Beiträge von Sudhana im Thema „Verheiratete Mönche“

    Mir stellt sich jetzt die Frage ob es überhaupt eine gültige Ordination im Mahayana Buddhismus gibt


    Im Mahayana gibt es die Bhikshu-Ordination nach den Vinaya der Mulasarvastida-Schule ('tibetische' Linien) bzw. nach dem Dharmaguptaka-Vinaya (ostasiatische Linien). Du ordnest Dich doch der "Plumvillage - Tradition" zu? Da könntest Du eigentlich wissen, dass z.B. Thich Nhat Hanh nach dem Dharmaguptaka-Vinaya ordiniert ist. Der Dharmaguptaka-Vinaya ist auch der einzige, nach dem es noch eine vollgültige Bhikshuni-Ordination gibt (Chan Khong ist in dieser Vinaya-Linie ordiniert).


    Ansonsten hoffe ich, Du hast Dich nur in der Formulierung vergriffen. Selbstverständlich ist eine Bodhisattva-Ordination "gültig" - es ist eben nur keine Vinaya-Ordination und auch kein Ersatz dafür sondern schlicht eine andere Angelegenheit.


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    was ich meinte, haben diese Zenmeisterinnen denn auch ein "eigenes" Kloster in Japan, dem sie vorstehen?

    Der Begriff "Zenmeister" (und genau so "Zenmeisterin") ist eine westliche Erfindung bzw. Projektion. Die Autorinnen des von mir empfohlenen Buches sind jedenfalls westliche Frauen und die haben kein "eigenes" Kloster in Japan. Zen-'Nonnen'klöster (die selbstverständlich von einer 'Äbtissin' geleitet werden) gibt es in Japan seit dem 13. Jahrhundert - dort hat man (anders als im Westen) schlicht keinen Bedarf an westlichen Zen-Lehrerinnen. Trotzdem gibt es auch da eine Ausnahme - so wie Muho Nölke als deutschstämmiger Abt eines japanischen Klosters eine Ausnahme ist.


    Im Westen sind mir keine nach Geschlechtern getrennten Zen-Klöster bekannt, aber durchaus einige Äbtissinnen. Jiyu Kennet (Shasta Abbey) wurde ja schon genannt. In der Linie Suzuki Shunryus (San Francisco Zen Center, Tassajara, Green Gulch) wären da Zenkei Blanche Hartmann, Eijun Linda Cutts und Kiku Christina Lehnherr) zu nennen. Geschlecht spielt da bei der Besetzung des Leitungspostens allenfalls eine nachgeordnete Rolle - wenn überhaupt. Gibt sicher noch etliche mehr - aber mich treibt das Thema ehrlich gesagt nicht sonderlich um; ich mache da keine Buchführung über den Geschlechterproporz. Wer da zu viel Wert darauf legt, sollte sich mal ernsthaft wenigstens mit dem Vimalakīrtinirdeśa beschäftigen, wenn ihm die Zazen-Übung da schon nicht weiterhilft.


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    In der Zentrdaition gibt es Prominente befreite Laien wie den Laien Pang aber ich weiss jetzt nicht, ob der zölibatär lebte oder nicht.

    Pangyun war nicht nur verheiratet, er hatte auch einen Sohn und insbesondere eine Tochter namens Lingchao, deren Verwirklichungsgrad dem ihres Vaters nicht nachstand. Eine lesenswerte Kurzbiographie findet man in Besserman/Stegers "Verrückte Wolken" (Theseus 1999) als erstes Kapitel. Das Buch ist auch ansonsten mE empfehlenswert.


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    Der Sohn eines Zen Priesters macht eine harte dreijährige Ausbildung in einem Traingskloster mit um später den Familientempel zu übenehmen. Mit Religion hat er selber nicht viel zu tun, er sucht sich eine Frau hat Kinder und meditiert nicht mehr. Sein Job als Priester ist für ihn ein Job wie jeder andere aus.

