Beiträge von Sudhana im Thema „Buddhistische Schulen/Linien“

    antelatis:

    Wie gehen die Schulen untereinander mit sich um?

    Gar nicht. Es sind immer konkrete Menschen, die miteinander umgehen. Die dann durchaus zu unterschiedlichen 'Schulen', Traditionslinien usw. gehören können. Es gibt ein paar Grundregeln, die man beim Umgang mit anderen Menschen einhalten sollte - ganz gleich, ob sie nun zur selben oder einer anderen buddhistischen Traditionslinie gehören als man selbst oder auch 'Andersfährtige' (Nicht-Buddhisten) sind. Diese sind unter der Bezeichnung 'Rechte Rede' und 'Rechtes Handeln' zwei (sittliche) Aspekte des Achtfachen Pfades, also der persönlichen Übungspraxis von Menschen, die die dreifache Zuflucht zu Buddha, Dharma und Sangha genommen haben. Wobei es natürlich große Unterschiede hinsichtlich der Vollkommenheit dieser jeweiligen persönlichen Praxis gibt. Etwas konkretere Hinweise findet man in den verschiedenen 'Sets' von Gelübden, wobei die sog. pañcaśīla ('Fünf Sittlichkeiten') für Buddhisten aller Traditionslinien verbindlich sind. Von Selbstverständlichkeiten wie 'nicht töten' und 'nicht bestehlen' abgesehen ist hinsichtlich des Umgangs von Buddhisten untereinander insbesondere die vierte dieser fünf Übungsregeln von Bedeutung: nicht irreführend oder unheilsam zu reden / zu schreiben.


    Heilsames, um Wahrhaftigheit bemühtes Reden / Schreiben ist der Kernpunkt der Antwort auf die Frage, wie unterschiedliche 'Schulen' bzw. deren Angehörige miteinander umgehen sollten. Wie gut das jeweils umgesetzt wird, hängt von der Reife der Übung des Einzelnen ab, erzwingen lässt sich so etwas nicht. Heilsamer Umgang miteinander schließt Kritik nicht aus, im Gegenteil. Entscheidend dabei ist die Intention der Kritik - diese sollte heilsame Auswirkungen haben (beim Kritisierten wie beim Kritiker), was bei verletzender oder herabsetzender Kritik nur selten der Fall ist.


    Vom Grundsätzlichen zum Praktischen: in Foren wie diesem hier diskutiert man miteinander und da zeigt sich anschaulich, wie schwierig es sein kann, die oben genannten Grundsätze im Umgang miteinander umzusetzen. Außerdem gibt es viele Formen organisatorischer Zusammenarbeit; in Deutschland beispielsweise die Deutsche Buddhistische Union, den traditionsübergreifenden Dachverband buddhistischer Gemeinschaften und Einzelpersonen.

    antelatis:

    Wie kommt man damit klar, dass es da welche gibt, die im Namen des Buddhismus ganz andere Dinge lehren, als die eigenen Leute?

    Es geht im Buddhismus nur sekundär um Orthodoxie (die 'rechte Lehre') und primär um Orthopraxie (das 'rechte Handeln'). Wobei sich beides natürlich nicht voneinander trennen lässt, sondern das Eine zum Anderen führt. Aber dabei ist 'rechtes Handeln' der Prüfstein dafür, ob das, was da gelehrt wurde, 'rechtes Lehren' ist. Wie man bei der christlichen Konkurrenz sagt: "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen."


    Zu einem rechten Handeln ("Praxis") können durchaus unterschiedliche, sogar einander widersprechende Lehren führen - und das ist sogar gut so, weil die Menschen verschieden sind (jeweils unterschiedliche psychologische, soziale und kulturelle Ausgangsbedingungen haben) und daher für verschiedene Menschen verschiedene Lehren geeignet sein können. Speziell im Mahāyāna ist genau dies selbst eine ziemlich zentrale Lehre, nämlich die von den upāya ('geschickten Mitteln'), die im Lotossutra formuliert wird. Und damit wird auch definiert, was das 'Große Fahrzeug' (Mahāyāna) richtig verstanden tatsächlich ist: kein von anderen 'Fahrzeugen' verschiedenes, größeres, schnelleres, schöneres - sondern das 'Eine Fahrzeug' (Ekayāna), das alle 'richtigen Lehren' (geeignete, 'geschickte Mittel') umfasst.


