Beiträge von Sudhana im Thema „Bild“

    Die "Dokumentation" ist mittlerweile auch auf Youtube zu sehen. Ich habe mir nur die ersten 20 Minuten dieses Machwerks angetan, danach war zumindest mir mehr als deutlich, warum Arte und auch WDR sich weigern, so etwas zu senden. Und auch, warum dafür die Bildzeitung herhalten muss und will: 1. sind alle Beschäftigten der Axel Springer SE seit 1967 vertraglich auf eine Unterstützung Israels festgelegt (aktuelle Formulierung: "Wir unterstützen das jüdische Volk und das Existenzrecht des Staates Israel.") und 2. liegt diese "Dokumentation" nicht nur auf dieser politischen Linie, sondern mE durchaus auch auf dem publizistischen Niveau der Bildzeitung. Anders gesagt: möglicherweise wollten sich nicht nur Arte und WDR nicht damit die Finger schmutzig machen, sondern nicht einmal das stets um Seriosität bemühte publizistische Flaggschiff des Springer-Verlags, die "Welt".


    Unstrittig handelt es sich um ein wichtiges Thema und eine journalistische Aufarbeitung ist mehr als wünschenswert. Von einer solchen Aufarbeitung sollte man allerdings erwarten, dass sie differenziert und nach dem journalistischen Grundsatz der Unparteilichkeit stattfindet. Differenzierung heisst hier vor allem, die Themenkomplexe Antisemitismus, Antizionismus und Kritik an der Politik des Staates Israel sauber voneinander zu trennen. Das ist sicherlich nicht einfach, denn zweifellos gibt es einen antisemitisch motivierten Antizionismus und es gibt antisemitisch motivierte Israelkritik. Das darf jedoch nicht den Blick darauf verstellen, dass Kritik an der zionistischen Ideologie und Kritik an der Politik Israels nicht automatisch antisemitisch ist. So sehr es notwendig ist, solche Kritik gründlich auf mehr oder weniger unterschwellige antisemitische Vor- und Fehlurteile hin zu untersuchen, so erspart einem dies doch nicht ein Abwägen der in der Kritik vorgebrachten Sachargumente. Eben solche Differenzierungen lassen zumindest die ersten 20 Minuten der "Dokumentation", die ich mir mit wachsender Verärgerung angesehen habe, voll und ganz vermissen. Die "Verärgerung" resultiert aus den teilweise recht plumpen Mitteln, mit denen diese "Dokumentation" versucht, das Publikum zu manipulieren.


    Nehmen wir als Beispiel den "Opener" - die (wie ich finde, durchaus zu Recht gelobte) Rede des Präsidenten des Staates Palästina Mahmud Abbas vor dem EU-Parlament. Diese wird auf zwei Punkte reduziert - zunächst seine Prophezeiung, dem Terrorismus würde der Boden entzogen werden, "sobald diese Besatzung endet". Das kann man als Drohung verstehen, wenn man das so aus dem Kontext reisst. Tatsächlich verwies Abbas u.a. mit den Sätzen "Israel hat unser Land in ein offenes Gefängnis verwandelt“ und "Es ist Zeit für unser Volk, in Freiheit und ohne Mauern und Sicherheitskontrollen zu leben“ auf die konkreten Lebensbedingungen in den seit mittlerweile einem halben Jahrhundert durch Israel besetzten Gebieten, die genau das sind, was Abbas sagt: ein Nährboden für Terrorismus. Man schaue sich gründlich die Lebensbedingungen der Palästinenser in der sog. 'Westbank' und insbesondere im Gazastreifen an, die Perspektivlosigkeit der Jugend, das schlichte materielle Elend und man versteht, welcher Hass dort in den Menschen gesät wird. Abbas hat allerdings nicht dem EU-Parlament und auch nicht Israel mit fortgesetztem Terrorismus gedroht und sie aufgefordert, sich dem Terrorismus zu beugen, sondern in seiner Rede vielmehr die französische Friedensinitiative vom Nahostgipfel in Paris (Juni 2016) ausdrücklich begrüßt und ebenso ausdrücklich die Anwendung von Gewalt und Terroranschlägen als politisches Mittel verurteilt.