    Solche Fälle gibt es zweifellos, möglicherweise ist das sogar bei der Mehrzahl der Zenpriester so. Statistische Erhebungen darüber sind zumindest mir jedoch nicht bekannt. Wenn das bei Dir anders ist, wäre ich für einen Quellenverweis dankbar.


    Ansonsten ist das eine unzulässige und diffamierende Verallgemeinerung.


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    Schon erstaunlich, wie bemüht man aneinander vorbeireden kann. Wobei es natürlich eine große Hilfe ist, Diskussionsbeiträge Anderer (z.B. diesen hier: Verheiratete Mönche) schlicht zu ignorieren bzw. gar nicht erst zu lesen.


    Arthur1788 meint mit "Mönch" offensichtlich jemanden, der nach dem Vinaya ordiniert ist. Auf Japanisch ein 'biku' (比丘). Shunyata meint damit offensichtlich jemanden, der in der Sōtō-Tradition shukke tokudō (出家得度) oder in der Rinzai-Tradition tokudō shiki (得度式) als Ordination empfangen hat. Auf Japanisch ein Zensō (禪僧) oder Sōryo (僧侶). Wobei ich jetzt mal nur die gebräuchlichsten Terme angebe und auf die Bezeichnungen weiblicher Ordinierter verzichte. Jedenfalls - der korrekte Sachverhalt wurde hier in diesem Thread bereits vor über zwei Monaten klargestellt.


    Nur weil ihr beide meint, eine Bezeichnung für christliche Ordensangehörige ums Verrecken auf buddhistische Ordinierte anwenden zu müssen und dabei geflissentlich ignoriert, dass es da eine Vinaya-Ordination und eine Bodhisattva-Ordination gibt (die beide gemeinsam vorliegen können aber nicht müssen) führt ihr seitenweise diese absolut sinnbefreite Diskussion und bedenkt euch auch noch wechselseitig mit Unfreundlichkeiten. Habt ihr eigentlich nichts besseres zu tun?


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    void:

    Ich denke der Grund warum die japanische Regierung den Zölibat unterbunden hat, war genau aus dem Interesse heraus, den Klerus auf Linie zu bringen.


    Indem man sie zu Staatsbeamten macht, die nicht aufmucken, weil sie an die Zukunft und das Wohlergehen der Kinder denken müssen. Es ging genau darum das Element von Freheit, dass der Hauslosigkeit innewohnt zu unterbinden.


    Während es bei dir so klingt, als wäre mit der Möglichkeit für Ehe und Familie zusätzliche Freiheit gewährt worden.

    Manchmal frage ich wirklich, weswegen ich meine Zeit damit verplempere, hier zu schreiben. Z.B. hier in diesem Thread, am 04.10.2017:

    Zitat

    Der große Umschwung kam dann während der Meiji-Zeit und hatte vor allem wirtschaftliche Gründe. Das hing mit der Abschaffung des danka-Systems zusammen. Ein danka war eine bestimmte Anzahl von Haushalten / Familien, die einem bestimmten Tempel zugeordnet waren und diesen zu finanzieren hatten. Die Tempel selbst erfüllten dafür auch staatliche Verwaltungsaufgaben als eine Art Einwohnermeldeämter. Die Meiji-Regierung löste die danka auf und 'privatisierte' die Tempel - was hieß, dass die Priester sich fortan selbst um eine wirtschaftliche Grundlage für ihre Tempel kümmern mussten.


    Das hier:

    Zitat

    Schließlich wurde 1872 das Edikt 133 erlassen, das das Zölibat und das Fleischverbot für Mönche aufhob (nikujiku saitai 肉食妻帯) Dadurch wurden Mönche und Nonnen praktisch dazu genötigt zu heiraten, weil man davon ausging, dass familiäre Verpflichtungen sie an anderen Aktivitäten hindern würden und es ihren Sonderstatus untergrub.


    ist natürlich Quatsch. Mit dem Nikujiku Saitai von 1872 verzichtete die Regierung auf jegliche Aufsichtsbefugnisse über den Lebenswandel von Priestern. "Genötigt" zu heiraten wurde damit niemand. Es war nur konsequente Trennung von Staat und Religion; die staatliche Aufsicht über die Priester leitete sich ja aus deren Funktion als staatliche 'Beamte' ab.


