Beiträge von Doris im Thema „Mythen“

    Du vermutest nur, dass sich die Wirksamkeit wegen der begleitenden Umstände steigert.
    Und schaffst damit einen Mythos.


    Genausogut könnten es aber auch genetische Faktoren sein, die dafür verantwortlich sind. Mittlerweile ist es bekannt, dass Frauen anders auf Medikamente reagieren und es auch Unterschiede in Wirksamkeit und Verträglichkeit gibt, je nachdem welcher "Rasse" man zugehört.


    Übrigens ist das ärztliche Setting in Europa ebenso wirksam als Ritual. Das Krankenhaus, die Bekleidung, der Name der Medikamente, die Geräte usw. All das verstärkt den Heilungsprozess auch auf der psychologischen Ebene. Ist schon längst erforscht.

    void:


    Ich glaube das sind Familien, wo die Vergangenheit viel Einfluss auf die Gegenwart hat, und so Rollenmodelle im Raum stehen. Also irgendwelche Ahnen, denen man sich würdig erweisen muss. Firmengründer, denen man dankbar sein muss. Widerstandkämpfer in deren Fusstapfen man treten muss. Oder irgendwelche anderen Leute auf die man sehr stolz sein sol oder denen man dankbar sein soll, oder?


    Ich kenne keine Familie, in der das anders wäre. Ich kenne allerdings nur eine begrenzte Auswahl an Familien :grinsen:


    Es gibt auch den negativen Mythos. Also die Geschichten mit dem Schwarzen Schaf. Die Geschichten, die gar nicht erzählt werden, wo eine Lücke klafft. Die sind nicht weniger virulent. In Europa haben viele Familien noch eine offene Geschichte aus der dunklen Zeit vor 70 und mehr Jahren. Manche wird laut erzählt, manche durch Schweigen und manche durch neurotische Verhaltensweisen und Krankheiten.


    Ich glaube, dass der Mythos nicht einfach eine lügenhafte Heldengeschichte ist, sondern durch jede Art von Erzählung entsteht. Wenn z.B. ein Jugendlicher ein Bild von seinem Vater aus den 70ern sieht, mit Motorrad, Helm, im Kreise seiner damaligen Clique, dann entsteht schon ein Bild im Kopf, das den Keim des Mythos in sich trägt. Selbst wenn dann der Vater erzählt, dass das Foto während der Zeit seiner Ausbildung als Bürokaufmann entstanden ist, könnte so ein Gedanke von "Cool!" sich durchaus festsetzen und den Mythos von einem Vater als Easy Rider erschaffen.

    jianwang:

    Doris
    Ja - und auch ich hatte im Anfang diesen "Erlösungsglauben"


    _()_


    Ist jetzt off topic …


    Dazu hatten wir sicher schon mindestens einen Thread hier. Aber immer wieder interessant zu ergründen, warum der Einzelne sich dem Dharma zugewandt hat.

    void:


    In so einer Situation kommt dem Mythos die Funktion zu, den Menschen zu zähmen und zu erziehen: Ihn sich als Teil einer Familie fühlen zu lassen und auf die Aufrechterhaltung der gemeinamen Ordnung auszurichten. Ich sehe Rituale als so eine Ausrichten. So wie ja auch heute kaum ein Armee auf das Exerzieren verzichtet: Die Gruppe soll wie aus einem Guss zusammenarbeiten. Ich habe gehört, dass es für Veteranen auch eine riesige emotionale Erfahrung (Erhabenheit) ist, sich als Teil so eines Kolletiv-Ichs zu fühlen.

    *
    Mir fällt dazu spontan ein, wie es aussieht, wenn Rituale ins Extrem getrieben werden und was sie bezwecken. Nämlich bei Zwangsneurosen. Die Rituale haben ja auch eine beruhigende, ordnende Wirkung auf die Erkrankten. Da wird auch der Versuch unternommen, was zu zähmen, zu kontrollieren, beherrschbar zu machen.




