Es wäre sinnvoll zu wissen, in welchem Fach diese Bachelor-Arbeit geschrieben werden soll. Eine religionswissenschaftliche Arbeit scheint es wohl eher nicht zu sein (hoffentlich). Generell ist "Speisegebote/Vorschriften" eine Kategorie, die schon im Kontext Christentum kaum noch sinnvoll anzuwenden ist. Die Speisegebote des Judentums (und die des durch sie inspirierten des Islam) sind archaisch-magisch, es geht da um den Antagonismus Reinheit / Unreinheit. Eine Ablösung von diesen Speisegeboten gab es im Christentum bereits beim sog. Apostelkonzil (nicht vollständig, aber in sehr weitem Ausmaß) und schließlich endgültig beim ersten ökumenischen Konzil (Nicäa, 375 n.d.Z.). Bei den christlichen Fastengeboten handelt es sich typologisch um etwas völlig anderes, nämlich um Bußübungen. Bezeichnend ist, dass diese Fastengebote (die in den verschiedenen christlichen Kirchen durchaus uneinheitlich sind) lediglich temporäre Gültigkeit haben.
Beides - Speisegebote und Fastengebote - haben nun wiederum keine Parallele im Buddhismus. Insofern kann da jeder "Vergleich" nur einer von Äpfeln mit Birnen sein. Um mit dem zu beginnen, was noch am ehesten an ein Speisegebot erinnert: dem Vinaya-Ordinierten ("Mönchen" bzw. "Nonnen") untersagten Verzehr von Fleisch, das von Menschen, Hunden, Pferden, Elefanten, Leoparden, Tigern, Löwen, Bären, Hyänen und Schlangen stammt. Wie unmissverständlich aus dem Kontext bzw. der Begründung dieser Ordensregel hervorgeht (Vinaya, Mahavagga, Khandhaka 6, Kap. 23) entstammt dieses Gebot nicht irgendwelchen Konzepten von Reinheit / Unreinheit, sondern es ist vielmehr ein Reflex auf bei anderen Bevölkerungsgruppen bestehende Speisetabus. Deren Respektierung soll Diffamierung des Ordens oder Schlimmerem durch eben diese Bevölkerungsgruppen vorbeugen und nicht zuletzt auch Angehörigen dieser Gruppen nicht die Hinwendung zum Buddhadharma erschweren (Zitat: "Dies nützt nicht, O Närrischer, der Bekehrung der Unbekehrten", a.a.O.). Es geht hier also um soziale Akzeptanz des Mönchsordens durch Außenstehende, die sich solchen Speisetabus unterwerfen.
Ansonsten gibt es im Vinaya umfangreiche Bestimmungen darüber, wie mit Essensspenden umzugehen ist. Dabei gibt es grundsätzlich - von den o.g. Ausnahmen abgesehen - keine Speisetabus. Bei den sonstigen Bestimmungen geht es darum, in Bezug auf das Essen zu gewährleisten, dass der Ordinierte einen "mittleren Weg" zwischen Askese und Hedonismus geht. Es geht also nicht um magisch-rituelle Reinigungspraktiken wie bei der Beachtung von Tabus (trefe, harām) oder um Bußübungen wie beim Fasten, sondern um Beschränkung auf das Notwendige und um die soziale Akzeptanz dieser Lebensweise. Dies sollen die diversen Regelungen des Vinaya gewährleisten, was umso deutlicher wird, wenn man sich nicht nur die bloße Auflistung der Regeln im Pratimoksha anschaut, sondern deren jeweiligen Anlass und Begründung im Vinaya studiert. Dass etwa ein Christ die Regelung, Nahrung nur zwischen Sonnenaufgang und Mittag zu sich zu nehmen, als asketisch empfindet, ist lediglich eine Außensicht - als 'asketisch' galten insbesondere zu Buddhas Zeiten ganz andere Praktiken, die - da sie Buddha selbst ausgeübt und als nicht zielführend verworfen hatte - anschaulich in verschiedenen Sutren geschildert werden.