    Also nochmals: die japanische Regierung hat 1872 nicht "den Zölibat unterbunden", sie hat lediglich den Zölibat nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben. Es war und ist japanischen Klerikern seit 1872 von staatlicher Seite freigestellt, zu heiraten, wenn sie es wollen oder aber zölibatär zu leben, wenn sie das vorziehen. Das interessiert seitdem den japanischen Staat nicht mehr.


    Sie hat auch die Kleriker nicht zu Staatsbeamten gemacht - im Gegenteil hat sie die Einbindung des Klerus in die staatliche Verwaltung und damit ihre vorher beamtenähnliche Stellung aufgehoben. Genau aus diesem Grund - weil sie keine Repräsentanten des Staates mehr waren - hatte die Meiji-Regierung auch kein Interesse mehr daran, die private Lebensführung des Klerus zu beaufsichtigen. In der Tat wurde damit dem Klerus eine zusätzliche persönliche Freiheit gewährt, und zwar auf Kosten der Zwangsalimentierung des Klerus durch die danka, die der Tokugawa-Staat bislang garantiert hatte. Es war die damit völlig veränderte soziale und vor allem die wirtschaftlich prekäre Lage des Klerus und der Tempel (vor allem der ländlichen), die dazu führte, dass damit das Modell der 'Tempelfamilie' zum Normalfall wurde. Auch dazu hatte ich in dem oben zitierten Posting bereits einiges geschrieben.


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    Gedanke:
    Sudhana:

    Dir ist aber schon klar, dass Buddha selbst verheiratet war und einen Sohn gezeugt hat?


    Aber nicht als Buddha (Erwachter), sondern in der Zeit davor.

    Wobei es ihm offensichtlich nicht geschadet oder ihn daran gehindert hat, noch im selben Leben zum Buddha zu werden. Was, nebenbei angemerkt, in Theravada-Diktion bedeutet, dass er als Anagamin (Nicht-Wiederkehrer) zur Welt kam. Die ja angeblich keinen Sex haben, wenn man Dir glauben soll.


    Wenn Dich das Thema so umtreibt, stelle es doch (wieder) mal im Allgemeinen Forum zur Diskussion. Das Zen-Forum ist jedenfalls nicht der geeignete Ort, um darüber zu diskutieren, was da nun angeblich in den Sutten des Palikanon stehen soll oder was man da so alles herausliest.


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    void:

    Derzeit ist es so, dass die meisten die in Japan eine Zenausbildung machen, nicht solche sind, die Befreiung erstreben sondern junge Männer die den Familientempel übernehmen wolle, wo dann als Ritualdienstleister tätig sind.

    Daran stört sich nicht nur ein Shōdō Harada Roshi, das ist unter dem Schlagwort "Bestattungsbuddhismus" (soshiki bukkyo) seit den 60ern Gegenstand wachsender Kritik in Japan.

    void:

    Nach meinem Wissen hat er [...] dafür gesorgt, [...] dass die Ordinierten dort zölibatär leben.

