Beiträge von Sudhana im Thema „'Verzeihen' im Buddhadharma“

    Ich merke mir dann mal den Buch-Titel :grinsen:

    OT: Grundsätzlich ist es empfehlenswert, ein Studium Aryadevas auf den Mūlamādhyamakakārikā aufzubauen - das ist die Suppe, die Aryadeva lediglich ein wenig nachgewürzt hat. Die Übersetzung Brosamer / Back (ISBN 3447052503) hat nicht nur den Vorteil, auf Deutsch zu sein - es ist überhaupt eine hervorragende und hilfreich kommentierte Übersetzung. Auf jeden Fall die beste in deutscher Sprache erhältliche.


    ()

    śūnyatā sarvadṛṣṭīnāṃ proktā niḥsaraṇaṃ jinaiḥ
    yeṣāṃ tu śūnyatādṛṣṭis tān asādhyān babhāṣire
    Die Leerheit wurde von den Siegreichen [= Buddhas] als Zurückweisung jeglicher Ansicht gelehrt
    Diejenigen aber, für welche die Leerheit eine Ansicht ist, die wurden für unheilbar erklärt.
    (Mūlamādhyamakakārikā 13.8, Übersetzung Brosamer / Back)
    ()

    "Verzeihen" ist ein Begriff mit sehr deutlich christlichen Konnotationen. Er basiert vor allem auf dem Begriff Schuld; Verzeihung ist ein Schuldenerlass, der die Beziehung zwischen zwei Menschen oder zwischen Mensch und Gott auf eine neue, 'schuldenfreie' Basis stellt. Paradigma ist die Vergebung der menschlichen Schuld gegenüber Gott, vermittelt durch den Opfertod des Messias als Buße. Entsprechend soll Verzeihung / Vergebung die Ekklesia (Kirche als geistliche Gemeinschaft) befrieden. Vgl. das christliche Glaubensbekenntnis - "vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern". Die (heute) positive Bewertung von Verzeihung auch im profanen Bereich gründet auf diesem christlichen Gedanken, sie verdrängte allmählich die positive ethische Bewertung der Vergeltung. Dass diese letztere, positive Bewertung noch existiert und dementsprechend auch sozialen Erwartungsdruck auf Menschen ausübt, sieht man insbesondere in Kulturen, in denen sich das Prinzip der Blutrache gehalten hat.


    Mit dem Buddhadharma hat das alles jedenfalls herzlich wenig zu tun. Die Vorstellung von Schuldbeziehungen zwischen Wesen beruht auf auf einer atman-Sicht. Der Buddhadharma hingegen lehrt: es gibt die Tat, doch nicht den Täter - mithin auch keinen Schuldner als feste, bleibende Identität, dem man irgendetwas verzeihen könnte und keinen Gläubiger als bestehenbleibende Identität, der etwas verzeihen oder vergeben könnte.


    Die soziale Ethik des Buddhadharma beruht nicht auf Ideen von Schuld und Verzeihung, sondern auf der von Buddha empfohlenen Kultivierung der Geisteshaltung von maitri, karuṇa, muditā und upekṣa. Diese Geisteshaltung lässt irrige Vorstellungen wie Schuld und Vergebung (oder Sühne) gar nicht erst aufsteigen. Vergeltung hingegen bewirkt das willentliche Tun (karma) selbst - dazu bedarf es keines Schuldeneintreibers und diese karmische Vergeltung kann auch durch keinen Akt eines Anderen - Verzeihung oder Vergebung - aufgehoben werden. Letzteres ist nur eine schöne, aber völlig irrationale Illusion. Was nicht bedeutet, dass Verzeihung für Wesen mit atman-Sicht keine hilfreiche, heilsame Illusion sein kann. Ein upāya, das allerdings nur gegen das Geistesgift Hass wirksam ist, nicht gegen das der Verblendung.


    ()