Es mag fast ein halbes Hundert deutsche Fassungen des Tao-Te-King von Lao-Tse geben. Nur wenige davon beruhen auf Uebersetzungen aus dem Chinesischen, die meisten stellen mehr oder weniger persönlich geprägte Nachdichtungen auf Grund der Uebersetzungen dar.
So weit Rudolf Backofen im Vorwort seiner Übersetzung (von 1949). Mittlerweile liegen in Deutsch ca. doppelt so viele Übersetzungen (respektive Nachdichtungen) vor. Backofen selbst war kein Sinologe, griff aber zumindest auf die wichtigsten französischen, englischen und amerikanischen Übersetzungen zu. Als Übersetzung eines Sinologen wäre mE insbesondere die von Günter Debon (von 1961 - Lehrstuhl für Sinologie in Heidelberg 1968 - 1986) zu nennen, den ich insbesondere auch als Übersetzer chinesischer Lyrik schätze. Was die "Nachdichtungen" angeht, so ist die gänzlich unkommentierte von Walter Jerven (von 1928) seit über vier Jahrzehnten mein Favorit.
Herrn Kopps Übersetzung kenne ich nicht, aber den Kommentar von Mathias Claus, der das Portal 'Das klassische China' betreibt, wo er auch sämtliche auf deutsch erschienenen Übersetzungen des Daodejing (über 100) vorstellt, seine eigene von 2006 eingeschlossen, möchte ich hier mal zitieren:
Was rechtfertigt eine neue Übertragung des TaoTeKing, wenn bereits gut fünfzig vorherige Ausgaben eine ebenso „knappe Sprachform“ des Originals beibehalten und seinen „rätselhaften Charakter“ pflegen? Warum keine Ausführungen, warum keine Erhellung? Von welcher „Wahrung des Sinngehalts“ sprechen wir da noch? Und die Ironie des Zen-Meisters, der Mystiker Lao Tse mache uns das Verständnis ja wirklich schwer, indem er keine vernünftigen Argumente biete, ist mehr ein Seitenhieb als Hilfestellung.
Für den Leser wäre es da eigentlich schöner, von einem Zen-Meister etwas "hinter die Kulissen des weltlichen Scheins" geführt zu werden und ein paar Anregungen mit auf den Weg zu bekommen.
Nun ja - jedenfalls ist das Daodejing ein Buch, in das sich mehr hineinlesen als sich herauslesen lässt. Was ja auch etwas für sich hat. Da ist die Frage nach einer geeigneten Übersetzung nicht zuletzt die Frage nach einer persönlichen Projektionsfläche.