Ich habe den Eindruck, hier wird zT etwas aneinander vorbei diskutiert. Es geht doch um folgende Formulierung im Kwan Um Rezitationsbuch:
ZitatHeute bereue ich das Verlangen nach Sex.
Das was Du hier schreibst:
Tychiades:Reue ist dabei eine bestimmte Form der Einsicht, nämlich zu sehen, was man als Handlung getan hat und was man unterlassen sollte. Handlungen sind dabei Denken, Reden und Tun.
- scheint mir doch völlig unstrittig zu sein. Da wäre doch dann allenfalls zu fragen, ob das in Rede stehende "Verlangen" nun eine Handlung ist. Das ist es nicht, sondern eine Empfindung. Genauer: eine Form von rāga / lobha / tanha und somit eine 'Wurzel' (mūla) unheilsamen Handelns - kein Handeln selbst.
Wenn Du nun fragst
Tychiades:was sind die Bedingungen für das Entstehen? Also, was ist die Nahrung für Verlangen und Begierde?
und dies mit einem Zitat aus dem Palikanon beantwortest, dann wäre mE ein Verweis auf Aññatitthiya Sutta A.III.69 hilfreicher als auf das Bhavataṇhā Sutta A.X.61:
ZitatWas ist nun, Brüder, der Grund, was die Bedingung, daß nicht aufgestiegene Gier zum Aufsteigen kommt und aufgestiegene Gier immer größer und stärker wird? Ein anziehendes Objekt - wäre da zu erwidern. Denn wer über ein anziehendes Objekt unweise nachdenkt, bei dem gelangt die nicht aufgestiegene Gier zum Aufsteigen und die aufgestiegene Gier wird immer größer und stärker.
- der Begriff "anziehend" (bzw. anziehendes Objekt, subha·nimittaṃ) wird hier übrigens mE dem Original [vgl. http://dictionary.sutta.org/browse/s/subha] nicht ganz gerecht. Als Bedingungen werden da also zum einen die Anwesenheit eines Objektes bestimmter Qualität genannt (das subha·nimittaṃ), zum anderen die bewusste Reaktion darauf, also das, was das viññāṇa daraus macht. Bemerkenswert ist hier vor allem, dass das subha eine Qualität der Empfindung des Objektes ist, keine, die dem Objekt erst durch die Verarbeitung im Bewusstsein zukommt. Das verweist in Hinsicht Sexualität mE durchaus auf biologische Wechselbedingungen bzw. Reiz-Reaktionsmuster, also auf der Ebene rūpaskandha / vedanāskandha. Nun ist es sicherlich unsinnig, die Existenz eines "anziehenden Objektes" zu bereuen - das ist eine Bedingung, der das (ggf. später seine Reaktion bereuende) Subjekt ausgesetzt ist und keine, die es setzt.
Die durch das Sutta empfohlene Reaktion auf das subha·nimittaṃ hingegen ist das schon von @Varadinno in diesem Thread genannte yoniso manasikāra. Hier - und gleichermaßen natürlich bei dessen Gegenteil, ayoniso manasikāra - kann man nun tatsächlich von einer Handlung im Denken sprechen (die ihrerseits entsprechenden Handlungen im Reden und Tun vorangeht). Und hier - in "unweisem Denken" - ist auch der Anlass für Reue. Wenn man denn weiß und erfahren hat, was solches Denken als "unweise" qualifiziert, also die daraus entstehenden leidhaften Folgen kennt. Wobei das mit dem Kennen oder Erkennen leidhafter Folgen vor allem eine Frage der Größe des Gesichtskreises ist - oder des Ausmaßes an Selbsttäuschung. Und das genau hier und jetzt. 'Reue' ist kein Anhaften an Vergangenem, an früherem Tun, kein Lamentieren über vergossene Milch. Es ist Lernen aus Fehlern.
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