    Der zweite Punkt ist jedoch der eigentliche Aufhänger - der Vorwurf, israelische Rabbiner hätten die Regierung Israels aufgefordert, Trinkwasser für palästinensische Gebiete zu vergiften. Das verdient in der Tat keinen Beifall und ist genau das, was man als antisemitischen Stereotyp bezeichnet. Man kann Abbas natürlich den Vorwurf nicht ersparen, dass er diese Anschuldigung ohne hinreichende Prüfung öffentlich ausgesprochen hat und damit das antisemitische Klischee des brunnenvergiftenden Juden bedient hat. Was die Dokumentation verschweigt ist, dass Abbas diese Anschuldigung nicht erfunden hat, sondern dass diese Meldung von der türkischen staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu stammte. Was erst etliche Minuten später ganz beiläufig zur Sprache kommt ist, dass Abbas selbst wenige Tage später ausdrücklich seinen Vorwurf zurücknahm: "Nachdem sich herausstellte, dass es die in der Rede erwähnte Forderung des Rabbiners nicht gegeben hat, möchte der Präsident betonen, dass es nicht in seiner Absicht lag, das Judentum oder das Jüdische Volk zu beleidigen und das aufgrund seines tiefen Respekts, den er allen Religionen und darunter auch dem Judentum, entgegenbringt."


    Im wesentlichen wird hier also Abbas' Rede auf ein antisemitisches Stereotyp reduziert. Mithin - so suggeriert jedenfalls die Dokumentation - ist Abbas ein Antisemit. Und Martin Schulz sowie die Parlamentsabgeordneten, die der Rede Beifall gespendet haben, folglich ebenfalls. Und da wir es ja gerade von vergiftetem Wasser hatten, wird nun nach einer kurzen Zwischeneinspielung Julius Streichers ein auf der Straße aufgenommenes Spontan-Interview mit MdB Annette Groth eingespielt (auf eine namentliche Vorstellung verzichtet man freilich). Und das nach der - offensichtlich rein rhetorischen - Frage: "Redet heute noch jemand von den Juden als Brunnenvergiftern?" Frau Groth sagt nun: "Ganz gezielt wurde die Wasserversorgung in Gaza kaputt gemacht." Sie spricht auch von Tonnen toxischer Substanzen, die ins Mittelmeer gelangen - allerdings nicht davon, dass Israel damit das Trinkwasser in Gaza vergiften würde. Wer sich ein wenig mit dem Problemen in Gaza auskennt, weiss denn auch, wovon Frau Groth da tatsächlich spricht, nämlich davon: https://www.ochaopt.org/theme/…2C-sanitation-and-hygiene. Das ist jetzt nur eine Webseite der UN - alleine mit den Suchbegriffen "water" und "gaza" lassen sich problemlos weitere Hintergrundinformationen in Fülle finden, auch israelische (für die, die die UN für eine antisemitische Organisation halten). Worauf sich das "Ganz gezielt wurde die Wasserversorgung in Gaza kaputt gemacht" von Frau Groth bezieht, kann man genauer hier sehen: https://www.ochaopt.org/sites/…es/GazaStrip_Water_V1.pdf - das Ganze als Folge der 'Operation Protective Edge' vor drei Jahren - nachdem die Schäden der Operation Sommerregen von 2006 noch nicht behoben waren. Aber das hat wohl nicht ins Konzept der "Dokumentation" gepasst. Da suggeriert man dem Zuschauer lieber, Frau Groth rede "von den Juden als Brunnenvergiftern". Das ist nicht nur simplifizierend - es ist diffamierend, manipulativ und demagogisch. Und das alleine in den ersten 6 Minuten der "Dokumentation".


    Übrigens - hier kann man sehen, was Frau Groth sonst noch so auf dem Kirchentag trieb und wieso man sie als antisemitisches role model auserkoren hat. Jetzt versteht man auch die Rolle Streichers und seiner Berufung auf Luther. Den gesamten Kirchentag der EKD als antisemitische Veranstaltung zu denunzieren, hat man sich dann allerdings wohl doch gescheut ...


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