Alles anzeigenLieber Son,
ich versuche, Dir zu antworten - muss jedoch, nachdem ich gerade Deinen Beitrag zerlegt, und auf eine besondere Weise wieder zusammengesetzt habe, gut überlegen, wie ich beginne.
Ich hatte und habe einiges zu akzeptieren: z.B. dass in meinem 27 Lebensjahr Morbus Bechterew diagnostiziert wurde (irreversibel, chronisch, degenerativ), danach wurden im Laufe der Zeit einige Operationen fällig, (unter anderem 1 Halswirbelsäulen- 2 Lendenwirbelsäulenoperationen), dazu gesellte sich die Neurodermitis, die circuläre Gesichtsfeldeinschränkung (zurzeit noch 30 & 20 % Sehkraft), usw., usw..
Es machte mich oftmals ungeduldig, immer wieder mit der Funktionsverweigerung meines Körpers konfrontiert zu sein, aber ich erkannte, sich dagegen aufzulehnen, ist irrational. ... Ich lernte von meinem Lehrer, anzunehmen, was immer auch ist, und ich mache nach bestem Wissen und Können das für mich (und mein Umfeld) Bestmögliche daraus. Mein Körper ist für mich nicht so bedeutungsvoll, sondern lediglich die momentane Wohnstatt meines Geistes.
Vorbild im Annehmen körperlicher Erkrankungen waren mir, (und werden es immer sein), mein Lehrer, (der nach schwerer, mit großer Geduld ertragener Krankheit, würdevoll und angstfrei verstarb), und Menschen wie Stephen Hawkings, der mir aufzeigte, wie wichtig es ist, sich nicht unterkriegen zu lassen und seine eigenen Prioritäten zu setzen.
Ich benötige keine Medikamente, nehme auftretende Schmerzen an, und mit in die Meditation, in der sie sich durch Ent-spannung auflösen. Ich bin mir sicher, dass die tiefe Ruhe und Gelassenheit, die ich aus meditativen Rückzügen mit in den Alltag nehme, ein Quell innerer Kräfte sind, aus dem ich schöpfen darf. Übrigens, bin ich innerlich ruhig und ausgeglichen, ist auch von der Neurodermitis nichts zu spüren oder zu sehen. (Anmerkung: dennoch regelmäßig Arztbesuche (z.B. MRT)! Was nachweislich defekt ist, muss bemerkt u. operiert werden.)
Somit bekrabbel ich mich immer wieder, fürchte tatsächlich "weder Tod noch Teufel", und werde, zu meiner großen Freude, solange aufs Motorrad steigen, bis ich auch mit einer Leiter nicht mehr hoch komme.
Zum Thema Tod von Angehörigen: ich begleitete schon viele Menschen auf ihrem letzten Weg, beruflich ebenso, wie privat. Familienmitglieder und Freunde verstarben - sowohl durch Krankheit, als auch durch Suicid ...
Das, was verbrannt, oder begraben wird, ist für mich nur die Hülle. Abschied nehmen zu müssen, ist Teil des ewigen Wandels. Dem unterliegt auch der leise, die Erinnerung begleitende Schmerz, den ich zuweilen empfinde: er wird verblassen und verwehen, mal eher, mal späteṛ, und manch einer, dieser leisen Schmerzen, erlischt vielleicht erst mit meinem Tod, den ich begrüßen werde, wie einen alten, treuen Weggefährten, der mich oftmals beschützte und sprach: nein, liebe Alte, zu früh, ... Noch sind wir nicht so weiṭ
So, Son, und nun lies einmal, was ich in Deinem Beitrag sah:
Du beschriebst das Annehmen von Leid:
Ich habe viele gesundheitliche Probleme- lange Zeit war es Qual bzw. Angst,
- mittlerweile sind auch reale körperliche Bedrohungen
- viele Arzttermine …, bin schon richtig traumatisiert,
- dann zweimal eine OP
- das Zwischenergebnis ist nicht so, dass man sagen könnte, das Leben wird unendlich sein.
- unzählige Schmerzen,
- Symptome, auch von meiner psychischen Angsterkrankung her,
- von den Medikamenten als Folge.
- muss … achtsam sein … wo spielt mir die Psyche einen Streich. Das ist kaum auseinanderzuhalten mehr.
... und Deine daraus resultierende Erkenntnis, die auch der Königssohn Siddhartha Gautama hatte, als er bei seiner Ausfahrt alte, kranke, sterbende und tote Menschen sah:
sehe … , dass das Leid deutlich höher ist, als das Glück auf dieser Welt, …
Was ich damit sagen will, ist, dass Menschen vielleicht nur dann Sachen beurteilen sollten, wenn sie Situationen bereits selbst
durchlebt haben.Aus diesem Grund verlies Siddhartha Gautama seine Familie, um einen Weg zur Beendigung des Leidens zu finden.
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Man kann wie gesagt auch im Leid Glück empfinden, dieser Meinung bin ich durchaus.