    Das ist in den Klöstern völlig normal - sowohl für die auszubildenden Unsui wie auch für die Ausbilder. Letztere oft Leute, die (noch) keinen Tempel "erben" (und daher auch keine Familie ernähren) können und deswegen im Kloster bleiben und dort "Karriere" machen. Der Großteil der Ordinierten allerdings übernimmt nach der Ausbildung einen Tempel (idR erst einmal als Assistent). Viele davon üben dann nie wieder Zazen - Andere wiederum bieten in ihrem Tempel auch Laien Unterweisung in Zazen an. Nicht nur Bestattungen. Wobei sich auch da die Zeiten unaufhaltsam ändern. Wohin die Reise (evt.) geht, konnte man auf der Life Ending Industry EXPO 2017 in Tokyo sehen: http://video.dailymail.co.uk/v…4_1061671922732351357.mp4


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    Arthur1788:

    Aus meiner Sicht macht es aber kein Sinn, warum beispielsweise Theravada-Mönche (deren Ordensregeln wohl am ehesten denen der Urgemeinde entsprechen dürften) derart rigorose Regeln für den Umgang mit dem weiblichen Geschlecht auferlegt bekommen, wenn Sexualität grundsätzlich kein "Problem" darstellt.

    Dir ist aber schon klar, dass Buddha selbst verheiratet war und einen Sohn gezeugt hat? Das ist übrigens noch heute in Indien bei Hindus ein gängiges Verhalten - in die Hauslosigkeit geht man in der Regel erst, wenn man seine Verpflichtungen gegenüber der Familie erfüllt hat (wozu es - wie bei Buddha - gehört, eine neue Familiengeneration zu zeugen). Gerade bei vielen der Bhikkus der "Urgemeinde" dürfte genau dies ebenfalls so gewesen sein - häufig erfahren wir in den Sutten ja beispielsweise, welchen Beruf ein Bhikku in seinem "weltlichen" Leben ausgeübt hat. In Thailand z.B. ist das heute natürlich umgekehrt. Da lässt man sich als Adoleszenter (zumeist unter Druck der Eltern) zum Bhikku ordinieren und entrobt dann nach zwei oder drei Jahren wieder, um selbst eine Familie zu gründen ...


    Buddhas grundsätzliche Einstellung zur Sexualität kann man seinen diesbezüglichen Verhaltensempfehlungen für Haushälter entnehmen. Zeit- und kulturentsprechend geht es da vor allem um Respektierung rechtlicher Beziehungen. Wobei Frauen grundsätzlich unter der Vormundschaft eines Mannes standen. Dieses Vormundschaftsrecht war zu respektieren - d.h. Geschlechtsverkehr durfte ein Mann nur mit Frauen ausüben, deren Vormundschaft er übertragen bekommen hatte. Anders gesagt: in der Ehe. Ganz wesentlich geht es auch bei dieser Sila um ahimsa - das Nicht-Verletzen sozialer Beziehungen.


    Was nun den Mönchsorden angeht - das war ein Bettelorden und den Bhikkus war lediglich erlaubt, den eigenen Lebensunterhalt der Gemeinschaft der arbeitenden Menschen zur Last zu legen, um sich, von der Notwendigkeit zu arbeiten befreit, der Übung des achtfachen Pfades widmen zu können. Dieses Prinzip wäre durch die Notwendigkeit, darüber hinaus noch für Frauen und Kinder sorgen zu müssen, durchbrochen worden und hätte sich auch negativ auf die Akzeptanz des Bettelns ausgewirkt. Ansonsten: natürlich stellt Sexualität grundsätzlich ein "Problem" dar. Ob man sie nun ausübt oder ob man es sich verkneift. Mit beiden Arten dieses Problems kann man lernen, umzugehen. "Bei beiden lobe ich den guten Wandel, beim Hausvater und beim Hauslosen. Der Hausvater oder der Hauslose, wenn er einen guten Wandel führt, hat eben infolge seines guten Wandels Erfolg in der heilsamen Pfadlehre." (A.II.41)


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    Arthur1788:

    Ich habe ja prinzipiell gar nichts gegen das Heiraten und Kinderzeugen, aber dass man sich dann noch als "Mönch" darstelllt ist doch schon irgendwie Etikettenschwindel.

