Beiträge von Sunu im Thema „Mythen“

    Ich denke schon, dass man die Linie dort ziehen kann...die Übergänge sind ja fließend und nicht abrut. Deswegen kann man auch das Übermächtige noch mit hinein nehmen.Keine Frage. Ich tu mich mit dem klaren Eingrenzen sowieso immer recht schwer. Mein Gedanke dazu war halt, dass es für meinen Geschmack noch nicht ganz zu einem Mythos reicht, solange da noch nicht eine bewusstere Verehrung stattfindet, bzw. deutlich wird. Das wäre dann für mich der Fall, wenn so ein noch offensichtlicherer Kult darum entsteht... Z.b. alle frischgebackenen Eltern einer bestimmten Gruppe treffen sich am 3. Vollmond, um ihren Babys eins auf den Hintern zu hauen, damit der Klatschlaut die bösen Geister vertreibt, die sich sonst der Kinder bemächtigen würden.
    Aber wie gesagt, dann ist die Grenze nur etwas enger gefasst... Das muss man natürlich nicht, sondern kann den Rahmen natürlich auch großzügiger gestalten. Die tolle, gelungende Liste tangiert das ja so oder so nicht :D ...

    Auf der einen Seite kann man sagen : "Das Babys keine Schmerzen spüren ist ein Mythos".
    Da weiß jeder was gemeint ist...Dann hätte man aber auch sagen können : " Das Babys keine Schmerzen fühlen ist falsch."
    Also in dem Sinne von falsch bzw. wissenschaftlich wiederlegt. In diesem Sinne benutze ich das Wort Mythos hier jetzt aber nicht.
    Es fehlt da schon so ein symbolisches oder "Heiliges" Element und damit die Tragweite..und eine richtig/ falsch , spielt da eigentlich keine Rolle beim Mythos....
    Was oft vergessen wird, ist auch, dass ein Mythos auch "echtes" Wissen beinhaltet, unabhängig davon, ob das ein Aussenstehender als falsches Wissen betrachtet oder nicht. Für die die an ihn Glauben ist er echtes " Wissen" und für die die nicht daran glauben eben nicht. Der Artikel den Sudhana verlinkt hat, weist immer wieder darauf hin, dass Mythen zur Legitimation einer Autorität dienen... Es gibt aber auch in eher antiautoritären Gesellschaften Mythen. Ich denke weil sie eben auch, dem Wissenstransfer dienten, bzw. der Überlieferung. Dinge die das Unterbewusstsein ansprechen, vergisst man nicht so schnell und Schrift gab es halt nicht immer und überall. Bei einer wissenschaftlichen Betrachtung, wird der Wissens Aspekt vielleicht schnell übersehen.... weil jedes andere, außer das Eigene Wissen, ja kein " echtes" Wissen ist.

    Ich kenne das in Form einer Art "Memplex". Da wird zu einem Kind z.B. gesagt :" Das tut man nicht!." Wenn das Kind dann fragt warum man das nicht tut, gibt es aber eigentlich keine Begründund...außer eben:" weil man das nicht macht".
    Das sind dann Gedanken bzw. Regeln, die einfach unreflektiert weitergegeben werden und die dann gar nicht mehr in Frage gestellt werden bzw. in Frage gestellt werden dürfen. Manchmal werden diese Memplexe über Generationen hinweg weitervermittelt...vlt. auch nur innerhalb einer Familie... Diese mögen ursprünglich auch einen Sinn gehabt haben, der dann aber schon längst verloren gegangen sein kann. Ich würde das jetzt nicht als Mythos bezeichnen wollen, da dort irgendwie die Tragweite fehlt...etwas Transzendentes hat es aber schon...fast wie so eine Art unbewusste Ahnenverehrung.

    Mhh, die Idee war ja...dass sich bei einem Mythos faktische Aspekte ( Wissenschaft), Glaubensaspekte u. Riten ( ich nannte es den religiösen Aspekt) und schließlich gesellschaftliche Aspekte ( Staat) vermischen. Daraufhin sagtest du ja, dass da noch etwas fehlt....
    Also Abhängigkeit....paradox/ transzendentes und rituelles .... Aber ist das nicht durch das Religiöse bzw. durch das Gesellschaftliche schon abgedeckt?

