Ich würde gerne ein bisschen differenzieren.
"Selbstliebe" klingt so als ob man immer himmelhochjauchzend über sich denkt und empfindet. Also, im Grunde genommen kann das als Selbstverliebtheit verstanden werden.
Aber ich verstehe unter "Liebe", dazu gehört auch die Liebe zu sich selbst, "miteinander durch Dick und Dünn zu gehen". Also auch zu sich stehen, wenn man mal nicht zu sich stehen kann, wenn man gerade dabei ist sich selbst zu zerfleischen, sich zu hassen, sich vor sich selbst zu ekeln. Das hat was mit Aushalten zu tun, Geduld und Abwarten. Ich kann mich also auch selbst lieben, wenn ich das mal anders empfinde, einfach indem ich mir gegenüber nicht die Hoffnung und die Geduld verliere. Damit legt man dann weniger Gewicht auf momentane Gefühle, sondern nimmt eine grundlegende Haltung ein. Normalerweise lieben uns unsere Eltern auch, wenn wie ihnen Mühe machen oder in einer schwierigen Lebensphase sind. Diese Elternhaltung können wir uns selbst gegenüber einnehmen. Wir können dies auch lernen, wenn wir das von den realen Eltern nicht in ausreichendem Maße bekommen haben. Ist halt schwer, aber nicht unmöglich.
Der Dharma lehrt, dass alles vergänglich ist. Somit sind auch diese Tiefen vergänglich. Wenn ich also gerade in Selbstzweifeln versinke, dann kann das Wissen um die Vergänglichkeit dieses Zustandes hilfreich sein.
Im übrigen sehe ich im Selbstzweifel Nutzen: Er hilft bei unserer Entwicklung weiter. Nur wenn er alles beherrschend wird, den Blick auf anderes verstellt, zu einem statischen, lähmenden Zustand führt, ist er schädlich. Sich wegen Selbstzweifel abzulehnen ist daher kontraproduktiv. Besser ist es, dies als grundlegende Tugend zu betrachten und sie in einer günstigen Weise kultivieren zu lernen. Anfangen kann man mit dieser Sichtweise, indem man sich z.B. überlegt, dass man andere, denen es genauso geht, besonders gut verstehen kann. Wie erleichternd ist es doch, Leute zu finden, die einen verstehen! Das kennen wir alle. So hat dieser Selbstzweifel, den wir aufgrund des Missempfindens, das er auslöst, ablehnen und als persönlichen Makel werten, schon den ersten positiven Aspekt und bildet zugleich eine Brücke zu den Mitmenschen. Gleichzeitig kann man sich schon allein damit in einem besseren Licht sehen.