    Vielleicht definierst Du einfach mal den Begriff 'Mönch' - was genau Du darunter verstehst. Wie Festus schon anmerkte, gibt es da verschiedene mögliche Definitionen. Im Wikipedia-Artikel zu 'Mönchtum' findest Du z.B.: "Der Begriff Mönchtum bezeichnet die Gesamtheit der von Mönchen und Nonnen praktizierten geistlich geprägten Lebensformen. Das Mönchtum ist eine von asketischen Idealen bestimmte Lebensweise, um in Abkehr von der Welt den weltlichen Zielen zu entsagen und das eigene Leben einem spirituellen Ziel zu widmen. [...] Der Mönch oder die Nonne ist ein asketisch lebendes Mitglied einer Ordensgemeinschaft, das sich auf Lebenszeit oder auch für eine bestimmte Zeit in den Dienst seines Glaubens stellt." Ich für meinen Teil sehe da keinen Widerspruch zu der Lebensweise, zu der man im Zen mit der Ordination (shukke tokudo) Zuflucht nimmt. Damit ist man ein Sōryo oder genauer Zensō bzw. als Frau eine Nisō. Ob man das nun als Mönch / Nonne oder Priester / Priesterin übersetzen will, ist einzig und allein das Problem von Menschen einer christlich geprägten Kultur, die sich mit neuen Begriffen schwer tun. Die kleben aus purer Bequemlichkeit einer Sache, die sie gerade mal oberflächlich wahrgenommen haben, das Etikett von etwas auf, das sie schon kennen. Das ist "Etikettenschwindel".

    Arthur1788:

    Ich assoziiere das Mönchtum mit einer gewissen Weltabgewandtheit, um die obige Frage noch zu beantworten. Dazu gehört nach meinem Verständnis die Geringschätzung des Materiellen, auch des Fleischlichen.

    Ich assoziiere shukke tokudo nun gerade nicht als Weltabgewandtheit. Und ich hatte Gelegenheit, einen Franziskaner und einen Dominikaner (letzterer sogar ein Pater, kein einfacher Frater) näher kennen zu lernen, die sich selbst gewiss auch nicht als "weltabgewandte" Menschen verstanden haben - sondern im Gegenteil, als weltzugewandt. Da gibt es einen feinen Unterschied zwischen "weltabgewandt" und "weltlichen Zielen entsagen". Wobei Letzteres eben nur eine "Abkehr von der Welt" hinsichtlich solcher Ziele ist. "Weltabgewandt" kann man keine brahmavihara üben.


    Was "die Geringschätzung des Materiellen, auch des Fleischlichen" angeht, so geht es zumindest im Buddhismus nach meinem Verständnis nicht um Geringschätzung, sondern darum, solche Dinge so wahrzunehmen, wie sie sind und nicht an ihnen anzuhaften. Das heisst, ohne Hass und ohne Begierde mit ihnen umzugehen. Das verstehe ich unter "Askese" im Sinn des Mittleren Weges. Was nun das "Fleischliche" angeht, das Dich dermaßen umtreibt, so gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, hier "Askese" zu üben. Die eine ist, dem Gelübde zu folgen, auf Sexualität gänzlich zu verzichten (fu in kai) - die andere, dem Gelübde zu folgen, auf unheilsame Sexualität gänzlich zu verzichten (fu ja in kai). Wobei die zweite Form durchaus der höhere Anspruch an die eigene Übung sein kann. Dass Sexualität per se unheilsam ist - das ist nun wiederum eine stark im Christentum wurzelnde Idee. Unheilsam ist die Verbindung von Sexualität mit Begierde und Anhaftung - dies voneinder zu trennen, mag für einen nicht zölibatär lebenden Menschen schwierig sein. Oftmals ist es aber umgekehrt für Zölibatäre noch schwieriger - und womöglich Auslöser eines neurotischen Verhaltensmusters. Es hängt von den persönlichen Ausgangsbedingungen ab, welche Form für einen selbst angemessener ist.


