Beiträge von Doris im Thema „Verzehr von Fleisch aus Supermarkt moralischer als selber jagen?“

    Leitet man seinen Ethos davon ab und beschränkt ihn, dann kann man sagen, dass man einem Menschen nur die Fähigkeit zur Bewusstwerden nehmen muss, und dann darf man mit ihm machen, was man möchte. Dazu könnte bereits eine tiefe Narkose dienen. Eine Frau im Koma darf man demnach vergewaltigen (wie es gerade durch die Presse geht), denn sie ist ja "nur Gemüse".

    Auf die Idee, das so abzuleiten, würde ich nie kommen. Denn hier ist die Komplexität des Wesens grundsätzlich gegeben. Das Bewusstsein war vorher da, ist jetzt auf einer anderen Ebene weiterhin da, und wird oder kann nach dieser Phase wieder erkennbar da sein. Du verwechselst hier Bewusstsein mit Wachbewusstsein oder "bewusst sein" im Sinne von wach sein. Ein Mensch bleibt ein Mensch, auch wenn er gerade nicht wach ist.

    Was ist mit Hirntoten?

    Interessanterweise wird gesagt, dass ein Buddha nicht mehr reflektiert. Und ein Buddha empfindet auch kein Leid ;)

    Das ist das Konzept von Leid aus der buddhistischen Psychologie. Nur ist das eine starke Beschränkung des Begriffes "Leidensfähigkeit".

    Leitet man seinen Ethos davon ab und beschränkt ihn, dann kann man sagen, dass man einem Menschen nur die Fähigkeit zur Bewusstwerden nehmen muss, und dann darf man mit ihm machen, was man möchte. Dazu könnte bereits eine tiefe Narkose dienen. Eine Frau im Koma darf man demnach vergewaltigen (wie es gerade durch die Presse geht), denn sie ist ja "nur Gemüse".


    Wir können täglich sehen, wie sich dieses Denken auf den Zustand der Erde auswirkt. Wir sind immer noch im Glauben verhaftet, wir wären irgendwas besseres als die anderen Bewohner und Gestalter dieses Planeten. Wobei man hinzufügen muss, dass dies eine moderne Denkungsart ist, eine der Menschen, die sich die Erde untertan gemacht haben, ohne dabei den essentiellen Aspekt der Verantwortung bewusst zu werden, der in dieser Aufforderung steckt.

    Mich interessiert ihr Leid, so wie es für sie ist. Und da sehe ich Abwehrmaßnahmen, Eingehen, Rückzug, verfrühtes Blühen usw.

    Wenn ich Dir ein einfaches Computerprogramm schreibe, das all diese Reaktionen auf Reize zeigen kann, nimmt Du dann auch an, dass der Computer bzw. das Programm Leid empfinden kann?


    Da gab es ja mal diese "Tamagotchis" - da lebte ein kleines "Wesen" das Hunger signalisiert hat, geschlafen hat, gute oder schlechte Laune zeigte, und vom Besitzer richtig behandelt werden musste, damit es sich gut entwickelt und nicht stirbt. Keine KI, simple Programmzeilen mit ein paar Zufallsgeneratoren, auf dem Rechenlevel einer digitalen Armbanduhr aus den 90ern. Leid?

    Du weißt, dass es bereits eine Debatte um KI gibt.

    Ein Tamagotchi ist sicher noch keine KI. Eine Pflanze ist kein Tamagotchi.


    Zitat

    Gut, ein Koan ist keine Wissenschaft sondern hat andere Zwecke. Aber logisch betrachtet könnte man sagen, dass eben "hören" etwas anderes ist, als "auf Schallwellen reagieren".


    Warum?

    Höre ich einen großen Krach, dann zucke ich automatisch und reflexartig zusammen. Da wird kein Denkprogramm vorgeschaltet. Da ist lebenswichtig, dass es so reflexartig geht.