    Ich glaube, im Prinzip hängen die genannten Punkte zusammen und ich würde 2 und 3. als Teil des Religiösen sehen. Eine gewisse Abhängigkeit besteht ja schon, wenn jemand Teil einer Gesellschaft ist, den das kann er nur in Abhängigkeit zu einer Gesellschaft sein, die es wiederum braucht um einen Mythos zu begründen ( oder meintest da etwas anderes mit Abhängigkeit?).
    Das Rituelle, nicht religiöse kann natürlich auch für sich schon wirken... Wobei ich mir beim Junkey gedacht habe, ob die Droge selbst nicht schon so eine Art Gott darstellt bzw. als eine Art Medium dient, für einen Rausch, der ja auch was irgendwie was transzendentes hat...Aber wie auch immer, Rituelles kann alleine schon wirken....sowie Medizin für sich auch wirken kann...nur kann es zusammen eben noch effektiver wirken. Was kann wohl passieren, wenn auch die Droge weggelassen wird und das ganze Ritual mit einem Placebo durchgeführt wird ?

    Doris Rasevic-Benz:

    Du vermutest nur, dass sich die Wirksamkeit wegen der begleitenden Umstände steigert.
    Und schaffst damit einen Mythos.


    Genausogut könnten es aber auch genetische Faktoren sein, die dafür verantwortlich sind. Mittlerweile ist es bekannt, dass Frauen anders auf Medikamente reagieren und es auch Unterschiede in Wirksamkeit und Verträglichkeit gibt, je nachdem welcher "Rasse" man zugehört.


    Übrigens ist das ärztliche Setting in Europa ebenso wirksam als Ritual. Das Krankenhaus, die Bekleidung, der Name der Medikamente, die Geräte usw. All das verstärkt den Heilungsprozess auch auf der psychologischen Ebene. Ist schon längst erforscht.


    Ja wenn es erforscht ist, dann habe ich ja mit meiner Behauptung keinen Mythos erschaffen...
    Das Beispiel mit dem Arzt ist ein gutes...da vermischt sich im Prinzip das Wissenschaftliche mit dem Rituellen bzw. fast religiösen Aspekten. Es gibt sicher Ärzte die erfolgreicher sind im Behandeln von Krankheiten als ihre Kollegen, allein weil sie dieses Rituelle perfekt beherrschen...Ruhe und Kompetenz ausstrahlen usw. Vlt. verschreibt ein Kollege genau die gleichen Medikamente...hinterlässt aber einen inkompetenten, unsicheren Eindruck beim Patienten...Sicher nicht förderlich.
    Da bekommt Wissenschaft schon etwas mythisches, indem sie sich mit dem Glauben vermischt...bzw. es macht deutlich wie der Erfolg der Wissenschaft auch vom glauben abhängt. Ein Arzt kann ja quasi sogar zu einem Mythos werden...
    Ich denke da z.b. an Dr. Müller- Wohlfart :)... Der sitzt gefühlt immer auf der Bank bei den wirklich "wichtigen" Fußballspielen und ist eine Berühmtheit..... Wenn sich ein Spieler nach einem Foul auf dem Boden lümmelt, rennt er mit seinem Köfferchen los..immer und immer wieder das selbe Bild....er tastet dann das Bein ab, mit immer dem selben, fachkundigen Blick....packt das Eisspray aus und scheint damit sogar Knochenbrüche heilen zu können :D ....Der spieler spingt auf....humpelt noch ein zwei Schritte und sprintet los.... Im Prinzip hätte das jeder Sanitäter gekonnt.... aber wahrscheinlich eben nur im Prinzip .... :lol:

    Danke für den tollen Artikel erstmal.


    Dieser und dein Beitrag bringt mich auf einen Gedanken.
    Ein Mythos braucht also einen Fakt, irgendwas real beobachtbares...dann wird es ritualisiert und schließlich kommt noch der gesellschaftliche Aspekt der gemeinsamen Identifikation dazu.
    Im Prinzip vermischen sich also wissenschaftliches, rituelles ( religiöser Aspekt) und gesellschaftliches ( Staat) zu einem Mythos miteinander.
    Bzw. in ursprünglichen Kulturen gab/ gibt es diese Trennung ja nicht, weshalb es da ja auch mythologisch zu geht.
    Man kann davon ausgehen, dass das auch tief im Menschen verwurzelt ist, schließlich lebte Mensch viele tausende Jahre ohne eine moderne, klare Gewaltenteilung... Das Mythologische ist so gesehen fast schon ein menschliches Grundbedürfnis.
    Das ganze kann ja auch entsprechend sehr sehr wirkungsvoll sein.
    Beispiel : Ein Stammesmitglied erkrankt und wird von einem Schamanen mit Heilkräutern behandelt, die für sich schon wirksam sind ( Wissenschaftlicher Aspekt).... Die Gabe der Kräuter geschieht innerhalb eines Rituals, was zusätzlich enorm verstärkend wirkt bezüglich der Heilkraft ( religiöser Aspekt/ Glaubensaspekt)..... Das ganze Ritual ist aber gleichzeitig auch ein Teil der Kultur des Stammes...ggf. wirken alle oder ein auserwählter Teil des Stammes beim Ritus mit...was dem Erkranken zusätzlich einen starken halt und somit durchhaltevermögen vermittelt.