    In Japan - um auf das Thema im engeren Sinn zurück zu kommen - wird (nicht nur) begrifflich kein Unterschied zwischen zölibatär lebenden Sōryo und verheirateten Sōryo gemacht. Wenn Du deswegen die Übersetzung 'Mönch' für Sōryo für irreführend hältst, dann such Dir halt eine andere aus. Ich mag die Übersetzung auch nicht besonders und benutze - wenn es denn unbedingt eine Übersetzung sein muss - lieber 'Priester'. Wegen Leuten wie Dir :) . Das liegt nun aber nicht daran, dass ich da den Umgang mit Sexualität als ein entscheidendes Kriterium ansehe.

    Arthur1788:

    Mir ist schon klar dass das jetzt arg idealisiert klingen mag, aber meiner Meinung nach kann man eben ein Hausvater oder ein Mönch sein - nicht beides.

    Man kann Zaike ('Laie') oder Sōryo sein - shukke tokudo macht da den Unterschied. Aber das ist nur ein theoretischer Unterschied. Es gibt "Hausväter", die wie "Mönche" leben und es gibt "Mönche", die wie "Hausväter" leben.


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    Arthur1788:

    inwiefern kann man dann überhaupt noch von "Mönchen" sprechen, wo doch die Ehelosigkeit und Enthaltsamkeit - zumindest nach meinem Verständnis - das Grundmerkmal des Mönchtums ist?

    Das ist grundsätzlich ein Übersetzungsproblem und es ist etwas eigenartig, dass gerade Ehelosigkeit und Enthaltsamkeit (wobei ich mal vermute, dass Du hier speziell sexuelle Enthaltsamkeit meinst) "Grundmerkmal des Mönchtums" sein sollen. Schließlich trifft dieses "Grundmerkmal" in der größten christlichen Denomination, der katholischen Kirche, auch auf die sog. Weltgeistlichen zu - vor allem die Diözesanpriester. Nach katholischem Verständnis ist "Ehelosigkeit und Enthaltsamkeit" zumindest kein exklusives "Grundmerkmal" für Mönche.


    Grundsätzlich ist es problematisch, einen Begriff wie 'Mönch', dessen Bedeutungsraum eng mit Formen christlicher Religiosität verbunden ist, einfach auf Angehörige einer völlig anderen Religion zu übertragen. Ein nach dem Vinaya ordinierter Bhikshu / Bhikku etwa legt - neben vielen anderen - auch das Gelöbnis sexueller Enthaltsamkeit ab (streng genommen nicht jedoch das der Ehelosigkeit, des Zölibats). Er legt einige Gelübde ab, die grundsätzlich mit dem Armutsgelübde eines Mönchs vergleichbar sind - etwas, das dem Gehorsamsgelübde von Mönchen entspräche, gibt es jedoch nicht. Damit ist auch das "Grundmerkmal des Mönchtums" angesprochen. Es ist ein dreifaches Merkmal, nämlich die Verbindung von Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam - den sog. Evangelischen Räten. Wir haben also selbst bei ehelosen Bhikshus / Bhikkus lediglich (wohlwollend betrachtet) eine Zweidrittel-Übereinstimmung mit dem "Grundmerkmal" des Mönchtums. Was wiederum bedeutet, dass man den Begriff "Mönch" entweder nicht auf Angehörige nichtchristlicher Religionen anwenden sollte oder dass man ihn inhaltlich deutlich weiter definieren muss als im christlichen Ursprungskontext.