Der buddhistische Umgang mit Nahrung ist also nicht durch rituell-magische Vorstellungen von Reinheit bestimmt und er ist nicht asketisch im Sinne einer (temporären) Bußübung, er ist vielmehr Teil einer wesentlich ethisch bestimmten Lebensweise. Leitmotive dieses Ethos sind hinsichtlich persönlicher Lebensführung die Aufhebung von Begierde und Hass (in psychoanalytischer Diktion: Lust und Unlust) als Handlungsantrieben in einem 'mittleren Weg' und in sozialer Hinsicht das prinzip ahimsa (Nicht-Verletzen), wobei der 'soziale Raum' nicht nur alle Menschen ungeachtet ihrer sozialen, politischen, kulturellen und religiösen Zuordnungen umfasst, sondern 'alle (fühlenden) Wesen', sarvasattva. Somit ist unausweichlich die Frage des Fleischverzehrs von zentraler Bedeutung.
Ein entsprechendes Speisegebot (Fleisch als Nahrung abzulehnen), das von Teilen des Ordens um Devadatta propagiert wurde, hat Buddha explizit abgelehnt - zum einen wegen der hinter diesem Vorschlag stehenden asketischen Tendenz, aber vor allem auch um zu verdeutlichen, dass Ordinierten als Bettlern keine Wahlfreiheit hinsichtlich dessen, was sie als Spende empfangen bzw. annehmen, zusteht. Von den oben erwähnten Ausnahmen (Nahrungstabus Außenstehender betreffend) abgesehen, muss alles angenommen werden, was gespendet wird. Auch Fleisch. Es darf hinsichtlich Nahrung auch nicht um bestimmte Nahrung (z.B. Fleisch) gebeten, geschweige denn solche gefordert werden. Erbitten ist lediglich - eine entsprechende Erkrankung vorausgesetzt - bei als Medikament eingestuften Lebensmitteln wie z.B. Honig zulässig. Einen Ausweg aus dem Dilemma, durch Annahme von Fleisch mittelbar gegen das ahimsa-Prinzip zu verstoßen, ist da der (etwas faule) Kompromiss "gesehen, gehört, vermutet" (daß das Tier für den Spendenempfänger getötet wurde): Jivaka Sutta, MN 55. Recht eingehend auf religionswissenschaftlichem Niveau wird die Frage des Vegetarianismus im Pali-Buddhismus in einem Artikel James Stewarts im Journal of Buddhist Ethics, Vol. 17, 2010 behandelt. Als PDF hier herunterladbar: http://www.shabkar.org/downloa…Diet_in_Pali_Buddhism.pdf
Es kann nicht überraschen, dass dieser Kompromiss von Vielen als wenig befriedigend bzw. inkonsequent empfunden wurde. Insbesondere im Mahayana wurde eine andere Sichtweise vertreten, da wird die - wie indirekt auch immer - karmische Beteiligung des Empfängers fleischlicher Nahrung an den Umständen, Ursachen und Bedingungen ihrer Erzeugung, insbesondere des Tötens, als eindeutig unheilsam gewertet. Hinzu kommt noch, dass durch das Annehmen von Fleisch dem unheilsamen Handeln der Fleischerzeuger (Züchter, Schlachter, Köche ...) Vorschub geleistet und ihnen damit durch den Empfänger geschadet wird.
In etlichen Mahāyana-Sutren (u.a. - um nur die wichtigsten zu nennen - Mahāyāna Mahāparinirvāṇa Sūtra, Laṅkāvatāra Sūtra, Śūraṅgama Sūtra) wird daher der Verzehr von Fleisch unmissverständlich unter allen Umständen als unheilsam eingestuft. Entsprechend wird in Ostasien bei der Bodhisattva-Ordination (die zusätzlich zur Vinaya-Ordination oder auch von Laien empfangen wird) u.a. auch das Gelübde abgelegt, nicht absichtlich / bewusst Fleisch zu essen, und zwar als drittes von 48 sekundären Gelübden, zusätzlich zu 10 primären. Diese Bodhisattva-Gelübde sind in dem (erst in China entstandenen) Mahāyana Brahmajāla Sūtra enthalten. Interessanterweise wird im vierten der 48 sekundären Gelübde auch dem Genuss der fünf 'stechend riechenden Kräuter' entsagt (Asafoetida, Knoblauch, Zwiebel, Lauch und Schnittlauch). Dies wiederum beruht auf einer Passage des Śūraṅgama Sūtra, wonach diese Kräuter in gekochtem Zustand insbesondere bei in ihrer Übungspraxis wenig Fortgeschrittenen sexuell anregend wirken, in rohem Zustand den Gleichmut stören können. Auch hier also kein rituell-magischer und kein asketischer, sondern ein rein diätetischer Hintergrund.
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