    Die Wissenschaftler, die wirksame, pharmakologisch nutzbare Stoffe im Regenwald suchen, entdecken den traditionellen gebrauch der Pflanze xy, beim Stamm xy. Synthetisieren den wirsamen Stoff und wundern sich, dass dieser bei weitem nicht so gut hilft wie erhofft ( wie beim Stamm xy beobachtet).... Sie machen ggf. Fehlende Synergieeffekte mit anderen unbekannten Pflanzen dafür verantwortlich, die die Eingeborenen zu sich nehmen usw.... Den wirksamen Mythos als Ganzes, sehen sie dabei nicht. Naja, zumindest haben sie ihn noch vor einigen Jahren nicht wirklich beachtet, dass hat sich inzwischen aber natürlich auch schon sehr geändert... Nur wie soll so eine Entdeckung in unserer Gesellschaft dann genutzt werden ??? Das passt halt so überhaupt nicht in das Konzept eines "echten" Pharmakologen..bestenfalls ist das ein Fall für den Psychologen, aber was hat der wiederum mit Infektionskrankheiten oder Krebs usw. zu tun ??? Also gibts die Chemiekeule..... Wäre ja auch lustig sonst....ich stell mir gerade Ärzte und Pflegepersonal vor, die trommelnd ums Krankenbett Ringelreihe tanzen.. :grinsen:



    Ja es gibt da kein schwarz/ weiß....
    Jedoch muss ich sagen, dass das KZ Beispiel auf Basis eines Fruchtbarkeitskultes ja kaum durch eine " echte" Mythologie zustande kommen kann. Da werden höchstens Teile einer Mythologie aus einer Kultur herausgenomen, die als Vorwand zum Mord herhalten müssen.
    Es gibt aber natürlich auch solche Mythologien, die großen Schaden anrichten, die vlt. schon dazu geführt haben, das ganzen Kultur ausgelöscht wurden. Sowas kann die Wissenschaft aber auch. Überhaupt sind die übergänge da fließend...die Wissenschaft von heute, ist vlt. die Mythologie von morgen.



    Vater Himmel, Mutter Erde, Kinder des Waldes....es gibt auch unzählige Mythen in diese Richtung. Da spielt das Ganzheitliche denken eine Rolle....in einigen solcher Kulturen es nicht mal Wörter für Besitz ...mein...dein ... Usw.


    Hingegegen wird in der Wissenschaft oft zerspalten ... Da guckt der eine Wissenschaftler ggf. nur auf den Specht, nur auf den Baum und nur auf die Ameise. Hier der Mensch, dort die Natur, statt den Menschen als Teil der Natur zu sehen...Die ganzheitliche Perspektive ist eher ein jüngere Disziplin...ökologie z.b. rückte da recht spät in den Fokus.....
    Einige Mythen wiederum zeugen davon was passiert, wenn der Mensch gierig und undankbar gegenüber seiner Umwelt ist... Das bestrafen die Geister des Waldes usw.... In Mythen stecken oft Jahrhunderte lange Erfahrungen eines Volkes...

    Ellviral:

    Aus einem Mythos wird Leiden wenn ein Dogma, eine sicher Wahrheit, gefunden werden will. Das Dogma von Außen war nie mein Problem, der Glaube an ein Dogma in mir durch mich gefunden, geglaubt, hat viel mehr Leiden erzeugt.


    Der Prozess des "einbläuens" von Dogmen von " außen", kann mitunter aber auch leidvoll sein...

    Doris Rasevic-Benz:
    Sunu:

    Was ist dann kein Mythos ? Aus einer buddhistischen Perspektive heraus, wäre die Möglichkeit des Auffindens von absoluten Wahrheiten ein Mythos...
    Was bleibt da noch ?
    Mythen sind innere Landkarten die der Orientierung dienen und die sind abhängig Entstanden...bedingt durch die jeweiligen Lebensumstände, die Umwelt usw. . Ein Mythos der existiert ist bezogen auf sein funktionieren wahr....sonst wäre er nicht existent. Alles was zu einem jeweiligen Zeitpunkt existiert, hat seine Berechtigung...der Beweis dafür ist, dass es existiert.


