Beirat die Bundesregierung zum Thema globale Umweltveränderung versorgt, dann erklärt das so Einiges. Entschuldigend kann man allerdings anführen, dass der Bericht schon 20 Jahre alt ist.


    Zur Einführung in die aktuelle religionswissenschaftliche Diskussion (leider alles auf Englisch):
    http://fore.yale.edu/religion/buddhism/
    Hier für Interessierte ein Online-Kurs:
    http://www.dharmanet.org/coursesM/37/ecology0.htm
    Einen mE interessanten Ansatz vertritt David Loy:
    http://sucra.saitama-u.ac.jp/m…ownload.php?file_id=22074


    Alles Leute, denen Pye und Konsorten da flott von der Leber weg implizit "Missverständnisse" des Dharma bescheinigen. Man möge sich selbst ein Urteil bilden - im Netz findet man problemlos weiteres Material. Fundierter als das Aufsätzchen (wobei mir ein Rätsel ist, wieso eine Fachzeitschrift einen Artikel veröffentlicht, der aufgrund fehlender Quellenangaben nicht einmal für Wikipedia akzeptabel wäre) sind die o.a. Links allemal.


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    HumanitysLastBreath:

    Okay, das akzeptiere ich wohl, dass es einen Unterschied gibt zwischen gedanklicher und tatsächlicher Teilung, aber in welcher Weise trägt das jetzt zu der Beantwortung meiner Frage bei, ob alles unendlich teilbar ist oder nicht?


    Ist das nicht offensichtlich? Nun - möglicherweise hat sich Kant da deutlicher ausgedrückt als Ellviral. In Eislers Wörterbuch der philosophischen Begriffe wird dessen Position (2. Antinomie der reinen Vernunft) wie folgt dargestellt:

    Zitat

    Die zwischen der Annahme endlicher und der der unendlichen Teilbarkeit bestehende »Antinomie« (s. d.) behebt KANT durch den Hinweis auf den Regress (s. d.) des Bewußtseins, der dem Unendlichen (s. d.) zugrundeliegt und der nicht mit fertig gegebenen unendlichen Teilen zu verwechseln ist. »Die Reihe der Bedingungen ist nur in der regressiven Synthesis selbst, nicht aber an sich in der Erscheinung, als einem eigenen, vor allem Regressus gegebenen Dinge anzutreffen. Daher werde Ich auch sagen müssen: die Menge der Teile in einer gegebenen Erscheinung ist an sich weder endlich noch unendlich, weil Erscheinung nichts an sich selbst Existierendes ist und die Teile allererst durch den Regressus der decomponierenden Synthesis und in demselben gegeben werden, welcher Regressus niemals schlechthin ganz weder als endlich, noch als unendlich gegeben ist« (Krit. d. rein. Vern. S. 411). Die Teilbarkeit des Körpers gründet sich auf die Teilbarkeit des Raumes, und dieser ist »ins unendliche teilbar, ohne doch darum aus unendlich vielen Teilen zu bestehen« (l. c. S. 423). »Die unendliche Teilung bezeichnet nur die Erscheinung als quantum continuum und ist von der Erfüllung des Raumes unzertrennlich... Sobald aber etwas als quantum discretum angenommen wird: so ist die Menge der Einheiten darin bestimmt, daher auch jederzeit einer Zahl gleich« (l. c. S. 425). Die Materie ist »ins unendliche teilbar, und zwar in Teile, deren jeder wiederum Materie ist«[487] (Met. Anf. d. Naturwiss. S. 43). Dies ist durch die Vernunft zu denken, aber nicht anschaulich zu machen. »Denn, was nur dadurch wirklich ist, daß es in der Vorstellung gegeben ist, davon ist auch nicht mehr gegeben, als soviel in der Vorstellung angetroffen wird, d. i. soweit der Progressus der Vorstellungen reicht. Also von Erscheinungen, deren Teilung ins unendliche geht, kann man nur sagen, daß der Teile der Erscheinung so viel sind, als wir deren nur geben, d. i. soweit wir nur immer teilen mögen. Denn die Teile, als zur Existenz einer Erscheinung gehörig, existieren nur in Gedanken, nämlich in der Teilung selbst. Nun geht zwar die Teilung ins Unendliche, aber sie ist doch niemals als unendlich gegeben: also folgt daraus nicht, daß das Teilbare eine unendliche Menge Teile an sich selbst und außer unserer Vorstellung in sich enthalte, darum weil seine Teilung ins unendliche geht. Denn es ist nicht das Ding, sondern nur diese Vorstellung desselben, deren Teilung, ob sie zwar ins unendliche fortgesetzt werden kann und im Objecte, das an sich unbekannt ist, dazu auch ein Grund ist, dennoch niemals vollendet, folglich ganz gegeben werden kann und also auch keine wirkliche unendliche Menge im Objecte (als die ein ausdrücklicher Widerspruch sein würde) beweiset« (l. c. S. 49 f.). »Nun muß freilich das Zusammengesetzte der Dinge an sich selbst aus dem Einfachen bestehen. denn die Teile müssen hier vor aller Zusammensetzung gegeben sein. Aber das Zusammengesetzte in der Erscheinung besteht nicht aus dem Einfachen, weil in der Erscheinung, die niemals anders als zusammengesetzt (ausgedehnt) gegeben werden kann, die Teile nur durch Teilung und also nicht vor dem Zusammengesetzten, sondern nur in demselben gegeben werden können« (l. c. S. 52).


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    HumanitysLastBreath:

    Das heißt ich kann micht nicht in Einzelteile zerlegen?


    Natürlich kannst Du - auf mehr oder weniger spektakuläre Art .
    Wobei die Herren hier sogar davon ausgehen, dass sie trotz der Möglichkeit der Zerlegung ein Selbst haben, das sogar einen Lohn für die Zerlegung empfangen kann.
    Du kannst aber natürlich auch einfach warten, bis Du an Altersschwäche stirbst. Da zerlegt es Dich ganz zwanglos von selbst.


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