Beiträge von mukti im Thema „Erschließung des Mitgefühls im Buddhismus“

    Sunu:


    Es macht natürlich Sinn, wenn ich einen Grund brauche um glücklich zu sein. Aber wenn ich nichts brauche, um glücklich und zufrieden zu sein, sondern es einfach bin...ohne einen konkreten Grund..Wem oder was sollte ich da dankbar sein?
    Die andere Seite der Medaille des Dankes, ist übrigends die Schuld..Wenn es keinen konkreten Grund gibt, dann kann ich auch nichts und niemanden die Schuld für meine schlechte Laune geben....
    Aber wozu denn dann überhaupt die schlechte Laune ? Es gibt doch gar keinen Grund ! :grinsen:


    Gut, wunschlos glücklich sein ist noch eine Stufe höher, die aber nicht gerade häufig anzutreffen ist. Ich bin ja schon froh wenn ich erstmal Dankbarkeit entwickeln kann, es passt mir ja immer wieder mal was nicht in den Kram. Was nicht bedeutet dass man da dann stehenbleiben sollte, nichts am Weg der Loslösung ist ein Selbstzweck für sich. Meine Sichtweise.

    Sunu:
    mukti:

    Man kann eine allgemein dankbare Haltung entwickeln, dann hat man auch an allem genug und begehrt nicht nach mehr. Z.B. beim Sonnenbrand ist man dankbar dass man überhaupt ein Zuhause hat wo man sich pflegen kann oder auch dabei unterstützt wird, usw.


    Dann macht das " weil" aber keinen Sinn mehr, wenn man sich sowieso freud. Dann brauche ich ja nichts konkretes mehr, was ich für meine Freude verantwortlich mache...ich freue mich dann einfach nur...


    Finde ich schon dass es Sinn macht, es gibt eben immer was wofür man dankbar sein kann. Was auch heilsamer ist als an allem was auszusetzen oder was anderes haben wollen, lässt sich auch bezeichnen als Bescheidenheit oder Genügsamkeit. Und die geht einher mit Zufriedenheit.


    Z.B. wenn das Essen grad nicht schmeckt, kann man dankbar sein dass man überhaupt was zu essen hat. Ist ja nicht bei Jedem so. Oder anstatt am Forum herumzunörgeln kann man dankbar sein dass es diese Austauschmöglichkeit überhaupt gibt :)


    Man kann eine allgemein dankbare Haltung entwickeln, dann hat man auch an allem genug und begehrt nicht nach mehr. Z.B. beim Sonnenbrand ist man dankbar dass man überhaupt ein Zuhause hat wo man sich pflegen kann oder auch dabei unterstützt wird, usw.


    Übrigens hat mich diese Frage unpersönlicher Dankbarkeit eine Zeitlang beschäftigt, auch wegen des kulturellen Unterschiedes zum Christentum, wo man ja für alles einem Gott dankt. Insofern habe ich sie als harmlos bezeichnet, es ist keine Fangfrage, Besserwisserei oder der Versuch eure schöne inspirierende Diskussion zu stören.

    Harmlose Zwischenfrage:


    Was meint ihr, kann man nur einer Person für etwas dankbar sein oder auch nur in einer bestimmten Situation Dankbarkeit empfinden? Z.B. wenn schönes Wetter ist und man glaubt nicht grade an einen Sonnengott, kann die Freude darüber nicht auch von dem Gefühl der Dankbarkeit begleitet sein? Ohne dass da jemand ist dem man danken würde.

    Doris Rasevic-Benz:
    mukti:


    Nicht völlig klar ist mir bei der ganzen Sache die Frage der Aufopferung, wie es z.B. im Christentum als besonders edel gilt, Leiden auf sich zu nehmen, um sie anderen zu ersparen, sogar sein Leben für andere hinzugeben. Ob das nicht nach buddhistischer Sicht doch ein Extrem ist.


    Dieses Ideal gibt es sicher auch im Mahayana.
    Wir kennen die Erzählung vom Bodhhisattva, der sich der Löwin als Nahrung hingab, damit diese ihre hungrigen Kinder füttern konnte.


    Ich sehe darin kein Extrem. Es ist nur eine extreme Situation.


    Interessant, im PK fällt mir jetzt keine entsprechende Stelle ein. Das Gleichnis von der Säge (M.21) bezieht sich zwar auch auf eine extreme Situation, ist aber nicht mit einem freiwilligen Opfer verbunden, indem man da ja von Räubern und Mördern überwältigt wurde.


    Zitat

    "Wenn auch, ihr Mönche, Räuber und Mörder mit einer Baumsäge Gelenke und Glieder abtrennten, so würde wer da in Wut geriete nicht meine Weisung erfüllen. Da habt ihr euch nun, meine Mönche, wohl zu üben: 'Nicht soll unser Gemüt verstört werden, kein böser Laut unserem Munde entfahren, freundlich und mitleidig wollen wir bleiben, liebevollen Gemütes, ohne heimliche Tücke; und jene Person werden wir mit liebevollem Gemüte durchstrahlen: von ihr ausgehend werden wir dann die ganze Welt mit liebevollem Gemüte, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem, durchstrahlen': also habt ihr euch, meine Mönche, wohl zu üben.

