Beiträge von nabnab im Thema „Zur Effektivität der buddhistischer Selbstbefreiungspraxis in "buddhafernen" Zeiten“

    void:

    Ich habe das so verstanden, dass Shrinran davon ausging, daß wir uns in einer Zeit des Niedergangs des Dharmas ( Mappô ) befinden, in dem alle anderen buddhistischen Methoden nicht mehr praktikabel sind: Weder macht es noch Sinn sich an den Sutras zu orientieren, noch macht es Sinn zu meditieren und auch die tantrischen Methoden sind wertlos. Einzig allein das Vertrauen zu Amida Buddha bietet noch einen Weg zur Befreiung. Weswegen es schon seit 1000 oder 1600 Jahren keine Befreiten mehr geben soll.


    Fasst man dies wortwörtlich auf, macht dies den Dialog zwischen den Gruppen sehr schwierig, weil es ja leicht auf ein "Alle anderen sind auf dem falschen Dampfer" hinausläuft. Dies muss aber nicht der Fall sein, da wenn man über ein naives Verständnis hinausgeht die Unterscheidung was "fremde Kraft" und was "eigene Kraft" ist, sehr subtil werden kann.



    Ich sehe es so: Amida (andere Kraft) ruft mich. Mein eigener "Beitrag" (Eigenkraft) besteht allenfalls darin, mich diesem Ruf vertrauensvoll zu öffnen oder eben nicht. Den "Rest" erledigt im Falle meines Vertrauens (das mir aber im Grunde ebenfalls von Amida geschenkt wird) wiederum Buddha Amida.


    Shinrans teilweise provokante (pädagogische?) Aussagen sollten natürlich auch im Kontext seiner eigenen Lebensgeschichte bzw. der damaligen Zeit (Mappo) verstanden werden. Ich frage mich allerdings, ob unsere heutigen Zeiten so viel besser sind ...


    Was mir an Shinrans Aussagen wirklich imponiert, ist die "Gleichsetzung" von Amida mit bedingungsloser Barmherzigkeit. Wer sich davon nicht angerührt fühlt, ist m. E. keineswegs auf dem falschen Dampfer - aber eben nicht auf meinem.


    Und noch etwas: Shinran entkoppelt das für mich zentrale religiöse Element "Vertrauen" sehr klar von Ethik/Moral. Meines Wissens passiert das nirgendwo sonst in dieser Konsequenz - am ehesten vielleicht noch bei Luther (sola fide).



    Meine Vermutung dürfte richtig sein: Der "leichte Weg" ist anscheinend unter westlichen Buddhisten wenig bekannt. Es handelt sich dabei um den "Reines Land-Buddhismus" - wobei ich mich vor allem auf die Auslegung von Shinran Shonin beziehe.


    "Effektivität" wurde im Text erläutert und bezieht sich darauf, dass eine effektive buddhistische Praxis ein Erwachen in diesem Leben - also "zeitnah" - ermöglichen sollte - und das nicht nur theoretisch sondern tatsächlich! Aus meiner Sicht hat das nichts mit Betriebswirtschaftslehre zu tun, sondern mit viel Hoffnung für schwache Menschen (wie mich), die eben keine Willensakrobaten sind und ein "Langzeitprojekt" nicht so leicht durchstehen.


    "Selbstbefreiungspraxis" meint Befreiung aus eigener Kraft durch entsprechende buddhistische Praxis bzw. ethisch-moralisch einwandfreien Lebenswandel.


    "Buddhafern" habe ich in meinem Eröffnungstext nicht zufällig unter Anführungszeichen gesetzt; ich meinte damit nicht die Abwesenheit der Buddhanatur in uns, sondern die zeitliche Ferne von uns heute lebenden Menschen von der ursprünglichen Verkündigung der Lehre durch Gautama Buddha.



    Was ist im Übrigen schlecht daran, Erleuchtung zeitnah und ohne eigene Gegenleistung zu bekommen - also als Geschenk? Ich will und kann mich nicht mit der Idee abfinden, dass Erleuchtung womöglich über Kalpas hinweg hart erarbeitet werden muss! Das gleicht für mich einer "Buchhaltermentalität". (Sorry, ich meine das überhaupt nicht respektlos; persönlich begegne ich einer derartigen religiösen Einstellung allerdings skeptisch.)

    Ich misstraue grundsätzlich meiner Fähigkeit zur Selbstbefreiung = Befreiung aus eigener Kraft (jiriki). Vielmehr vertraue ich voll und ganz der anderen Kraft (tariki), die auch ohne mein sonstiges Zutun (fleißige buddhistische Praxis, gute Werke) alles zum Guten wendet - spätestens am Ende meines derzeitigen Lebens.


    Vor allem frage ich mich, warum so viele Buddhisten eher nach dem Motto "Warum einfach, wenn's kompliziert auch geht?" leben. Buddha hat doch auch diesen "leichten Weg" verkündet. Warum stürzen sich dennoch fast alle auf den "schwierigen Weg" (Langzeitprojekt)? Warum nehmen sie das Geschenk des "leichten Weges" nicht an? Wissen sie am Ende nicht um seine Existenz?

    Während zu Buddhas Lebzeiten das Erwachen von Anhängern seiner Lehre ein relativ häufiges Ereignis darstellte, ist es mittlerweile anscheinend recht selten geworden: Oder kennt ihr jemanden in eurem buddhistischen Umfeld, der für sich in Anspruch nehmen darf, in vollem Umfang erwacht zu sein?


    Ich frage mich: Sind die verschiedenen Methoden buddhistischer Praxis, die auf Selbstbefreiung abzielen, heute überhaupt noch ein Erfolg versprechender und einigermaßen effektiver Weg - effektiv in dem Sinn, dass sie die realistische Hoffnung auf ein zeitnahes Erwachen (in diesem Leben) nähren? Oder ist Erwachen in der Praxis ohnehin längst zu einem "Langzeitprojekt" geworden?