Beiträge von Doris im Thema „Erschließung des Mitgefühls im Buddhismus“

    jianwang:

    Mein Meister sagte immer, wir müssten ein "warmes Gefühl für euch" beim Sitzen entwickeln.
    Ich denke, das deckt sich mit Euren Vorstellungen.


    _()_


    Ja, so sehe ich das auch.
    Durch diese Wärme, entspannt man sich. Das öffnet der Innenschau die Tür. Und tut dann auch weniger weh. Sowohl körperlich als auch psychisch.


    Wenn ich mir gegenüber Wohlwollen entwickle, dann fällt es mir leichter, mich meinen Unzulänglichkeiten gegenüber zu öffnen. Denn nun darf ich mir meine Fehler eingestehen, ohne dass ich Angst haben muss, ungeliebt zu sein.


    Ich stelle mir – oh weh, eine Ferndiagnose! – jemanden wie Trump vor, den ich im Innersten für zutiefst ungeliebt vermute. So jemand kann nicht um Entschuldigung bitten, kann keine Fehler korrigieren, kann sich nicht um die Bedürfnisse Anderer sorgen … kann auf nichts verzichten, dass sein Ego gefährden kann. Denn dann bräche das Ungeliebte aus ihm heraus und er würde in sich zusammenfallen. Aber jemand, der sich liebt, und damit alle, der kann das. Denn er weiß um seine Fehlbarkeit und Schwäche, die sich nicht von der Fehlbarkeit und Schwäche der Anderen unterscheidet. Sich selbst liebend, liebt er die Anderen und die Anderen liebend, liebt er sich selbst.


    Für mich ist das jetzt keine schöne Sonntagspredigt, sondern ein Resultat meiner eigenen Erfahrung. Im Grunde kennen die Meisten das auch: Wie schön empfinden wir die Welt, wie liebevoll betrachten wir die Menschen, wenn wir glücklich verliebt sind, uns also uneingeschränkt angenommen fühlen. Wie gruselig empfinden wir die Welt, wenn wir verlassen worden sind. Ein mit sich selbst unglücklicher Mensch befindet sich im Dauer-Liebeskummer. (Es ist an dieser Stelle nicht nötig darauf hinzuweisen, dass Verliebtheit eine Art Drogenrausch ist. Ich denke, Ihr wisst schon, wie das gemeint ist. :D )

    mukti:


    Nicht völlig klar ist mir bei der ganzen Sache die Frage der Aufopferung, wie es z.B. im Christentum als besonders edel gilt, Leiden auf sich zu nehmen, um sie anderen zu ersparen, sogar sein Leben für andere hinzugeben. Ob das nicht nach buddhistischer Sicht doch ein Extrem ist.


    Dieses Ideal gibt es sicher auch im Mahayana.
    Wir kennen die Erzählung vom Bodhhisattva, der sich der Löwin als Nahrung hingab, damit diese ihre hungrigen Kinder füttern konnte.


    Ich sehe darin kein Extrem. Es ist nur eine extreme Situation.

    Zitat

    Bezogen auf die Meditation folgen aus der unverständigen Selbstmitgefühls-Anstrengung Verspannungen, Konzentrationsprobleme, „juckende Nasen“ und so weiter. Sie zeigen an, dass etwas nicht stimmt. Ich finde es empörend, wenn ich lese, dass selbst anerkannte Lehrer den Selbstmitgefühls-Blödsinn verzapfen. Ausgerechnet den einzigen beschissenen Fehler, den man bei dieser simplen Sache Mitgefühl machen kann??? :evil:


    Selbst-Mitgefühl ist nicht nur ein paradoxes Wort, sondern beinhaltet das größte Missverständnis. Für die Meditation Liebevoller Güte ist das Bemühen, die Selbstbezogenheit ein bisschen zu lockern, entscheidend. Dies kommt der buddhistischen Auffassung vom Ich nahe, denke ich. Folge ist, dass sich unser Geist mit Wohlbefinden und sogar Glück bedankt.


    Hmm …
    Von meinen tibetischen Lehrern habe ich immer wieder gehört, dass sie erstaunt sind, wie sehr im Westen die Menschen mit Selbsthass vergiftet seien. Wohingegen die Tibeter eher zur Selbstverliebtheit neigen würden.
    Weil ich diesen Selbsthass auch beobachte, kann ich nicht ganz mit Dir übereinstimmen.
    Ich bin davon überzeugt, dass jemand, der sich hasst, mit sich selbst unzufrieden ist, dieses auch auf andere ausweitet. Manchmal wird das durch große Hilfsbereitschaft und Aufopferung überspielt. Aber es kommt immer der Punkt, an dem das Kartenhaus zusammenbricht.


    Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass die erste Liebe mir selbst gelten muss. Nicht, weil die anderen egal sind oder aus irgendwelchen egoistischen Erwägungen heraus, sondern weil mein Heilsein Anderen zugute kommt. Wie ich zu mir stehe, so stehe ich zu der Welt. Das Ja zu mir ist das Ja zur Welt. Mein eigenes Heilsein kann auf verschiedene Weisen erreicht werden: Indem ich mich beginne um mein Wohl zu kümmern, mein Leben in die Hand nehme, meine Grenzen kennenlerne, meine Verletzungen usw. Gleichzeitig kann ich mich Anderen zuwenden. Für wen welcher Schwerpunkt im Vordergrund steht, ist individuell. Wahrscheinlich wechselt man auch immer, je nach Bedarf und Situation.
    Ich spiegle mich im Anderen und der Andere spiegelt sich in mir. Menschen, die sich sehr hassen, und die das durch Helfen überspielen wollen, kompensieren nur. Eigentlich wollen sie sich selbst helfen, und lenken davon ab. Damit gehen sie der Sache nicht auf den Grund.