So ist es, Son. Wenn wir immer das, was ist, annehmen, wird auch Erfreuliches dabei sein (ein herrlicher Spaziergang bei schönem Wetter, oder was auch immer uns erfreut ): meine Devise: genießen - nur bitte niemals erwarten, dass eben dieses Erfreuliche unwandelbar (beständig) sei, ...
Der Buddha beschrieb das, was er als den Weg zur Befreiung vom Leid erachtete, in den Vier Edlen Wahrheiten https://de.wikipedia.org/wiki/vier_edle_wahrheiten und dem Edlen Achtfachen Pfad. https://de.wikipedia.org/wiki/edler_achtfacher_pfad (die Dir gewiss bekannt sinḍ)
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Du stellst die Kernfrage:
… wie kann ich besser leben, im Sinne weniger Angst vor Krankheit bzw. Tod?
Du kennst jedoch die einzig korrekte Antwort bereits:
weil die Dinge so oder so sind, wie sie sind, heißt man muss sie annehmen, also von den Dingen, die ich meist schreibe oder spreche, von den Dingen, die man eben selbst nicht beeinflussen kann.
... doch es gibt nicht nur das Annehmen dessen, was ist, sondern auch das Loslassen von Dingen, die man begehrṭ ... So z.B. das Begehren von Angstfreiheit ... Schau, wenn Du alles, was Dir begegnet, als Möglichkeit zu innerem Wachstum ansiehst, gewinnst Du innere Stärke. ... Weniger Angst vor Krankheit und Tod resultiert sowohl aus dem Loslassen des Wunsches nach Angstfreiheit, als auch aus dem Loslassen der Angsṭ, der Du begegnest. Tritt ihr entgegen und sage ihr, dass Ihr Freunde werden könnt. Sie wird Dir antworten: wir können Freunde sein, wenn Du Dich nicht so an mir festkrallst ... Lass mich bitte los ...
Es gibt eine sehr kurze Geschichte dazu:
ZitatDer Schüler ging niedergeschlagen zum Meister und fragte : "Wie kann ich mich von all den Erinnerungen, dem quälenden Leid, das mich an die Vergangenheit bindet, lösen ?" Der Meister stand wortlos auf, ging zu einem Felsen, umklammerte ihn und rief : "Was kann ich tun, damit dieser Fels mich loslässt ?" Quelle unbekannt
Ich weiß, Son, dass Leben der Lehre Buddhas (in allen Konsequenzen) ist nicht einfach ist, ... das hat auch der Buddha nie behauptet, aber ich versichere Dir: je mehr ich von dem, was mein Lehrer mich lehrte, in die Praxis umsetzte, desto ruhiger und gelassener wurde icḥ ...
Es gibt gewiss Dinge, vor denen ich mich fürchte: z.B. vor Entscheidungen unweiser Politiker in instabilen politischen Situationen, und der Tatsache, kein Lebewesen vor dem Leid durch Krieg und Folter beschützen zu könnte. Doch ich wende meinen Blick nicht ab, ich schaue genau hin und akzeptiere, dass alles im Wandel begriffen ist, ... in welche Richtung auch immeṛ Für mich selbst befürchte ich nichts ...
Ist es lösbar mit anderen Denkansätzen oder hilft auch hier die Meditation und wenn ja wie sollte die aussehen?
Deine Denkansätze sind hervorragenḍ. Son, Du kannst wirklich froh sein, Dir all diese Erkenntnisse erarbeitet zu habeṇ Das gelingt nur wenigen Menscheṇ.
Bitte berücksichtige, dass alles seine Zeit braucht. Mein Lehrer pflegte (nach seiner Jahrzehnte langen Praxis!) zu sagen: ich bin Schüler, mein Leben lang. ... So nimmt es auch nicht Wunder, dass das Tibetische Wort für Meditation "gom" lautet, was in etwa mit "sich gewöhnen an" zu übersetzen isṭ.
Übrigens, wenn Du nicht nur nachdenken, sondern meditieren möchtest, frage Dich, was Dir liegt. Es gibt so viele Möglichkeiten: z.B. Atemmeditation: einatmen, den kühlen Lufthauch an der Nase spüren, den Weg der Atemluft im Körper verfolgen, ausatmen, ... oder das beobachten des Geistes: alles, was da auftaucht, bemerken, aber nicht festhalten, sondern einfach vorbeiziehen lassen, usw. ... Auf jeden Fall wirstDu hier jemanden finden, der Dich in puncto Meditation gut beraten kanṇ
... Nun habe ich so viel geredet, und weiß gar nicht, ob das alles überhaupt Deine Kernfrage betrifft, ... aber weißt Du was? Ich schicke das jetzt los - und lese es auch vorher nicht mehr durcḥ Es ist einfach das, was mir spontan dazu einfieḷ So, und nun begebe ich mich in die Küche ... Ich möchte eine Tasse Buttertee.
LG mkha'
wunderbar geschrieben
mir fällt dazu noch was ein, was mein Lehrer mal sagte; und zwar, dass unser Leid uns nichts Böses will, im Gegenteil, es will uns nur in die richtige Richtung lenken.