    Der Irritation, die die Verwendung des Begriffs 'Mönch' für japanische buddhistische Kleriker, die häufig verheiratet sind, auslöst, wird vor allem im englischen Sprachraum dadurch Rechnung getragen, dass diese als 'priest' oder 'cleric' bezeichnet werden. Was sicher auch etwas damit zu tun hat, dass in Großbritannien und den USA der Katholizismus eine Minderheitenreligion ist und dort der (anglikanische, methodistische usw. usf.) 'Priester' in der Regel nicht dem Zölibatsgelübde unterworfen ist. Das ist auch insofern sinnvoll, als japanische buddhistische Kleriker in aller Regel keine Bhikshu (biku), also nicht nach dem Vinaya ordiniert sind. Vielmehr haben sie (je nach Denomination unterschiedliche) 'Sets' von Bodhisattva-Gelübden empfangen / abgelegt. Nun gibt es für diese Kleriker im Japanischen keine einheitliche Bezeichnung, sondern verschiedene - Sōryo, O-bōsan und Bōzu (aus dem das Lehnwort 'Bonze' entstand) sind die häufigsten. Etwas eingeschränkter in der Bedeutung sind Jūshoku (ein 'Priester', der einen Tempel leitet) bzw. Hōjō (wenn es ein Zen-Tempel ist).


    Dazu ein kleiner geschichtlicher Abriss. In China und Korea wurden Bodhisattva-Gelübde (in der durch das Mahayana-Brahmajalasutra überlieferten Form) zunächst zusätzlich zu den Vinaya-Gelübden von Bhikshus, also Vinaya-Ordinierten, abgelegt. In Japan kam es mit der Gründung der Tendai-Shū zu einer grundsätzlichen Änderung, da deren Gründer Saichō die Ordination alleine auf den Bodhisattva-Gelübden beruhen und die Vinaya-Gelübde entfallen ließ. Im Jahr 822 (eine Woche nach Saichōs Tod) wurde diese Ordinationspraxis durch kaiserliches Edikt legalisiert und sie wurde nach und nach von allen japanischen Mahayana-Schulen übernommen - insbesondere natürlich von den in der Kamakura-Zeit (1184-1333) neu entstandenen Schulen: Hōnens Jōdō-Shū, Shinrans Jōdo-Shinshū (die jegliches religiöses Spezialistentum ablehnt) , Nichirens Nichiren-Shū und natürlich Zen - Dōgens Sōtō-Shū und Eisais Rinzai-Shū. Alle deren Gründer kamen ursprünglich aus Saichōs Tendai-Shū und übernahmen bzw. modifizierten deren Ordinationspraxis ohne Vinaya-Gelübde.


    Am grundsätzlichen 'Zölibat' buddhistischer Kleriker änderte sich dadurch zunächst nicht viel; das war in den 'Klöstern' (Ausbildungsstätten für 'Priester') und in den örtlichen Tempeln nach wie vor die Regel, seit der Tokugawa-Ära sogar gesetzlich vorgeschrieben. Trotzdem gab es schon sehr früh (schon in der Heian-Zeit) verheiratete Priester. Dieser Trend verstärkte sich seit der Kamakura-Ära (vor allem in der Jōdo-Shinshū), so dass verheiratete Priester von der Bevölkerung nicht als etwas Ungewöhnliches wahrgenommen wurden.


    Der große Umschwung kam dann während der Meiji-Zeit und hatte vor allem wirtschaftliche Gründe. Das hing mit der Abschaffung des danka-Systems zusammen. Ein danka war eine bestimmte Anzahl von Haushalten / Familien, die einem bestimmten Tempel zugeordnet waren und diesen zu finanzieren hatten. Die Tempel selbst erfüllten dafür auch staatliche Verwaltungsaufgaben als eine Art Einwohnermeldeämter. Die Meiji-Regierung löste die danka auf und 'privatisierte' die Tempel - was hieß, dass die Priester sich fortan selbst um eine wirtschaftliche Grundlage für ihre Tempel kümmern mussten.


    Das hier:

    Zitat

    Schließlich wurde 1872 das Edikt 133 erlassen, das das Zölibat und das Fleischverbot für Mönche aufhob (nikujiku saitai 肉食妻帯) Dadurch wurden Mönche und Nonnen praktisch dazu genötigt zu heiraten, weil man davon ausging, dass familiäre Verpflichtungen sie an anderen Aktivitäten hindern würden und es ihren Sonderstatus untergrub.

    ist natürlich Quatsch. Mit dem Nikujiku Saitai von 1872 verzichtete die Regierung auf jegliche Aufsichtsbefugnisse über den Lebenswandel von Priestern. "Genötigt" zu heiraten wurde damit niemand. Es war nur konsequente Trennung von Staat und Religion; die staatliche Aufsicht über die Priester leitete sich ja aus deren Funktion als staatliche 'Beamte' ab.


