Beiträge von Schroedinger im Thema „Tantrayana - Bitte um Erklärung“

    kilaya:


    Das ist die Kernaussage des Bodhisattva-Wegs: man wird zum Buddha, um den Wesen zu nutzen. Deine Behauptung ist nicht nur falsch, sondern wischt damit eigentlich das Fundament des Mahayana einfach mal zur Seite.


    Der Mahayana hat kein Fundament. Was auch für den Buddhismus gilt.
    Niemand wird zum Buddha, da alle Wesen Buddha sind. Wie Hakuin in seinem berühmten Lehrgedicht aussagt: Die Menschen sind in ihrem tiefsten Wesen Buddha; es ist wie bei Wasser und Eis: Wie es kein Eis gibt ohne Wasser, so gibt es nicht einen Menschen ohne Buddhanatur. (Zazen Wasan)


    Was möglich ist, das ist der Wegfall von Vorstellungen, doch diese können auch nicht gemacht werden und auch ein Lehrer, kann nichts einem Schüler wegnehmen.
    Genauso wenig kann er einem etwas geben.

    Zitat


    Was der Irrtum ist, ist nicht dieser Kern des Mahayana, sondern die falsche Interpretation und Selbsteinschätzung dieses Kerns bei einigen wenigen Menschen, die noch nicht da sind und ihre Störgefühle nun an anderen Menschen ausleben im Irrglauben, diesen damit "zu nutzen".


    Genau das - zu glauben, man nütze jemandem - ist der Irrglaube. Dieser Irrglaube ist für den Erhalt eines Systems äußerst wichtig, denn nur so sind es den Oben erlaubt, sich bei den Unten zu bedienen - wenn sie gleichzeitig, den Unten den Glauben vermitteln, auch sie wären nützlich. Das ist ein klassischer Fall des Feudalismus. Und Tibet war bis zur chinesischen Besetzung ein Feudalsystem.
    Dass das nun hier ankommen kann, hat mit der Ähnlichkeit von feudalen und patriarchalen Systemen zu tun.

    Zitat


    Den Fehler, das Ausleben der eigenen Gefühle mit einer erfolgreichen Praxis zu verwechseln scheint es aber auch ausserhalb des Tantra zu geben z.B. in einigen Bereichen des Zen. Kultiviert werden sollte im Buddhismus immer auch eine angemessene Ethik. Der Punkt, wo diese einer spontanen und weniger "regelkonformen" Ethik weicht, kommt wesentlich später, als manch einer denkt. Man sollte das also niemals aus eigenem Antrieb heraus forcieren wollen.


    Natürlich gibt es diese Verhaltensweisen und Denkweisen auch im Zen, denn auch Japan war bis zum Bruch durch die Meiji ein feudales System. Es ist auch noch bis heute stark feudalistisch, wie die Unternehmenskultur es dort deutlich macht. Auch hier passte gerade der Rinzai Zen, in dem diese sexuellen Missbräuche um sich greifen, genau zu dieser Struktur. Und mir scheint, wir sind jetzt in einer Zeit angekommen, wo das nicht mehr trägt.


    Aber um es ganz klar zu sagen - es werden nicht Gefühle ausgelebt, sondern es wird Macht ausgelebt und ausgeübt. Es geht nur um Macht. Auch bei denjenigen, die die Macht anderer kritisieren.
    Wer Macht hat, kann sich bei allem bedienen - beim Sex, beim Essen, beim Geld ... und genau das sind die Insignien der Macht: Sex, Essen, Geld, Gewalt.
    Das ist dann schon archaisch-schamanischer Verhaltenskanon.

    Losang Lamo:


    Dieser Link ist vielleicht etwas offtopic, entschuldige, aber ich finde ihn hier am Anfang dieses Threads nützlich, weil er gleich mal mit tausend Missverständnissen aufräumt:
    "Weitverbreitete Missverständnisse bezüglich Tantra" von Dr. Alexander Berzin
    https://studybuddhism.com/de/t…ndnisse-bezueglich-tantra


    Nun beginnt dieser link bereits mit einem Verständnis, dass weitere irrige Auffassungen über Tantra erzeugt:


    Tantra sei ein Übungssystem, das fortgeschrittenen Praktizierenden es ermöglicht, auf effektive Weise, den Zustand der Buddhaschaft zu erreichen, um allen zu nützen.


    Ich denke, es gibt wohl keinen größeren Irrtum zu meinen, man oder einer habe Buddhaschaft erreicht und würde nun allen nützen.
    Diese Auffassung haben Leute wie Sogyal, Shimano, etc. und aus dieser Ansicht von sich selbst, haben sie auch gehandelt und glauben bis heute, die anderen wären im Irrtum.


    Was wird denn nun im Tantra geübt? 100 000 Verneigungen. Und dann gibt es Initiationen und Einweihungen, für die es Initiierte und Eingeweihte gibt, die das dann machen. Also - magische Praktiken, die eine Priesterkaste stützen.


    Gegen 100 000 Verneigungen habe ich nichts, das ist wie 100 000 x Zazen - irgendwann hört man auf zu zählen und macht das einfach, so wie man täglich Zähne putzt.
    Dem Zähne putzen kann ich was geheimnisvolles unterlegen, vielleicht machen das die Tantriker mit den Verneigungen - im Islam hat man diese Verneigungen ja auch. Die dürften das sogar noch toppen.


    Ich frage mich, was denn hier einen Menschen anzieht? Man kommt in ein Zentrum und was passiert dann? Gibt es Vorträge? Also Belehrungen heisst das ja. Und dann sitzt man so ein wenig - Zen-artig - oder Yoga-mäßig - und dann macht man noch ein paar Verneigungen und rezitiert ein paar Sprüche.
    Und alle haben wahnsinnig viel Mitgefühl - so nett alle. Und so schöne Farben und Gerüche. So sinnlich ....


    Es gibt ein interessantes Buch von Mark Epstein über den Sinn der Begierde:
    Open to Desire - leider nur in Englisch, aber es hilft, zu verstehen, warum es schon von Beutung ist, die Sinne nicht abstumpfen zu lassen und den Eros zu leben. Das ist aber ein Vorgang im Inneren, den Rilke sehr schön in einer seiner Elegien so bezeichnet hat:
    Nirgends Geliebte, wird Welt sein, als innen. Unser Leben geht hin mit Verwandlung.