Beiträge von Doris im Thema „"Rechte Rede" - fühl dich angesprochen!“

    Zitat

    Ich weiß auch nicht, warum wir Deutschen so viel kritteln. Wir wollen immer richtig stellen, und dann noch richtiger und letztendlich ganz besonders richtig. Hahaha.


    Danke für diesen Satz! ;)


    Das ist ein schönes Beispiel.
    Das "Hahaha." könnte viel bedeuten:


    :D Ein heiteres Lachen.
    :grinsen: Ein ironisches, sarkastisches Lachen.
    :lol: Ein besonders belustigtes Lachen.
    :rofl: Ein Kringel-Lachen.
    :angel: Nochmal ironisch
    :badgrin: Ein böses Lachen
    :roll: Ein genervtes Scheinlachen
    }:-) Ein bösartiges Lachen
    :x Eine Verärgerung
    und sich noch ein bisserl mehr.


    Wie soll ich das jetzt lesen?
    Wie werde ich das lesen?
    Was ruft das in mir hervor?
    Wie reagiere ich auf diese Emotionen?

    Zitat

    Das ist ein Ideal. Um dem näher zu kommen braucht es noch ein bisschen mehr als bloße Textanalyse, vermute ich. Man muss auch schon in den Schuhen des anderen wandeln wollen. :) Denn man könnte ja auch mit ganz anderer Intention Texte analysieren, oder?


    Ich weiß auch nicht, warum wir Deutschen so viel kritteln. Wir wollen immer richtig stellen, und dann noch richtiger und letztendlich ganz besonders richtig. Hahaha.


    Ja und nein.
    Wenn ich einen Text analysieren will, dann habe ich eine gewisse Bereitschaft mich auf ihn einzulassen. Ein gewisser Anteil von Offenheit für andere Blickwinkel ist vorhanden (und sei es, weil ich die Note fürs Zeugnis brauche …), selbst wenn ich das tue, um den Autor zu zerlegen.
    Wenn ich einen Text nur lese, um in meinem Urteil bestätigt zu werden, dann ist da nicht einmal eine Restoffenheit vorhanden. Ich untersuche den Text nicht mehr, sondern lege meine emotionalen Post-its drüber.


    Ich verstehe nicht? Setzt Du "Kritteln" mit "Richtigstellen" gleich?

    Lucy:

    Hallo Doris,


    das war nur ein Beispiel für sherap, was im schriftlichen 'nonverbale kommunikation' sein kann.


    Bitte verzeih, wenn ich nicht tiefer auf die Gattung textinteroretation eingehen mag, dazu ist es bei Murnauer lange her.


    Ich wollte mit der Aufzählung zeigen, dass wir in der Textanalyse bereit sind, genau hinzuschauen und uns einzulassen und viele Dinge zu berücksichtigen, bevor wir ein Urteil fällen, und wir sind auch eher bereit dieses im Analyseprozess zu revidieren.


    Im Dialog tun wir das nicht so sehr. Das geht ratzfatz und wir sind bereit zu urteilen. Da meinen wir ganz schnell zu wissen, wie der Andere tickt. Dabei verlassen wir uns nur auf unser Gefühl. Das perpetuieren wir.


    Um jetzt den buddhistischen Schlenker hinzukriegen: Wir schwadronieren immer davon, dass der Buddha gelehrt hat, dass alles im Geist entsteht, aber ausgerechnet hier machen wir von dieser Erkenntnis nicht so sehr Gebrauch. Hier verlassen wir uns völlig auf unsere "Intuition" und halten sie für unfehlbar. Wir bilden uns ein zu wissen, wer der Mensch ist, der hier schreibt und was er denkt. Wir halten uns für wohlwollend, nett und freundlich. Schlecht ist immer der Andere. Das glauben wir zwischen den Zeilen herauslesen zu können …
    Meine eigene Erfahrungen sagen mir, das stimmt nicht.

    Ok, verstehe. Glaub ich. :grinsen:


    Zitat

    Meine Beobachtung war: es konnte zu keinem allgemeinen Konsenz in der Sache kommen, weil die Beteiligten ausschließlich aus der Dharma/Dhamma-Perspektive "Rechte Rede" 'argumentierten'.


    Meinst damit, dass die religiös-ideologische Färbung des Begriffs dazu verführt, das Thema religiös-ideologisch anzugehen statt sich einfach auf Höflichkeit zu besinnen? Als Folge wird dann theoretisiert und gestritten, statt sich selbst zu analysieren und sein Verhalten anzupassen?