    Statt fester Einkünfte war man nun also auf Spenden angewiesen, die natürlich deutlich geringer als die danka-Einkünfte ausfielen. Also war man in vielen Tempeln auf wirtschaftliche Aktivitäten angewiesen, um den Tempel weiter unterhalten zu können. Die entsprechende 'Marktlücke' war und ist das Bestattungswesen. Es erwies sich, dass sich solch ein Tempel unter den neuen Bedingungen am besten als Familienbetrieb führen ließ; ein traditionell japanisches Modell. Die sog. 'Tempel-Ehefrauen' haben wichtige Funktionen in der Gemeinde und mittlerweile (spät genug) werden Fragen wie etwa deren Altersversorgung, falls sie verwitwen, diskutiert. Den Tempel an einen Sohn oder Schwiegersohn weiter geben zu können ist wiederum eine Altersversorgung des Priesters - er kann dadurch im Tempel wohnen bleiben, wenn er für die Arbeit zu alt geworden ist. Das führte dazu, dass heute ca. 90% der buddhistischen Tempelpriester in Japan verheiratet sind. Umfragen haben übrigens gezeigt, dass die meisten buddhistischen Laien eine 'Tempelfamilie' der Leitung ihres Tempels durch einen unverheirateten Priester vorziehen - was vor allem etwas mit dem (sozialen und karitativen) Engagement der 'Tempel-Ehefrauen' etwas zu tun hat.

    Arthur1788:

    Ist das in den anderen Traditionen dieser Linie (Chan/Thien/Seon) auch so?

    Wie hoffentlich deutlich wurde, hat das nicht speziell etwas mit Zen zu tun, sondern mit Buddhismus in Japan allgemein. Von dieser spezifisch japanischen Entwicklung war allerdings Korea durch die Annexion durch Japan von 1910 - 1945 stark mitbetroffen. Dort wurde das japanische Modell weitgehend übernommen, was dann allerdings später als Merkmal der Kolonisierung bezeichnet und bekämpft wurde - innerhalb des Sangha, wobei die (deutlich kleinere) zölibatäre Fraktion unter Führung von Yi Chǒngdam (1902 - 1971) sich mit dem Staat bzw. Präsident (und Diktator) Syngman Rhee (1948 - 1960) in der Kampagne der 'Reinigungs-Bewegung' (Chǒnghwa Undong) verbündete. Auftakt war die Anordnung Syngman Rhees vom 20.05.1954, alle verheirateten Kleriker hätten zurückzutreten und den Sangha zu verlassen, wobei er sie als Kollaborateure Japans denunzierte. Flankierend erklärte die zölibatäre Fraktion diese Angelegenheit zu einem "heiligen Dharma-Krieg" (Pǒpchǒn). Zu diesem Zeitpunkt gab es in Südkoreas Chogye-Orden (dem mit Abstand bedeutendsten koreanischen buddhistischen Orden) ca. 7.000 verheiratete buddhistische Priester und 600 unverheiratete, was prozentual ziemlich genau japanischen Verhältnissen entspricht. Die (z.T. blutigen) Auseinandersetzungen dauerten bis 1962 und die zölibatären Mönche setzten sich durch und übernahmen die Kontrolle des Ordens (konkret: der Klöster). Um den Preis der Unterwerfung unter die politische Kontrolle der Regierung und den der Abspaltung des Taego-Ordens, dem sowohl verheiratete wie zölibatär lebende Priester angehören. Dem Taego-Orden gehören heute ca. 8.000 Priester an, dem zölibatären Chogye-Orden ca. 10.000.


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