    Eben.


    Dann bliebe noch der Leidaspekt. Ab wann wird durch einen "Mythos" leid erzeugt, welches vermeidbar wäre ? Ich denke vorallem dann, wenn dogmatische Ansichten hinzukommen, die einem bestimmten Mythos den Stellenwert einer absoluten, unveränderlichen Wahrheit zuschreiben...


    Was ist dann kein Mythos ? Aus einer buddhistischen Perspektive heraus, wäre die Möglichkeit des Auffindens von absoluten Wahrheiten ein Mythos...
    Was bleibt da noch ?
    Mythen sind innere Landkarten die der Orientierung dienen und die sind abhängig Entstanden...bedingt durch die jeweiligen Lebensumstände, die Umwelt usw. . Ein Mythos der existiert ist bezogen auf sein funktionieren wahr....sonst wäre er nicht existent. Alles was zu einem jeweiligen Zeitpunkt existiert, hat seine Berechtigung...der Beweis dafür ist, dass es existiert.

    Lucky:

    Hallo,
    ich sehe das etwas differenzierter als void. Ich denke, Buddha stand solchen Dingen nicht skeptisch und negativ gegenüber.
    So wie ich die Lehren Buddhas bis jetzt erlebt habe, wird doch immer wieder betont den Dingen offen gegenüber zu stehen. "Sei ein Kind der Illusion". Also kann ich prinzipiell nur schwer gegen Dinge eine negative oder skeptische Haltung einnehmen! Ich lerne sie ja jedes mal aufs neue kennen ohne Vorbehalt.
    Ich kenne beide Seiten aus eigener Erfahrung. Den extrem rationalen und realistischen Typ und den mystischen Typ. Ich denke, es tut jedem gut in seinem Leben etwas Mystik und Mythos zu bringen. Vor allem, dem extrem rationalen und realistischen Typ. Das entspannt.
    Würde man Mythen abschaffen, wo hält man sich dann fest wenn die rationale und realistische Welt zusammenbricht?


    Grüße


    Ja, der mittlere Weg eben.... Um ihn zu veranschaulichen nutzte Buddha sogar das Gleichnis einer Laute, deren Saiten weder zu straff noch zu locker gespannt sein dürfen, damit sie einen brauchbaren Ton von sich gibt.
    Auf die Idee würde wohl kaum jemand kommen, der der Musik extrem skeptisch gegenüber steht.

    Spock:

    Man könnte den tib. Buddhismus teilweise genauso als Aufklärung bezeichnen, weil sie (im besten Fall) sich ihrer selbst bewusst sind und dafür Techniken benutzen oder entwickelten eben weil es kein reiner Zufall is. Das hat nichts damit zu tun ob es überliefert is oder besonders blumig, das ist für mich noch kein Mythos.


    Ja, nur hat man das vor einiger Zeit noch anders gesehen. Weil man die Funktion dieser so genannten Mythen nicht kannte. Viel kam erst mit der Entwicklung der Psychologie bzw. hat zum Verständnis beigetragen. Da erkannte man dann den Wert der hinter diesen "Mythologien" steckt....der sie dann entmythologisierte.Aber wer mag sich da heute noch anmaßen zu sagen, was ein " echter" Mythos ist und was nicht ? Zumal man z.T. im stande ist, ein ganzes System zum Zusammenbruch zu bringen, wenn man an einem Schräubcen dreht, dessen Funktion man gar nicht kennt.



    Diese Art der Überheblichkeit ala " Mythen gehören abgeschafft", hat schon ganze Kulturen zu Grunde gerichtet.
    Auf der einen Seite die "Primitiven", auf der anderen Seite die " Hochentwickelten, Wissenden". Dabei war es bestimmt sogar irgendwie gut gemeint, wenn man versucht hat die " Primitiven" von ihren Mythen zu befreien. Aber das Resultat war, dass alles aus dem Gleichgewicht geraten ist... Einige dieser so zerstörten Kulturen ,hätten mit ihren "primitiven Mythen" vlt. noch Jahrtausende weitermachen können, ohne etwas kaputt zu machen. Schaffen wir das mit unserem modernen "Mythos von der Wissenschaft" auch? Welcher Mythos ist da der Primitive ? Bzw. was funktioniert wirklich nachhaltig und was ist bloß ein Mythos ?