    Zitat

    Der Forenbetreiber hat sie so formuliert, wie sie ist - das sollte doch unter Erwachsenen eigentlich ausreichen?!


    Das mit dem Erwachsensein halte ich für einen Mythos. Ich bin schon älter und entdecke täglich neue Kindereien an mir (nicht Kindisch-sein im Sinne von losgelöster Fröhlichkeit). :clown:

    In einer ordentlichen Textinterpretation werden aber nicht einfach die eigenen Emotionen zu einem Text formuliert. Der Text wird untersucht. Es werden Bezüge zu anderen Texten des Autors hergestellt. Biographische Bezüge. Bezüge zur seinen theoretischen Texten. Bezüge zu Autoren, auf die er sich bezieht. Bezüge zur Sozialgeschichte, zum politischen und künstlerischen Umfeld. Und vieles mehr. Und natürlich wird der Text ganz genau untersucht.


    Das unterscheidet sich erheblich von unserem "Gefühl" beim Lesen eines Textes. Schon gar, wenn der Text an uns persönlich gerichtet ist, in einem Dialog entstanden ist. Da ist für gewöhnlich keine Distanz zum Gelesenen, wie sie bei einer literarischen Textanalyse eingenommen wird.


    Würden wir die Texte hier konsequent als Texte behandeln und analysieren, dann gäbe es wohl die meisten Kabbeleien nicht mehr. Selbst wenn dann einer Schimpfworte benutzen würde, unser durch Distanz gewonnenes Verständnis würde es wahrscheinlich verhindern, dass wir das persönlich nehmen würden.
    Kurz: Wir würden in den Schuhen des Anderen wandeln.


    Beim Flirtthema lässt es sich halt anschaulich aufzeigen, wie sehr wir projizieren und das für wahr halten. So kann vieles, dass der Schreiber wohlwollend geschrieben hat, wo er sich um Verständlichkeit bemüht, dennoch als Angriff aufgefasst werden. Eine knappe Formulierung kann dazu führen als arrogant und unfreundlich aufgefasst zu werden.


    Du hat Deinen Eingangsthread ein wenig kryptisch formuliert, so dass nicht klar wird, worauf Du eigentlich hinaus möchtest. Und bitte, teile Deine Gedanken mit uns. :rainbow:

    Zitat

    Was ich aber mit dem zitierten Satz meinte: wenn in einer Phantasie keine Sinneserfahrung z.B. aus dem Hörsinn da ist, ergänzt das Gehirn gesprochene Worte usw. Es gibt innere Bilder und man kann sich sogar kurz einbilden, etwas zu riechen. Noch wichtiger ist aber, dass die Reaktion auf eine Phantasie fast gleich sein kann, wie auch eine echte Begegnung. Weswegen ja Bücher und Filme ihren Reiz haben und man mit Mentaltraining in der Psychologie die eigene Reaktion trainieren kann, ohne jemals in der Situation gewesen zu sein, um die es geht.



    Alles entsteht im Geist. So ist das eben.
    Wir verlieben uns nicht, weil da so eine besondere Person vor uns steht. Wäre sie so besonders, dann müsste das jeder sehen. Wir finden jemanden blöd, nicht weil er so blöd ist, sondern weil wir ihn so interpretieren, sonst fänden ihn alle blöd. …
    Da spielt noch ein bisschen Genetik eine Rolle – kompatible Duftnoten erhöhen die spontane Paarungsbereitschaft.


    Jeder hat so seine Siebe im Kopf, seine Denkmuster, seine Gewohnheiten … nennt man auch "Karma". Und wir interpretieren die Welt und die Wesen gemäß unseres Karmas. Wenn ich alle Leute schwierig finde, so ist das meine Gewohnheit sie zu interpretieren. Ganz selten sind es nur die Anderen – sagt doch unser Freund Tenzin Gyatso, es sei sehr selten einen Feind zu haben (und wenn wir einen haben, dann sollten wir uns glücklich schätzen).


    Wenn wir uns verlieben, uns zu jemandem hingezogen fühlen, als Freund oder Gefährte, dann entspricht er meist den Denkgewohnheiten. Zumindest auf den ersten Blick. Wir phantasieren da eine Menge in die Person hinein. Was kennen wir denn schon von dem Menschen? Eigentlich nur Marginalien: Aussehen, Stimme, ein paar Bewegungen, Geruch … und auch nur oberflächlich. Unsere Phantasie genügt das, um einen Liebesfilm zu kreieren.


