Ich bin da zwiegespalten. Ich bin froh, dass ich das Buch bis zur letzten Zeile unvoreingenommen lesen konnte. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Malone und alle, die daran mitgewirkt haben, das Buch herauszugeben, damit gerechnet haben, dass schon nichts über Malones Vergangenheit rauskommen würde. Ich habe mir natürlich während des Lesens auch Gedanken darüber gemacht, warum nicht darin erwähnt wurde, aufgrund welches Vergehen er zu dieser langjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Und ich dachte mir, dass man ihn dann wohl sofort auf diesen Menschen reduzieren würde, der er war, als er sich schuldig machte und großes Leid verursachte.
Kinderschänder sind in der Gefängnishierarchie eigentlich an allerletzter Stelle, er aber ist im Knast zum Hoffnungsträger geworden. Das kann nicht von ungefähr kommen. In einer der Geschichten geht es z. B. um einen kambodschanischen Flüchtlingsjungen, der als 13jähriger im Knast landet und dann über Monate sein Zellengenosse wird und dem er Lesen und Schreiben beibingt Mit welchem Gefühl würde man die Geschichte lesen, wenn man von Malones Vergangenheit weiß? Würde man ihm nicht ganz andere Motive unterstellen? In einer anderen Geschichte geht es um einen psychisch kranken und hübschen jungen Mann, der Zielscheibe sexueller und sonstiger Gewalt im Knast wird und der alles dran setzt, in Malones Zelle zu kommen, weil er sich nur bei ihm sicher fühlt und es dort dann auch ist.
Mich lässt Malones Vergangenheit auch nicht unberührt. Es scheint mir ein gutes Lehrstück zu sein, inwieweit ich Menschen auf ihre Vergangenheit reduziere, auf eine bstimmte Rolle oder ein bestimmtes Bild festlege. Und das bei all der Auseinandersetzung mit einer Geistesschulung, die sich die Nicht-Identifikation auf die Fahnen geschrieben hat.