Guten Morgen!
Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, sich gegenüber der Welt ein „dickes Fell“ zuzulegen. Ich meine, nicht.
Ich finde es hilfreich, auch anderen Menschen mit der gleichen Aufmerksamkeit und Nachsicht zu begegnen, wie mir selbst.
Mensch neigt dazu, eigenes Verhalten situativ zu beurteilen, fremdes Verhalten aber auf manifeste Persönlichkeitseigenschaften zu attribuieren. Dieses Phänomen ist in der Psychologie auch als „fundamentaler Attributionsfehler“ oder „correspondence bias“ bekannt.
Hier führt Son das meiner Ansicht nach ziemlich gut vor, er selbst beschreibt sich als jemanden, der seine Arbeit korrekt macht, sich den Kollegen und Mitarbeitern zuwendet, aber situationsbedingt nicht alles zum Besseren ändern kann. Die Führungskräfte dagegen „sind eben so“. Hier wird das ebenfalls situationsabhängige Verhalten der anderen Menschen systematisch unterbewertet und dafür auf vermeintliche Persönlichkeitseigenschaften einer Personengruppe attribuiert.
Meiner Ansicht nach hilft hier ein „dickes Fell“ wenig, vielmehr ist ein Perspektivwechsel sinnvoll. Warum agiert denn der Mitarbeiter oder die Führungskraft in diesem Moment so und nicht anders? Ist derjenige wohl glücklich dabei? In welcher Zwangsjacke steckt dieser Mensch vielleicht gerade?
Warum z.B. redet der eine Mitarbeiter nicht mit mir, enthält mir die Informationen vor, die ich für meine Arbeit benötige? Ist der „eben so“, oder hat der vielleicht in diesem Augenblick Angst vor mir? Habe ich dafür vielleicht einen Anlass geliefert? Hat derjenige vielleicht einfach die Hosen voll, wenn die Abteilung Controlling ins Büro kommt? Usw.
Für mich gehört das „rechte Zuhören“ in den Bereich der „rechten Rede“, und meist entdeckt man schnell, dass auch „die Anderen“ aus ihrer Weltsicht gute Gründe für ihr jeweiliges Handeln haben, ob mir das in diesem Moment nun schmeckt oder nicht. Das bedeutet nun nicht, alles zu schlucken, was einem aufgetischt wird. Aber Pauschalbeurteilungen im Stile von „ich bin ja so sensibel und gehe auf alle Sorgen und Bedürfnisse der Menschen ein, aber die Entscheider sind alles Schweinebacken“, das ist für meinen Geschmack wenig zielführend und auch nicht fair.
Ich habe in 35 Berufsjahren vom kleinen Handwerksbetrieb über öffentliche Verwaltungen bis zu Dax-Konzernen schon mit einer ganzen Menge unterschiedlichster Menschen zusammengearbeitet, aber solche Charakterschweine, wie Son sie offenbar gehäuft in seinem Unternehmen trifft, waren da keine dabei. Das waren am Ende alles Menschen wie Du und ich. Ich bin mit einigen besser klargekommen, mit anderen schlechter. Aber systematisch Kollegen oder Mitarbeiter bewusst zu schädigen? Klar, da wurde schon mal einem Kollegen was reingewürgt, was vielleicht nicht immer fair war. Aber systematisch, immer wieder und mit voller Absicht? „Den mach ich jetzt fertig!“? Das habe ich zumindest so nie erlebt.
Vielleicht hatte ich ja auch nur Glück.
Liebe Grüße
Andreas