Beiträge von Sudhana im Thema „Aktuelles im Fall Sogyal Lakar / Rigpa“

    Aber wenn man sich den Wortlaut anschaut, dann geht es in dem Artikel in erster Linie um Menschen, die psychisch labil und daher manipulierbar sind.

    Sorry, aber höflicher kann ich es nicht ausdrücken: das ist schlicht Quatsch. Zwar kann psychische Labilität Grund für eine Psychotherapie sein, aber bei weitem nicht Jeder, der sich psychotherapeutisch behandeln lässt, ist auch psychisch labil. Mögliche Indikationen findest Du beispielsweise hier. Und Manipulierbarkeit wiederum setzt auch keine psychische Labilität voraus. Schlichte Gutgläubigkeit und unangebrachtes Vertrauen reichen da schon - insbesondere in Verbindung mit Autoritätsgläubigkeit.


    Es geht hier um einen Gesetzestext und in dem wiederum geht es - wie bei Gesetzesparagraphen üblich - um genau das, was da auch steht: in Absatz zwei um psychotherapeutische Behandlung. Was da genau behandelt wird - von Demenz bei Alzheimer (ICD-10-GMF 00.-) bis hin zu Daumenlutschen und Nägelkauen (ICD-10-GM F98.88) - ist unerheblich.


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    Hinweis: es gibt ein Update auf Buddhismus im Abseits.

    Ich kann da keinen juristischen Bezug herstellen.

    Das kann man recht einfach, wenn man eine buddhistische Lehrer-Schüler-Beziehung als "Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnis" auffasst. Auch die Analogie zur "psychotherapeutischen Behandlung" in Absatz 2 sollte eigentlich einleuchten - die buddhistische Lehrer-Schüler-Beziehung ist von ihrer Anlage her eine therapeutische Beziehung, es geht dabei um Umgang mit Leiden, wobei eine Seite auf der Basis von Vertrauen einen Teil ihrer Autonomie aufgibt - und sich dadurch potentiell für Ausbeutung (emotionale, sexuelle, finanzielle) öffnet. Das ist nicht nur eine Analogie, das ist eine Parallele.


    Nun hält der Gesetzgeber offensichtlich buddhistische Lehrer-Schüler-Beziehungen für grundsätzlich nicht hinreichend seriös, um ihnen de jure den Status eines "Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses" zuzuerkennen. Das scheint merkwürdigerweise selbst bei vielen Buddhisten nicht anders zu sein ...


    Wenn es tatsächlich, wie ja geltend gemacht wurde, in gewissen buddhistischen Überlieferungslinien "Tradition" ist, dass der Meister den Lehrling f*ckt, dann hege ich zumindest starke Zweifel daran, dass so etwas in die westliche Kultur des 21. Jahrhunderts inkulturierbar ist. Wobei man sich natürlich auch (mE zu recht) fragen kann, ob das tatsächlich noch etwas mit Buddhas Lehre zu tun hat.


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    Das soll jetzt genau WAS über Dzongsar Khyentse Rinpoche suggerieren?

    Soll das was über Dzongsar Khyentse Rinpoche "suggerieren"? Vielleicht könnte man helfen, wenn man wüsste, warum Du glaubst, dass man Dir etwas suggerieren möchte. Aka Onyx 9 hat ihre Beweggründe offengelegt, warum sie sich zu dem Thema sexuelle Beziehungen zwischen buddhistischen Lehrern und ihren Schülern äußert und warum sie es so tut, wie sie es tut. Das verdient in meinen Augen Respekt. Dass sie meint, da unüberbrückbare Unterschiede zwischen Dzongsar Khyentse Rinpoches Auffassung und ihrer eigenen feststellen zu können, ebenfalls. Das nennt man "Prüfen des Lehrers".


    Wenn Du das als suggestiv empfindest, dann vielleicht, weil Du ein Bedürfnis nach 'suggestions' (zu Deutsch: Vorschlägen) in dieser Frage hast?


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    Der Rigpa-Verhaltenskodex vom Juni 2018 enthält eine bemerkenswerte Formulierung (Hervorhebung von mir):

    Zitat

    Lehrer*innen, Kursleiter*innen und alle, die Rigpa repräsentieren, auf welcher Ebene auch immer, verpflichten sich [...] während einer Veranstaltung, eines Retreats, eines Kurses oder in jeglicher Situation, in der sie als Autoritätsperson auftreten, keine intime Beziehung mit einem*r Teilnehmer*in anzufangen. Außerhalb der eben genannten Umstände wird erwartet, dass jegliche intime Beziehung auf gegenseitigem Respekt basiert und offen bekannt ist, das heißt, nicht im Geheimen geführt wird.


    Nun kann man hinsichtlich intimer Beziehungen Anderer trefflich mutmaßen, ob und wie weit sie "auf gegenseitigem Respekt" basieren oder nicht und erwarten kann man viel. Das ist lediglich eine pompöse Leerformel. Entscheidend ist, dass anders als in 'Ethics Codes' anderer Gemeinschaften, sexuelle Beziehungen zwischen Meister(in) und Schüler(in) nach wie vor als zulässig angesehen werden. In anderen Codes wird hingegen gefordert, vor Aufnahme einer sexuellen Beziehung die Lehrer-Schüler-Beziehung aufzulösen und für die Lehrerrolle jemand anderen zu finden. Das ist die einzige Möglichkeit, (bei Nichtordinierten, versteht sich) sexuelle Beziehungen zuzulassen, ohne dass diese durch das zwischen den Beteiligten bestehende Autoritätsgefälle kontaminiert werden. Nur so kann einigermaßen sicher gestellt werden, dass der schwächere Teil diese sexuelle Beziehung tatsächlich selbstbestimmt eingeht.