    Im Zusammenleben prallen dann diese Denkgewohnheiten mit der Realität zusammen, und wenn man nicht flexibel ist, dann ist man enttäuscht und trennt sich.

    Sherab Yönten:
    Doris Rasevic-Benz:


    Nichts einfacher als das!


    Verlieben ist immer virtuell und Kopfkino.


    Na ja, aber die bio chemischen Prozesse finden doch nur im Real Life statt.
    Die Augen und das äußere Erscheinungsbild sind beim sich verlieben nicht unwesentlich.


    Die bio-chemischen Prozesse finden immer statt. Wir sind Chemie.
    Liebe macht bekanntlich blind.
    Blinde können sich auch verlieben.
    Axel und ich haben uns auch nicht vorher gesehen. :D


    Die Augen sind nur die Organe, die nach dem suchen, was in der Vorstellung schon längst existent ist.
    Deshalb spielt das Äußere später meist keine Rolle mehr. Sonst gäbe es noch Brangelina …


    Mir ist vor vielen Jahren klar geworden, dass ich immer vorher verliebt war, und dann jemanden getroffen habe. In der Verhaltensbiologie nennt man das Appetenzverhalten. Sprich: Meine Chemie war schon vorher auf Verlieben eingestellt und ich habe dann "zugeschlagen". Wie sonst erklärt sich das Phänomen "Tausendmal berührt …"?

    Sherab Yönten:


    Ich behaupte ja nicht, dass es nicht auch Missverständnisse auf der schriftlichen Ebene geben würde. Aber ich bleibe bei meiner Ansicht, dass eine Kommunikation in Real Life eine andere Qualität hat (sowohl im Positiven wie auch im Negativen) wie im virtuellen Bereich.


    Ich habe z.B. manchmal eine ironische Art, die so klingt als ob sie ernst gemeint sei. Das ist eine Mischung aus Ernst und Übertreibung. Das versteht nicht jeder, nicht einmal im persönlichen Umgang, da die dazu passende Mimik, Gestik und der Tonfall auf den ersten Blick passend ernst erscheinen. Es gibt aber Menschen, die das sofort verstehen, und mit denen es keine Missverständnisse deshalb gibt. Die machen das dann mit, wir reizen das aus und amüsieren uns köstlich. Zuschauer, die nicht so gestrickt sind, verstehen das nicht und nehmen das ernst. Dabei ist das sehr wohl zu durchschauen. Man muss nur genauer auf den Tonfall hören, auf ein paar Füllwörter, Blicke, Gesten, Bewegungen. Und dann natürlich den immer absurder werdenden Inhalt durchschauen.
    Aber oft sind Leute dann von Anfang an derart vom Inhalt gebannt und auf ihn konzentriert, dass sie das Drumherum übersehen, und auch das Hochschaukeln ins Absurde nicht mehr wahrnehmen. Es entsteht eine Ausgangsvorstellung, die sie dann immer weiter füttern, egal wie absurd die Konversation dann wird.
    Es wäre einfacher, wenn wir diese Sprechsituation kennzeichnen würden, also das Schild "Ironie" umhängen oder auf einer Bühne stehen würden.


    Genau dasselbe geschieht im Schriftlichen. Die Leute lesen ein paar Wörter und Sätze, die lösen bestimmte Emotionen aus, und dann geht der Film im Kopf ab. Hier im Forum gibt es auch eine Erwartungshaltung: Das ist ein buddhistisches Forum, und da hat man alles ernst zu meinen, immer freundlich und nett zu formulieren, nie zu kritisieren, mit allen sanft umzugehen, alles gelten zu lassen und zu tolerieren … Das Setting spielt eine große Rolle dabei, inwieweit wir uns für das Geschriebene öffnen. Und natürlich, ob wir jemanden mögen oder nicht.


    Vor ein paar Jahren habe ich angefangen mich ein bisschen darin zu üben, sobald mir ein Post unsympathisch erscheint, ihn innerlich mit verschiedenen Stimmen zu lesen und mir vorzustellen, dass ihn andere Personen schreiben. Das verändert meine Bereitschaft mich dem Text zu öffnen. Natürlich finde ich dann nicht plötzlich alles toll und mag jeden. Aber ein paar Usern gegenüber hat sich meine Sicht verändert.