    *Hervorhebung von mir

    Sunu:

    Was ist dann kein Mythos ? Aus einer buddhistischen Perspektive heraus, wäre die Möglichkeit des Auffindens von absoluten Wahrheiten ein Mythos...
    Was bleibt da noch ?
    Mythen sind innere Landkarten die der Orientierung dienen und die sind abhängig Entstanden...bedingt durch die jeweiligen Lebensumstände, die Umwelt usw. . Ein Mythos der existiert ist bezogen auf sein funktionieren wahr....sonst wäre er nicht existent. Alles was zu einem jeweiligen Zeitpunkt existiert, hat seine Berechtigung...der Beweis dafür ist, dass es existiert.


    Eben.


    Kein Problem.
    Ich denke aber, Du hast mich nicht ganz verstanden.


    Zitat

    Ich will nicht "entkommen", weil das nicht geht, da ich ein Mensch bin und bleibe. Und genau dieses "offen damit umgehen" ist doch imho das, was Du als "überwinden" bezeichnest.


    Das ist das, was ich beschreibe: die Conditio humana. Wir entkommen nicht.
    Diese Offenheit ist das Ergebnis des Erkennens und der Akzeptanz dieser Grundbedingung. Aber davor steht bei den Meisten (jedenfalls, was ich in den Jahren so beobachte) der Glaube, das könne abgeschafft werden und der Buddhismus ist der Weg dorthin.
    __________
    Kleiner Einschub, damit ich korrekterweise auch mich selbst einbeziehe:
    Ich kann das bei mir rückblickend nicht mehr genau nachvollziehen ohne einen neuen Mythos zu schaffen – ich müsste alle Posts der letzten 15 Jahre durchforsten, und dazu habe ich keine Lust – aber ich vermute, dass auch ich anfangs davon ausgegangen bin, dass der Dharma das zum Ziel hätte (was immer noch nicht bedeutet, dass dies auch mein Ziel gewesen wäre, denn ich erinnere mich daran, dass "Erleuchtung" mich nie interessiert hat).
    _________


    Also, machst Du Deine Gegenrede nur am Wort "überwinden" fest? Dann lass uns das überwinden :D
    Du weißt doch, dass ich damit meine, dass es um den Glauben, ja die feste Überzeugung geht, man könnte das richtiggehend abschaffen.


    Der Freie Fall macht in der Regel erst mal Angst: Wer bin ich denn dann noch? Woran kann ich mich orientieren? Muss ich wirklich alles alleine entscheiden? Bin ich alleine für mein Wohl und Wehe verantwortlich? Wenn mein Nachbar nicht mehr blöd sein soll, weil das nur meine subjektive Sicht ist, was soll ich dann mit meinen Emotionen anstellen? usw.


    Zitat

    Das Beharren auf dem "Stand in der Leere" würde oft als eine Krankheit bezeichnet.
    Seid auf der Hut vor der Schildkrötennasenschlange am Südberg.


    Ich beharre da gar nicht drauf. Im Gegenteil. Das sehe ich als Hilfsmittel, als Türöffner. Nicht als Selbstzweck. Sobald sie zum Selbstzweck werden, sind sie schon wieder ein Mittel zum Festhalten, eine Religion geworden – die Tür hat sich geschlossen. Nun habe ich den Selbstmythos geschaffen erlöst zu sein. Der Freie Fall ist aufgehalten worden. Und das auf eine sehr stabile Art und Weise – in den Schriften wird das dann mit Äonen der Gefangenschaft beschrieben, weil da ein überzeugender ideologischer Überbau geschaffen wurde. Jedenfalls lese ich das so. Gemeinhin nennt man das dann "Fundamentalismus". Da steckt schon die Verneinung des Freien Falls im Wort drin. :grinsen:


    Verstehst Du nun besser, was ich meine?

    Einverstanden. :)


    Noch was.
    Vielleicht haben das Gravitätische auf der einen Seite und das Anarchische auf der anderen Seite auch was damit zu tun, dass sesshafte Kulturen immer relativ stabile Machtstrukturen innerhalb der Gemeinschaft entwickeln? Und dass eine gewisse Beherrschbarkeit der Natur angenommen wird?

    jianwang:
    Zitat

    Selbst die Buddhisten, die sich das auf die Fahne geschrieben haben, machen das. Ulkigerweise wird das umso mehr getan, je mehr man denkt, das überwunden zu haben. (Nur um den Bogen zum Buddhismus zu spannen …)


    Meinst Du damit z.B. die buddhistische Kosmologie?


