Beiträge von void im Thema „Kultur des Unperfekten“

    In der chinesischen Kultur war ja einer der grundlegenden Fragen, inwieweit der einzelne sich "kultivieren" sollte oder inwieweit das Natürliche dem Kultivierten vorzuziehen ist. Die Position des Kultivierens war die Position des Konfuzius: Aus einem rohen Mensch ensteht durch Bildung der feinsinnige Gentleman. Während die Position des Daoismus eine ist, die dieses Kultivieren als ein Abrücken vond er Natur ansieht und eher der Natur vertraut. Was auch damals schon mit einer gewissen Technikfeindlichkeit einherging: "Wenn einer Maschinen benützt" sprach Zhuang Zhou "so betreibt er alle seine Geschäfte maschinenmäßig; wer seine Geschäfte maschinenmäßig betreibt, der bekommt ein Maschinenherz."


    Später näherten sich die Positionen einander an. Auch der Pfad zu Natur und Einfachheit kann ja als eine Fähigkeit sein, die man nach und nach kultivieren muss, indem man seine Kompliziertheit verlernt.


    Verschoben

    Ich habe die Beiträge zu dem Unterthema Stolz in einen eignen Thread verschoben. void.

    Ich denke, der Zwang zur Kontrolle ist eine relativ neue Erscheinung. Vielleicht sogar ein Nebenprodukt des Humanismus und der Aufklärung. Mit Sicherheit der Industrialisierung und des Kapitalismus.

    Ich glaube die Idee, dass der Mensch alle möglichen äußeren Faktoren kontrollieren kann und kontrolieren sollte, ist relativ neu. Früher musste man man sehr viel mehr an äußeren Faktoren hinnehmen. Das Wetter, die Kindersterblichkeit, Seuche, Naturkatstrophen usw.


    Wobei es früher andere Formen des Perfektionismus gab: Nämlich den der sozialen und religiösen Rolle zu genügen. In vielen traditionellen Gesellschaften war dem Menschen genau vorgeschrieben, welche Kleidung er zu tragen hatte, welche Wörter er zu benutzen hatte, was er für Ansichten zu haben hatte, was seine Ästhetischen Vorlieben sein sollten usw. Das ging häufig mit ganz viel Aberglauben einher, was passiert, wenn man nur die geringste Sache falsch macht. Für die Azteken war das Leben wie im Nebel auf einer Bergspitze zu sein: Ein falsch gesetzter Schritt und man fällt ins Bodenlose. Auch wenn sich die Anspannung und Angst natürlich auf das Übernatürlich richtet, hat es vielleicht auch was mit unserer Anspannung und Angst zu tun, die uns eher dazu bringt, äußere Dinge unter Kontrolle zu bringen?

    Wenn man den Ausgangspost anschaut:

    Streben wir zwanghaft nach Perfektion oder können wir uns auch mit einer Kultur des Unperfekten anfreunden?

    Dann geht es ja um das "Zwanghaft Streben nach Perfektion", Also um eine Kukltur von Perfektionismus und Kontrolle. Ich finde es sinnvoll über diese "Kontrollsucht" und diesen "Perfektionismus" zu reden statt über das "Perfekte" und "Unperfekte". Weil diese Begriff nicht weiterführen, und man ja alles mögliche "Perfekt" nenen kann, wenn es einem gut gefällt oder Unperfekt wenn man einen Makel entdeckt.


    Von Alan Watts gibt es das Buch "Weisheit des ungesicherten Lebens" in dem Watts betont, wie sehr unsere Kultur eine Kultur der Ängstlichkeit geordfen ist, die nach totaler Kontrolle alle Lbensbereiche strebt. Und wie sehr dem gegenüber Religionen wie Taoismus und Buddhismus eine Weisheit des ungesicherten Lebens lehren, die nicht versucht alles zwanghaft zu kontrolieren.

    rightly versteh ich:

    recht/richtig/ ganz/

    richtige richtung. haltung.

    vorallem:

    vertrauens,-und glaubwürdig.

    "integer" ist auch ein schönes Wort. Gerade sitzen ohne sich zur Einseitigkeit verkrümmen und korrumpieren zu lassen.

    Im edlen achtfachen Pfad kommt ja dauernd das Wort "sammā" vor. Was manchmal mit "recht" übersetzt wird aber manchmal auch mit "vollkommen" - also "perfekt".


    Aber wenn man es genau anschaut, dann ist da, bei "sammā" und seinem Gegenteil "micchā" noch eine Bedeutungsnuance dabei: "micchā" ist nicht einfach nur "schlecht sondern eher partikular und einseitig. Während "sammā" das ist, was in der Hinsicht vollkommen ist, dass es nicht einsieitges und ncihts partikulares ist, sondern aus dem Ganzen heraus gedacht ist:

    Sammā, 2 (indecl.) (Vedic samyac (=samyak) & samīś “connected, in one”; see under saṃ°) thoroughly, properly, rightly; in the right way, as it ought to be, best, perfectly (opp. micchā)


    Micchā, (adv.) (Sk. mithyā, cp. Vedic mithaḥ interchanging, separate, opposite, contrary (opp. sa’yak together: see samma)

    Für unser Thema bedeutet das, dass etwas um perfekt im Sinne von "sammā" zu sein, gar nicht besonders toll sein muss, sondern das es "Hin auf das Ganze zielt". Auch wenn es selber nur Fragment ist.


    Zum Beispiel bei "rechter Rede". Es ist schon auf das Ganze zielend, wenn ich mit meiner Rede andere nicht über den Tisch ziehe. Es ist nicht notwenig, dass meine Rede alles möglich enthält, was sagbar ist.


    Oder wie die Schale von Meister Ryōkan. Sie ist nur ganz klein und aus Holz. Aber anscheined fast sie das ganze Universum, samt Haferbrei, Supppe, Reise.