Beiträge von kanshiketsu im Thema „suche Legende Höhle, Maras...“

    Folgender Text ist eine »Konversation« in Liedform mit der Dämonin Drangsinmo, die Milarepa eines Nachts in einer Höhle bei Linba attackierte. Milarepa war von ihrer Klugheit beeindruckt und sie ihrerseits entwickelte durch das Hören seiner Belehrungen tiefes Vertrauen in ihn. Sie legte ein Gelübde ab, von nun an die Meditierenden zu beschützen und kehrte am nächsten Tag mit vielen ihrer Brüder und Schwestern zurück, um Belehrungen von Milarepa zu erbitten.


    Wenn man an Dämonen als Dämonen festhält, schaden sie.
    Erkennt man Dämonen als offen-leer, ist man sie los.
    Begreift man die absolute Natur, ist man befreit.
    Erkennt man Dämonen als seine Eltern, sind sie keine Dämonen mehr.
    Erkennt man, daß Dämonen im Geist erscheinen,
    Erfährt man sie als seine Zierde.
    Erkennt man ihre Natur, ist man von ihnen befreit.
    Meister, ein Buddha in Menschengestalt,
    Übersetzer, dessen Name schwer auszusprechen ist,
    Vor dir, gütiger Vater, verbeuge ich mich!


    Ich bin zwar kein vedischer Sänger,
    Doch du Dämonin sagst, sing ein Lied, sing ein Lied!
    Deshalb singe ich nun diese Verse über die wahre Natur der Dinge.


    Donner, Blitz und Wolken kommen aus dem Himmel
    und lösen sich wieder im Himmel auf.


    Regenbogen, Nebel und Dunst kommen aus dem Raum
    und lösen sich wieder im Raum auf.


    Nektar, Körner und Früchte kommen aus der Erde
    und lösen sich wieder in der Erde auf.


    Wälder, Blumen und Blätter kommen aus den Hügeln
    und lösen sich wieder in den Hügeln auf.


    Flüsse, Wasserblasen und Wellen kommen aus dem See
    und lösen sich wieder im See auf.


    Gewohnheiten, Anhaftungen und Fixierungen kommen aus dem Allgrund des Geistes
    und lösen sich wieder im Allgrund auf.


    Selbstgewahrsein, Eigenstrahlkraft und Selbstbefreiung kommen aus der
    Natur des Geistes und lösen sich wieder in der Natur des Geistes auf.


    Alles ist ungeboren, unbehindert und unaussprechlich,
    es kommt aus der absoluten Natur und löst sich wieder in der absoluten Natur auf.


    Dämonen wahrnehmen, daran haften und sich vor ihnen fürchten,
    dies kommt vom Yogi. Und löst sich wieder im Yogi auf.


    So sind alle Dämonen das Zauberspiel des Geistes.
    Erkennt der Yogi nicht, daß diese Eigenerscheinungen offen-leer sind,
    und hält Dämonen für wirklich, dann erliegt er der Täuschung.
    Die Wurzel der Täuschung aber liegt im Geist.
    Erkennt man die wahre Natur des Geistes,
    dann sieht man, daß er strahlend klar ist, frei von Kommen und Gehen.


    Der Geist mißversteht Erscheinungen als äußere Objekte.
    Untersucht man jedoch ihr eigentliches Wesen,
    erkennt man, daß Erscheinungen und Offenheit untrennbar sind.


    Meditation ist ein Konzept,
    Nicht-Meditation ist ebenfalls ein Konzept,
    Meditation und Nicht-Meditation sind nicht trennbar.


    Die dualistische Sichtweise ist die Grundlage der Täuschung,
    während die letztendliche Wahrheit jenseits jeder Sichtweise liegt.


    Wollt ihr das Wesen des Geistes verstehen,
    nehmt den Himmel als Beispiel, dann werdet ihr euch klar über den Sinn der absoluten Natur.


    Betrachtet, was mit dem Verstand nicht greifbar ist – das ist die Mahamudra-Sicht.
    Ohne Ablenkung zu sein – das ist die Meditation.
    Beim Handeln meidet nichts, und nehmt alles, wie es kommt.
    Gebt Hoffnung und Furcht auf – das ist die Frucht.
    Danach richtet euch bei eurer Übung, Dämonen!


    Ich habe keine Zeit, nichtssagende Gesänge zu verbreiten,
    stellt nicht viele Fragen, sondern verweilt im Schweigen!
    Weil ihr Dämonen ein Lied wolltet, habe ich eins gesungen.
    Nun, dies sind meine verrückten Worte.


    Seht, ob ihr sie in die Praxis umsetzen könnt, Dämonen!
    Laßt großes Glück eure Speise sein, Reinen Nektar euren Trank,
    und verrichtet eure Arbeit, indem ihr den Yogis beisteht!


    So sang er. Dragsinmo und ihr Gefolge faßten tiefes Vertrauen zu ihm.
    Sie verbeugten sich und gingen viele Male respektvoll um ihn herum,
    bedankten sich und verschwanden dann, indem sie sich wie ein Regenbogen auflösten.


    Wie der Jetsün es ihnen befohlen hatte, richteten die Dämonen von da an
    keinen Schaden mehr an, sondern standen allen großen Meditierenden
    dieses Ortes bei.


    aus:
    Milarepas gesammelte Vajra-Lieder, Theseues Verlag