    Trotzdem: Wenn es darum geht wie ich mich ernähre stelle ich mir die Frage, wie sehr ein Lebewesen leiden muss weil ich es - oder ein daraus hergestelltes Produkte - esse. Auch wenn manche Pflanzen auf ihre Art und Weise sehen/hören/fühlen können (die wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema sind äußerst interessant) ist es höchst unwahrscheinlich, dass sie auch Leid empfinden können. Als Laie mag sich diese Schlussfolgerung logisch anhören ("Na, wenn die auf so vieles reagieren können, müssen sie ja auch Leid empfinden können!"), tatsächlich ist das aber sehr weit hergeholt.

    Leid im Sinne des Buddhismus interessiert mich nicht im Bezug auf andere Wesen. Das Konzept ist für sie irrelevant, es entspringt dem menschlichen diskursiven Denken und Erleben. Wir sind nicht das Zentrum der Welt.

    Wir haben schlicht keine Ahnung, wie es ist eine Pflanze zu sein. Aber wenn wir unser Nichtgetrenntsein (nicht nur im Sinn der buddhistischen Psychologie) erkennen, dann können wir auch Mitgefühl mit Pflanzen entwickeln.


    Mich interessiert ihr Leid, so wie es für sie ist. Und da sehe ich Abwehrmaßnahmen, Eingehen, Rückzug, verfrühtes Blühen usw.

    Im Grunde machen wir komplexer aufgebaute Wesen auch nichts anderes.

    Nicht wirklich, denn zum Klang gehören immer zwei Seiten, die Schallwelle allein macht noch keinen Klang. Erst wenn dieser Klang auf einen Körper trifft und diesen zum Schwingen bringt, und dann Nervenimpulse das weiterleiten, und aus dieser Information Klang erzeugt wird, kann man von einem Ton reden.

    Die Pflanzen können diese Schallwellen wahrnehmen und als Information weiterverarbeiten. Daraufhin beginnen sie mit der verstärkten Produktion von Nektar, um die Bienen stärker anzulocken. Wahrscheinlich werden sie den Schall anders wahrnehmen wie wir, aber das tut schon ein tauber Mensch und andere Tiere auch, z.B. die Fähigkeit Ultraschall wahrzunehmen bei Fledermäusen.


    Zum Koan: Ist gerade keine Doris da, die den Baum umfallen hört und weshalb es den umfallenden Baum für sie nicht gibt, so sind da unzählige andere Wesen, die die Schallwellen wahrnehmen und auf sie reagieren.

    Wir wissen nicht, wie Pflanzen empfinden. Wir können nur beobachten und unsere Schlüsse ziehen, die wir in einer Weise machen, die uns als Tiere, als Primaten möglich sind. Kein Nervensystem zu haben, das dem der Tiere gleicht (die Unterscheidung Tier–Pflanze entspringt dem menschlichen Denken), bedeutet nicht, dass Pflanzen nicht leiden können. Sie tun das womöglich anders als wir es tun.

    Letztens las ich einen kleinen Artikel darüber, dass Pflanzen hören können und die Produktion des Blütennektars steigern, wenn sie das Brummen von Bienen hören (man muss dann wohl von "Hören" sprechen, denn sie registrieren die Schallwellen – was wiederum das Koan vom Umfallen eines Baumes im Wald doch ein wenig aushebelt :grinsen: ).


    Wenn man mehr Verbindung zu den Mitwesen, zum Leben bekommt, dann steigt auch die Beziehung zu den Pflanzen. Sie wird sogar eine persönliche. Gärtner haben sie, Kinder haben sie häufiger, und ganz gewiss ist diese in den Naturreligionen üblich. Bei mir selbst merke ich das und wie schwer es mir fällt, manche Pflanzen im Garten herauszuziehen. Vor einem Fenster wächst eine große alte Esche. Sie begleitet mich schon fast mein ganzes Leben. Sie ist das erste, das ich morgens sehe und das letzte am Abend. Für mich ist sie kein Irgendwas, sie ist ein lebendiges Wesen, ein Gegenüber mit einer Persönlichkeit – wenngleich mir diese im Dunkeln bleibt, so weiß ich um sie.