    Doris Rasevic-Benz:


    Mit eigenen Worten:
    Nicht ich bin wichtig. Nicht die Anderen sind wichtig. Wir sind wichtig. Ich kann keine Trennung sehen.


    Nun ist man sich von Natur aus ja selber am Allerwichtigsten, Um das abzubauen ist es sinnvoll, von der Beschäftigung mit sich selber weg zum anderen Hinzuschauen, auf seine Nöte und Bedürfnisse. Wobei das edelste Bedürfnis freilich das nach Erleuchtung bzw. Leidbefreiung ist.
    Wie du angemerkt hast, soll Selbstliebe dem Selbsthass entgegenwirken. Den Selbsthass sehe ich auch als eine Folge von zu starker Ich-Fixierung, er löst sich mit der Praxis von Mitgefühl oder Nächstenliebe auf, indem man mit sich umso zufriedener wird, je mehr man an das Wohl der anderen denkt.


    Nicht völlig klar ist mir bei der ganzen Sache die Frage der Aufopferung, wie es z.B. im Christentum als besonders edel gilt, Leiden auf sich zu nehmen, um sie anderen zu ersparen, sogar sein Leben für andere hinzugeben. Ob das nicht nach buddhistischer Sicht doch ein Extrem ist.

    Karnataka, ich finde deinen Standpunkt interessant, weil ich das mit der Selbstliebe nie so richtig verstanden habe. Ein früherer Lehrer von mir hatte zur Erinnerung einen Zettel über seinem Schreibtisch an der Wand hängen, wo in Großbuchstaben draufstand: "NICHT ICH SONDERN DU" Das hat mich beeindruckt.

    Werter Andreas,


    Andreas:

    Lieber mukti,


    mukti:

    Aber habe ich nicht bereits denn Egoismus überwunden wenn ich eine mitfühlende Haltung einnehme? Und die Haltung zeitigt augenblicklich positive Resultate, wie etwa das was manchmal als "in seiner Mitte sein" beschrieben wird, die beglückende Gewissheit, richtig zu sein und gewissermaßen eins oder einig mit allen. Die Verblendung behindert diese Überwindung, bzw. ist Egoismus ja Verblendung, begleitet von Gier und Hass.


    Jein, meiner Meinung nach. Denn "die beglückende Gewissheit, richtig zu sein" ist ja eine Form der Belohnung.


    Kann man so sehen - es lohnt sich zu überwinden. Aber das entspricht vielleicht nicht ganz dem Zen.


    Andreas:


    Ob es aber in diesem Sinne eine wirklich und vollumfänglich "Selbst-Lose Selbstlosigkeit" überhaupt geben kann, vermag ich nicht zu beantworten. :)


    Liebe Grüße
    Andreas


    Geht mir auch so. Theoretisch würde ich vorsichtig vermuten die entfalteten Brahmaviharas sind nicht Nibbana.


    Liebe Grüße auch

    Karnataka:


    Ich hoffe doch, dass unser Erfahrung bestätigt, dass es uns selbst guttut, wenn wir anderen etwas Gutes wünschen bzw. tun. Man kann vielleicht sagen, dass eine solche heilsame Bestätigung, Qualität von Glück zeitlich verzögert folgt und nicht unmittelbar einhergeht. Würde augenblicklich eine Art „Belohnung“ erfolgen, wäre eine selbstlose Gesinnung oder Tat auch gar nicht möglich. Ich muss zuerst meinen Egoismus überwinden und mich zu einer solchen Haltung oder Tat aufraffen, um erst dann zu empfinden, dass es auch für mich gut war.


    Aber habe ich nicht bereits denn Egoismus überwunden wenn ich eine mitfühlende Haltung einnehme? Und die Haltung zeitigt augenblicklich positive Resultate, wie etwa das was manchmal als "in seiner Mitte sein" beschrieben wird, die beglückende Gewissheit, richtig zu sein und gewissermaßen eins oder einig mit allen. Die Verblendung behindert diese Überwindung, bzw. ist Egoismus ja Verblendung, begleitet von Gier und Hass.

    Andreas:


    Loslassen. Lass' den Hass los, und der Hass läßt Dich los. Lass die Habgier los, und die Habgier lässt Dich los. Usw. Auch andersherum: praktiziere Mitgefühl, und Dir wird Mitgefühl widerfahren.


    Und das Blatt, dass den Baum fallen lässt, symbolisiert für mich gerade auch die Befreiung des Blatts. Da stellt sich doch die Frage: ist nicht der Mensch das Blatt, das zur Selbstbefreiung den großen, dicken, schweren und tief verwurzelten Baum seiner Gewohnheiten, "Einsichten", seines sogenannten Wissens und seiner fest verwurzelten Überzeugungen fallen lassen muss, um frei sein zu können? Auch und gerade, um die Brahmaviharas praktizieren (=leben) zu können?


