Beiträge von Karnataka im Thema „Was hindert einen Menschen daran, im Augenblick anzukommen?“

    Vielleicht interessant dazu die Ansicht eines Neurowissenschaftlers. Das sehr anspruchsvolle Zitat zur Achtsamkeitsmeditation handelt zwar besonders vom Thema Angst, meint jedoch eine grundsätzliche Hypothese. Auch wenn das Zitat sehr fachspezifisch ist, kann es vielleicht einen Eindruck vermitteln zur möglichen Sinnhaftigkeit von Achtsamkeitsmeditation, die sich auf den Atem richtet.


    Joseph LeDoux: Angst ; Seite 504 ff. ; Ecowin Verlag 2016 :


    Wagen wir uns nun einmal an eine Übung in reiner Spekulation. Durch kontrollierte Atmung werden die Arousal-Systeme so eingebunden, dass auf dem Weg über die Netzwerke des Arbeitsgedächtnisses eine dauerhafte Aufmerksamkeit möglich wird. Da sich die Atmung so weit trainieren lässt, dass sie zur Gewohnheit wird und auch ohne exekutive Kontrolle ablaufen kann, darf die exekutive Kontrolle sich nun ausschließlich auf die aufmerksamkeitsgesteuerten Inhalte des Arbeitsgedächtnisses richten. Wir haben zwar die Aufmerksamkeit bisher in dem Zusammenhang der Auswahl von Inhalten diskutiert, die ins Arbeitsgedächtnis vordringen, zur Auswahl gehört aber definitionsgemäß auch der Ausschluss. Exekutive Funktionen könnten also in der Lage sein, Informationen am Vordringen in das Arbeitsgedächtnis zu hindern. Tatsächlich hat sich in Studien gezeigt, dass Menschen trainieren können, bestimmte Reize oder Erinnerungen zu ignorieren. Wenn man das Arbeitsgedächtnis von äußeren Reizen und Erinnerungen an das Selbst (episodisches Gedächtnis und autonoetisches Bewusstsein) isolieren kann, lässt sich möglicherweise eine dauerhafte Konzentration auf den freien Fluss ungefilterter Gedanken aufrechterhalten, wobei die von der Atmung erzeugte Kontrolle über die Arousal-Systeme unterstützend wirkt. Dies wäre so etwas wie ein reiner Zustand eines „selbst-losen“ Arbeitsgedächtnisses.

    Wie könnte das selbst-lose Arbeitsgedächtnis aus diesem Szenario dazu beitragen, Furcht und Angst zu lindern? Wie ich dargelegt habe, sind Gefühle von Furcht und Angst verschiedene Zustände des autonoetischen Bewusstseins, und damit handeln sie vom Selbst. Wenn die neuronalen Schaltkreise, die dem Arbeitsgedächtnis die notwendigen Zutaten zum Erleben dieser Gefühle liefern, durch Meditation wirksam unter Kontrolle gebracht wurden, ist der „selbst-lose“ Geist nicht in der Lage, Furcht oder Besorgnis im Sinne eines persönlichen Erlebens zu spüren. Mit ausgiebigem Training könnte man lernen, diesen selbst-losen Geisteszustand herzustellen, wenn die Möglichkeit einer Bedrohung oder Besorgnis besteht, und damit könnte man die kognitive Konstruktion der Furcht- oder Angstgefühle kurzschließen. Mit einer solchen mentalen Haltung können wir besser denken und handeln, da wir „bewusster“, „vorurteilsloser“ und „stärker in der Gegenwart“ leben und die nützliche Wirkung der Meditation für das körperliche und mentale Wohlbefinden herstellen können.