    Nein.
    Ich meine die individuelle Überzeugung, man könne dem entkommen. Statt es zu akzeptieren als conditio humana und damit so gut wie möglich, so offen wie nur geht, umzugehen. Der Große Zweifel.
    In dem Moment, in dem ich meine, ich hätte das überwunden, habe ich mir eine Religion gebastelt, mit der ich mich vor dem Freien Fall schütze. Und den Mythos über meine eigene Befreiung. Das kommt einer Gottgleichheit nahe.


    Kaper nur. Ich finde, Du bringst da einen schönen Dreh in die Diskussion rein.


    Jetzt glaube ich, versteh ich Dich. Das ist eine gute Beobachtung.
    Und ja, ich stimme Dir zu.
    Siehe meinen vorangegangenen Post: Ich vermute, dass Mythologisieren ein urmenschliches Phänomen ist. Und unvermeidbar. Ein Hirn-Ding.

    void:

    Mary Douglas erwähnt da z.B die Forschung über das Verhältnis zwischen den Buschmännern und ihren Bantu-Nachbarn. Während die Buschmänner eine sehr sehr einfach, nicht materielle Kultur hatten, führten sie ein Leben in dem man sich eher zu lockeren Gruppen ( im englischen Bands) verband, die sich dann auch weie neu arrnagieren konnten. Während eben die höher entwickelten Bantu-Völker so das ganze Arsenal an Kultu hatten: Stammesgöttern, Initiationsriten, Gesänge hatten, um so eine kollektive Ordnung zu schaffen. Ein Unterfangen, dem die Buschmänner eher spöttisch belustigt gegenüberstanden.


    Ich bin da immer ein bisschen skeptisch bei solchen Interpretationen. Auch wenn sie von Forschern kommen. Außerdem vermute ich, das auch die Buschmänner ein ganzes Arsenal an Mythen haben. Vielleicht keine Stammesgötter, aber dennoch Mythen z.B. um die Entstehung der Welt, Entstehung der Menschen und Tiere, Sonne und Mond, Wetterphänomene, Tiere.
    Vieles davon ist wohl auch Teil des gemeinsamen Wissensschatzes. Anhand von Mythen werden Jagdtechniken überliefert, Wasserquellen, Jagdgründe, Nahrungsquellen, medizinische Erfahrungen. Es wird die eigene Geschichte überliefert usw.


    Ich habe die Vermutung, dass das etwas ist, das uns Menschen angeboren ist. Es geht um das Suchen von Mustern (Apophänie) und Erklärungen und die Tradierung von Erfahrungen und Wissen. Alle suchen wir ständig nach Erklärungen für alles, und auch unser Sein. Deshalb ist es auch so schwer, darüber hinweg zu schreiten. Selbst die Buddhisten, die sich das auf die Fahne geschrieben haben, machen das. Ulkigerweise wird das umso mehr getan, je mehr man denkt, das überwunden zu haben. (Nur um den Bogen zum Buddhismus zu spannen …)

    Zitat

    sondern was Aufklärung ist und in meinen Augen ist es, wie oben erwähnt, etwas das verschiedene Formen hat und in Stücken ebenfalls in der Mythologie stattfand, es war dann aber nicht der Wunsch sich den Gegebenheiten zu unterwerfen, der zum Erkennen und loslösen von bestimmten Prozessen führte, was für mich aber bei einem Mythos der Fall ist, dh. wenn ich den für-wahr halte, usw.


    Puh! Du drückst Dich echt kryptisch aus.
    Ich versuche erst mal aufzudröseln …


    1. Auch ein Mythos kann ein Produkt eines Aufklärungsprozesses sein
    2. Dieses Produkt verbleibt aber, trotz seiner aufklärerischen Intention allein durch die Einkleidung in einen Mythos nur eine halbherzige Sache, weil es durch seinen Erzählduktus als Mythos mit einem Bein im alten Mythos stecken bleibt.


    Habe ich Dich richtig verstanden?

    Spock:

    Wenn das Spektrum genug heilsames bietet, dann verstehe ich nicht wieso man sein "Schicksal" absichtlich von einen Mythos (egal ob exotisch oder modern) abhängig machen sollte.


    Was meinst Du damit?