    Liebe Grüße
    Andreas


    Ach so warum bin ich gleich darauf gekommen :roll:

    Karnataka:

    Vom DL gibt es eine schöne Argumentation, die davon ausgeht, dass es eine innere Ebene braucht, um glücklich zu sein. Wohlstand, Gesundheit und die bloße Gemeinschaft mit anderen Menschen sind sicher hilfreich, doch reichen sie nicht aus. Ein gesunder Mensch ist nicht automatisch glücklich usw. Die Frage, warum diese innere Ebene so sehr mit Mitgefühl zu tun hat, öffnet eine wissenschaftliche Themenbreite.


    Es ist aber auch einfach ein Erfahrungswert des eigenen Gefühlshaushaltes. Anderen Gutes tun und wünschen ist für alle Beteiligten eine heilsame und angenehme Erfahrung. Mithin ist es nicht nur ein Gefühl, sondern eine heilsame Gesinnung und Geisteshaltung. Das Gegenteil verhindert diese Qualität von Glück oder erzeugt Leid.


    So wird das wohl sein, ich habe damit auch kein Problem solange man sich nicht gegenseitig auf die Füße tritt.

    kal:
    mukti:

    Und gute Voraussetzungen hat zur endgültigen Befreiung.


    Siehst Du die Absicht?


    Ich würde diese Absicht sogar gerne beständig und immerfort sehr stark bei mir sehen. Am Besten wäre sie so stark wie beim Buddha, der alles zurückgelassen hat auf der Suche nach Befreiung.

    kal:
    mukti:


    Mir scheint eher dass Mitgefühl das Ego reinigt anstatt es zu stärken. Reinheit oder Sittlichkeit ist eine Bedingung für rechte Sammlung und Weisheit. Also erstmal muss man ein guter Mensch werden und dann weiß man auch dass man das ist. Und gute Voraussetzungen hat zur endgültigen Befreiung.


    Dann kann der Mensch sich brüsten und von sich behaupten ein guter Mensch zu sein, sich über die anderen erheben die noch nicht so mitfühlend sind und sie gar belehren. Warum etwas besonderes sein wollen? Ein guter Mensch weiss nicht, dass er ein guter Mensch ist.


    Mitgefühl löst auch den trennenden Stolz auf und eine Belehrung in dieser Sache ist mir jedenfalls willkommen.

    kal:

    Oftmals kommt es mir vor, dass Mitgefühl nicht echt ist, sondern eher eine Art Utilitarismus darstellt. Anderen Helfen ist gut, aber um selber sein Ego damit zu stärken, gutes Karma anhäufen zu wollen oder selber Befreiung finden als Beweggrund ist falsches Mitgefühl. Das würde aber niemand sich eingestehen, nicht mal eine Mutter Theresa.


    Mir scheint eher dass Mitgefühl das Ego reinigt anstatt es zu stärken. Reinheit oder Sittlichkeit ist eine Bedingung für rechte Sammlung und Weisheit. Also erstmal muss man ein guter Mensch werden und dann weiß man auch dass man das ist. Und gute Voraussetzungen hat zur endgültigen Befreiung.
    Jedenfalls ist das die Sichtweise die mir einleuchtet.

    jianwang:

    @Multi
    Das "Bodhisattva-ideal mag richtig sein.


    Doch habe ich so meine Probleme mit "transzendenten" Wesen inklusive ihrer den Menschen übertreffenden Fähigkeiten.
    (Weswegen ich lange den Mahayana als "theisierten" Buddhismus ablehnte.)


    _()_


    Jedenfalls ist die vollständige Entwicklung der Brahmaviharas etwas das über das gewöhnlich-Menschliche hinausgeht. Und es zwingt mich nichts darauf zu bestehen dass der Mensch das höchstentwickelte Wesen in diesem unergründlichen Weltall ist.

    void:


    Aber ist der Wunsch nach Wohl und nicht nach Leiden, egal ob für einen selbst oder für andere, letzendlich auch eine Verblendung? Wahrschienlich ist das der Punkt, an dem sich Mahayana von den älteren Schule unterscheidet.


    Aber ist das Bodhisattva-Ideal des Mahayana nicht auch frei von Wunsch nach Wohl, indem es auf die endgültige Befreiung abzielt? Im Theravada führen die Brahmaviaharas für sich alleine nur eben zu Brahma, bzw. dieser Ebene des allumfassenden Wohls. Das Mitgefühl des Buddha ging aber noch darüber hinaus, indem er die Lehre der Befreiung verkündet hat. Was ja auch das Motiv im Mahayana ist, nur eben ohne Parinbbana anzustreben um anderen immer wieder zur Befreiung verhelfen zu können.