    Eine Einschränkung gilt es da allerdings doch zu machen, denn natürlich sollten die Mittel oder Lehren auch tatsächlich 'geschickt' im Sinne dieses Einen Fahrzeuges sein. Anders gesagt: "im Namen des Buddhismus" wird Vieles gelehrt, und nicht alles davon ist auch 'geschickt' und wird insofern zu Recht "im Namen des Buddhismus" gelehrt. Das wäre dann z.B. ein Ansatzpunkt für die erwähnte Kritik. Es gibt da also ein paar Grundaussagen, zu denen eine Lehre nicht in Widerspruch stehen kann, wenn es denn eine buddhistische Lehre, ein 'geschicktes Mittel', sein soll. Auf einen solchen Kriterienkatalog, was nun 'Buddhismus' definiert, muss man sich erst einmal einigen, um eine gemeinsame Grundlage für einen Dialog zu haben. Die schon erwähnte Deutsche Buddhistische Union hat dies mit der Formulierung eines 'Buddhistischen Bekenntnisses' getan und die Anerkennung der dort formulierten Grundsätze ist Voraussetzung für die Anerkennung einer 'Schule' als buddhistisch durch die DBU. Von dem einen Satz "Ich bekenne mich zur Einheit aller Buddhisten und begegne allen Mitgliedern dieser Gemeinschaft mit Achtung und Offenheit" abgesehen, sind das alles traditionelle buddhistische Grundaussagen, die gemeinsam eine Art Definition von 'Buddhismus' im weitesten Sinn darstellen und damit auch eine Abgrenzung zu dem ermöglichen, was eben nicht "im Namen des Buddhismus" gelehrt werden kann - nämlich Aussagen, die diesen Grundaussagen widersprechen.


    Vorsorglich der Hinweis, dass nicht jeder Buddhist einer solch weiten Ziehung von Kriterien (über "Grundaussagen") zustimmen wird. Viele Buddhisten sehen ganz bestimmte Schriften oder Schriftsammlungen als (einzig) originalgetreu überlieferte Worte Buddhas (buddhavacana) an und bestehen darüber hinaus auf einem bestimmten Verständnis / einer bestimmten Auslegung (oft auf Grund traditioneller Kommentarliteratur) dieser Texte. Entsprechend enger sind dann bei diesen die Kriterien gezogen.

    antelatis:

    Gibt es da auch schon mal Ärger und Vorwürfe?

    "Ärger" sollte man meiden bzw. buddhistisches Geistestraining dient unter anderem (und nicht zuletzt) auch dazu, dass Ärger gar nicht erst aufsteigt. Für Vorwürfe gilt das schon oben zum Thema Kritik Gesagte. Ansonsten - (almost) nobody is perfect.

    antelatis:

    Wie viele unterschiedliche Schulen gibt es? Sind es nur die 5, die hier im Forum einen eigenen Bereich haben, oder gibt es noch mehr?

    Das hängt ganz davon ab, nach welchen Kriterien man die 'Schulen' (ich ziehe es vor, von Traditionslinien zu sprechen) voneinander unterscheidet. Ich persönlich finde - wenn man schon unterscheiden will - eine Unterscheidung von ostasiatischem (China, Japan, Korea, Vietnam), zentralasiatischem (Tibet, Mongolei, Bhutan, Nepal) und süd- / südostasiatischem (Sri Lanka, Myanmar, Thailand, Laos, Kambodscha) Buddhismus hinreichend. Diese drei Gruppen beziehen sich jeweils auf eine gemeinsame historische schriftliche Überlieferung (einen "Kanon"), die sich mit der der anderen beiden Gruppen nur teilweise überdeckt.

    antelatis:

    Kann eine neue Schule jederzeit auftauchen und alles noch mal ein bisschen oder gar völlig anders sehen?

    "Ein bisschen" - natürlich, und das geschieht auch ständig. Wobei die meisten dieser "neuen Schulen" eine recht kurze Lebensdauer haben. "Völlig anders" - da wäre dann zu fragen, ob es sich (z.B. entsprechend den oben angeführten Kriterien) noch um Buddhismus handelt. Aber grundsätzlich kann man so ziemlich alles, was heute im Westen als buddhistische Organisation existiert, als "neue Schule" ansehen. Das liegt an den unvermeidbaren (und auch sinnvollen) kulturellen Anpassungen der Organisationen und den kulturellen Prägungen westlicher Menschen. Letzteres lässt diese Menschen zwangsläufig "alles noch mal ein bisschen anders sehen".


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