    Wenn man sagt, ein Austausch des Lehrers sei im Vajrayana nicht möglich und dann sexuelle Beziehungen nicht grundsätzlich ausschließen will, dann sollte man das auch offen sagen: wenn du bei Rigpa Schüler(in) wirst, dann musst Du damit rechnen, dass dein Lehrer/Meister versucht, dich flachzulegen. Komm damit klar oder lass es bleiben. Oder, in den Worten der Vorsitzenden von Rigpa e.V.: "das ist bei uns Tradition". So viel unmissverständliche Deutlichkeit hätte ich mir von dem Papier gewünscht - da weiss wenigstens Jeder, woran er ist, wenn er zu Rigpa geht. Abgesehen vom Verzicht auf 'Geheimhaltung' (was aber lediglich "erwartet" wird) steht diese Vorgabe Zuständen, wie sie in Sogyal Lakars 'lama care' - Harem herrschten, in keiner Weise entgegen.

    Das Papier 'Gemeinsame Werte und Richtlinien der Rigpa-Gemeinschaft' (ebenfalls Juni 2018) enthält einen speziellen Abschnitt betreffend "qualifzierte Vajrayana- und Dzogchen-Meister*innen", der jedoch zum Thema 'sexuelle Beziehungen' lediglich eine äußerst vage Formulierung enthält:

    Zitat

    Im Rahmen der Meister*in-Schüler*in-Beziehung ist es sowohl für den*die Schüler*in als auch den*die Lehrer*in vollkommen angemessen, seine*ihre jeweiligen Grenzen zum Ausdruck zu bringen, und mit Unterstützung erfahrener Schüler*innen, Kursleiter*innen oder Lehrer*innen den*die Lehrer*in um Klärung zu bitten.


    Das kann man so verstehen, dass es auch im Rahmen einer "Meister*in-Schüler*in-Beziehung" in Ordnung ist, sexuelle Avancen abzuweisen und damit "seine*ihre jeweiligen Grenzen zum Ausdruck zu bringen". Falls das so gemeint sein sollte, wäre eine deutlichere Sprache sinnvoll. Insbesondere, wenn man sich den Abschnitt "Den Vajrayana-Pfad einschlagen" genauer anschaut:

    Zitat

    Menschen, die für sich entscheiden, dem Vajrayana-Pfad zu folgen und sich von einem*r Meister*in leiten lassen, wie es in den Vajrayana- und Dzogchen-Lehren dargelegt wird, können dies nur tun, indem sie formell diese Stufe der spirituellen Anleitung erbitten. [...] Stellt ein*e Schüler*in freiwillig und auf eigenen Wunsch einen derartigen formellen Antrag, gilt dies als Zustimmung zu dieser Stufe spiritueller Anleitung.

    Das erinnert zumindest mich doch sehr an Dzongsar Jamyang Khyentses berüchtigten "Vertrag". Auch da wäre es wünschenswert, etwas genauer zu spezifizieren, was "spirituelle Anleitung" auf solcher "Stufe" so alles umfassen kann. Beleidigungen? Schläge? Sexuelle Übergriffe? Das liest sich für mich wie vorsorgliches juristisches ass-covering.

    Insgesamt ist dies alles nach meiner Auffassung noch sehr weit entfernt von der Empfehlung des Lewis Silkin-Berichts:

    Zitat

    Es sollten umfassende und schriftliche Schutzbestimmungen eingeführt werden, um sicherzustellen [...] dass sexuelle Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern entweder komplett untersagt sind oder spezifischen Schutzmaßnahmen unterliegen, die sicherzustellen, dass kein Machtmissbrauch geschehen kann.

    "Aufarbeitung" würde ich das jetzt nicht nennen - eher Kosmetik.


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    Nach den letztes Jahr gegen Sogyal Lakar erhobenen Vorwürfen hatten Rigpa UK und Rigpa US die renommierte Anwaltskanzlei Lewis Silkin LLP beauftragt, die Sachlage aufzuklären und aus juristischer Sicht Handlungsempfehlungen für sie zu formulieren. Dies nur zur Verdeutlichung: die Anwaltskanzlei arbeitet für Rigpa als Klient, nicht für ehemalige Schüler/innen oder sonstige Personen, die sich durch Sogyal Lakar geschädigt sehen und ggf. Rigpa per Zivilklage dafür haftbar machen könnten. Das gibt den Feststellungen des Berichtes ein besonderes Gewicht. Die Veröffentlichung der Arbeitsergebnisse ist aus meiner Sicht als Beitrag Rigpas zu einer größeren Transparenz zu begrüßen.


    Der Untersuchungsbericht liegt jetzt seit ca. 2 Wochen vor: lewis-silkin-report.pdf (51 Seiten in Englisch). Er sollte mE Pflichtlektüre für Alle sein, die erwägen, sich auf eine samaya - Beziehung mit einem Vajrayana-Guru einzulassen. Eine deutsche Teilübersetzung (leider nur Einleitung und Handlungsempfehlungen ) findet sich hier: lewis silkin report intro and recommendations german.pdf.


    Es bleibt abzuwarten, ob und wie weit die nationalen Rigpa-Organisationen (nicht zuletzt Rigpa e.V. in Deutschland, aber vor allem Rigpa France und Lerab Ling) den Empfehlungen der Anwälte folgen.


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