    Wenn ich sage, dass die erste Liebe mir selbst gelten muss, dann behinhaltet es auch die Möglichkeit, durch die Zuwendung zu Anderen, sein eigenes Leiden in den Hintergrund treten zu lassen, Distanz zu gewinnen. Damit ermöglicht man sich selbst einen anderen Zugang zu seiner Selbstsicht und kann Kraft schöpfen, sich auch (und ich finde das sehr wichtig) als wertvoll und gut erleben. Das gibt immer Rückkoppelungen und ist ein sich selbst verstärkendes System.
    Ich weiß nicht wo es steht, aber sinngemäß ist es für mich so:
    "Indem ich auf mich achte, achte ich auf die anderen."
    Für mich hat das eine große Tiefe mit vielen Aspekten.


    Mit eigenen Worten:
    Nicht ich bin wichtig. Nicht die Anderen sind wichtig. Wir sind wichtig. Ich kann keine Trennung sehen.

    Blatt ist dann tot und bald auch der Baum.
    Wenn da nicht der Frühling wäre …


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    kal, merkst Du nicht, dass Du auch nur mit Wissen hantierst, dass Du bei accinca als nutzlos monierst? Bei Dir ist es halt "Essenz des Zen".

    jianwang:

    Doris
    Ich halte Euch nicht für dumm, doch versteht ihr es vielleicht "nur" intellektuell. Was ich akzeptiere.
    _()_


    Du bildest Dir ein zu wissen, wie andere Menschen etwas verstehen, und hältst das für Verstehen.
    Ah ja …


    Zitat

    Du redest von den Zielen des Menschen in materieller oder emotionaler Hinsicht. Es könnte aber sein, das jemand sagt: Du verschwendest Deine Zeit.


    Wie kommt ein Anderer dazu zu meinen, er wisse, dass ich meine Zeit verschwenden würde? Glaskugel?

    jianwang:

    Doris
    Deswegen übe ich nicht ... es ist, wie Kal so schön schrieb, ein "Nebenprodukt"


    _()_


    Hmmm ... eigentlich sitze ich weder wegen mir noch wegen des Buddhismus ... nur um zu sitzen
    :grinsen: (müsst ihr nicht verstehen)


    Es ist nicht nötig uns für so dumm zu halten.


    Für die Anderen spielt es keine Rolle, warum Du sitzt und ob Du das schon immer so getan hast. Chapeau, wenn das so sein sollte!
    Ich sitze, weil ich schlecht im Stehen meine Arbeit machen kann.


    Für mich ist das Nebenprodukt eine wie auch immer geartete Befreiung, Erleuchtung … oder wie immer Du den Schmonz nennen willst. Das ist nicht mein Ziel. Meine Ziele liegen immer direkt vor der Nase und entstehen immer neu. Ich bin zum Glück kein Zenni und darf alles mit Sinn und Zweck machen, und sogar "Ich" sagen und meinen. Weil es wurscht ist. :D

    jianwang:

    void
    Wenn man mich fragt, dann ist es eine Verblendung, wenn diese Wünsche auch auf die "Verbesserung" des Selbst hinzielen.


    "Helfen ohne helfen zu wollen ist wahres Helfen."
    Dann (und in meinem Verständnis nur dann) kann ein Handeln, denn Hilfe bedingt Handeln, ohne karmischen Einfluss sein.


    Wenn ich mal davon ausgehe, dass jemand deshalb übt, um "alle Wesen" zu befreien, dann kann er nicht eines ausschließen, sich selbst.
    Alles hängt mit allem zusammen, alle Wesen sind miteinander verbunden. So jedenfalls erlebe ich die Welt. Wenn es mir gut geht, dann richte ich zumindest keinen Schaden bei anderen an. Womöglich strahle ich sogar etwas aus, was meiner Umgebung gut tut. Also sorge ich für mein Wohl. Auch weil ich damit niemanden belaste, so dass Energien für andere frei werden.


    Der Mensch, auf den ich den größten Einfluss ausüben kann, bin ich. Da fange ich an.
    Natürlich möchte ich auch, dass es mir selbst gut geht. Schließlich erfahre ich an mir selbst Leiden am unmittelbarsten. Btw.: nicht umsonst gibt es Selbsthilfegruppen. Von da aus gehend, kann ich auch Mitgefühl für andere entwickeln. Um Mitgefühl zu haben, braucht es bestimmte Bedingungen: Unsere Anatomie muss etwas haben, das dies ermöglicht. Haben wir. Wir können nachempfinden, uns einfühlen, richtig mitleiden (ja, ich finde letzteres wichtig). Wenn ich Mitgefühl empfinde, dann nur, weil ich es empfinde. Es schwebt nicht etwas Unpersönliches, Geisterhaftes im Raum.


    Irgendwann findet dann auch mal "Helfen ohne helfen wollen" statt, und auch dazwischen immer wieder mal. Das entwertet meiner Meinung nach alle anderen Bemühungen in keinster Weise.