    Wenn man alle Lebewesen auf der Erde als eine Einheit in Vielfalt betrachtet, das nicht anders ist als der "einzelne" Organismus "Ich", dann verabschiedet man sich von der Idee, dass es hier irgendwas geben könnte, das "nur" dies oder das sei. Auch ich bin ein Planet mit Billionen von Wesen in mir und auf mir. Wir zusammen bilden "Doris". Jedes Einzelwesen ist unverzichtbar, individuell und einmalig.


    Als Fazit bleibt dann nur die Achtung vor jedem einzigen Wesen, unabhängig davon wie wir es kategorisieren. Natürlich kann das ein Dilemma darstellen, denn wir müssen essen. Aber wenn man das Leben als einen Prozess von Werden und Vergehen versteht, einer gegenseitigen Abhängigkeit ohne Trennung, dann löst sich das Dilemma auf. Man geht mit allen Wesen, mit der ganzen Erde so schonend wie nur möglich um, das betrifft auch Pflanzen, Pilze, Bakterien, die Erdkrume … und sogar Steine.

    Täter und Opfer zugleich, sozusagen.

    Das sind wir ohnehin. Wir leben, und das beinhaltet das Töten.


    Natürlich schaffen wir den Markt durch unsere Nachfrage.

    Wenn kein Fleisch gekauft wird, wird keines produziert und auf den Markt geworfen.

    An Innereien lässt sich das gut zeigen: Die Leute mögen keine Innereien mehr kaufen. Jetzt gibt es sie auch nirgendwo mehr zu kaufen. (Bis auf ganz wenige Ausnahmen.) Ich bin mit Kutteln, Nieren, Lungen, Leber, Därmen, Hirn aufgewachsen. Versuche das heute mal zu kaufen.

    Ich kann damit leben. Mörder bin ich aber trotzdem keiner.

    Aber Du erteilst den Auftrag. Wenn wir Fleisch kaufen, dann schaffen wir den Markt.

    Keine Konsumenten, kein Markt. Kein Markt, kein Töten. So einfach ist das.


    Versteh mich nicht falsch. Ich hab eine Zeit lang wieder Fleisch gegessen. Ich konsumiere Milchprodukte, das erfordert das Töten der Kälber und dann der Kühe. Ich bin Teil dieses Systems und trage Mitschuld. Fertig.

    Würden Bauern die Arbeit auf sich nehmen und Tiere zum Verzehr züchten, die sie dann nicht verkaufen könnten, weil keine Fleisch kauft?

    Würde es im Supermarkt eine Fleischtheke geben, wenn keiner Fleisch kaufen würde?


    Ich würde mir da nichts vormachen. Zwar tötet man durch den Kauf nicht selber, ist aber Teil der Tötungs- und Verwurschtungsindustrie (!). Damit muss man dann auch leben können.

    Der Punkt ist, sobald man sich das wirklich eingesteht, also ohne irgendwelche Ausflüchte und Schönreden, überkommt einen das Verlangen den Konsum einzustellen. Das ist wesentlich. Denn das Fleisch schmeckt zu gut, um so weit zu gehen.


    Über die Auswirkungen auf unseren Planeten, wenn auf die Menge der momentanen Viehzucht verzichtet würde, gibt es genügend Studien. Es müsste schon überzeugen, dass große Teile des Urwaldes in Amazonien abgeholzt werden, um Futter für Rinder anzubauen.


    Und ja, man kann achtsamer mit seinem Fleischkonsum umgehen: weniger konsumieren (z.B. maximal einmal pro Woche – nein, kein halbes Schwein :grinsen:) , alle Teile des Tieres essen, auf artgerechte Haltung achten, fairen Preis bezahlen, darauf achten, wie die Tiere getötet wurden.


    Ich möchte nicht verurteilen, und tue das nicht. Mir geht es nur um die Ehrlichkeit. Das bezieht mich selbst mit ein.

    Wenn man schon Fleisch essen möchte, dann gibt es die Möglichkeit darauf zu achten, dass das Tier artgerecht gehalten wurde und möglichst wenig Stress bei der Tötung erleiden musste.

    Es gibt wohl schon Rinderzüchter, die das Rind auf der Weide erschießen, so dass es gar nicht merkt, was ihm geschieht. Das wäre so eine Möglichkeit.

    Man muss sich kundig machen wo man das beziehen kann.