Beiträge von Frieden-und-Freude im Thema „Eine Regel aus dem Pali-Kanon/Vinaya?“

    Ich empfehle noch einmal den englischsprachigen Wikipedia-Artikel, dessen Lektüre die oben stehende Diskussion überflüssig gemacht hätte.

    Mit bestimmten Ausnahmen ist Homosexualität oder Hermaphoditismus gemäß Vinaya ein Ausschlusskriterium. Auch die Lehre von den 4 Geschlechtern wird erwähnt:

    solche Stellen bringen mich immer zum zweifeln, wenn ich Vertrauen darin entwickeln will muss ich dann doch wieder daran denken dass Buddha ja auch der ist der Eunuchen grundsätzlich ohne mit ihm zu reden von sich weißt, ganz egal was der arme Kerl hinter sich hat.

    Nicht nur "Eunuchen" (bzw. Menschen mit abweichender sexueller Orientierung) werden von der Ordination ausgeschlossen, sondern auch Menschen, denen Hand oder Fuß fehlen, die einen Buckel haben, die blind, taub, stumm oder gelähmt sind, militärdienstpflichtig oder Sklaven sind, die Brandmale tragen etc. etc. etc.

    Grundbegriffe des Ordensrechts I


    Die Gründe dafür sind jeweils entweder das Ansehen des Ordens nach außen, die Einheit des Ordens nach innen und das Arrangement mit den politischen Machthabern (siehe Militärdienst).


    Man muss das schon so sehen, dass der Buddha-Orden (wie jede andere Religion auch, die historisch Bestand hatte), außerordentlich pragmatisch agiert und das Überleben der eigenen Organisation zur Priorität gemacht hat.

    Es ist also stets sinnvoll, Religionen als gesellschaftlichen Institutionen gegenüber kritisch zu sein. Und dennoch kann man dem Dhamma gegenüber Vertrauen entwickeln. (Nur möglichst kein blindes. :) )

    In den Regeln stehen (in meinen Augen) manchmal seltsame Sachen dabei. Das bezieht sich nicht nur auf "Intimität". Manchmal gab es scheinbar so etwas wie Präzedenzfälle und das wurde dann in die Regeln mit aufgenommen, zB. kein Knoblauch zu essen.


    Vinaya-Piṭaka IV - Bhikkhuni-Vibhanga

    Und sogar bei dieser eher nebensächlichen Geschichte mit dem Knoblauch-Verbot geht es sehr stark darum, wie der Orden auf Außenstehende wirkt:


    Zitat


    Ihr Mönche, wie kann bloß die Nonne Thullanandā, ohne das [rechte] Maß zu kennen, [derart] viel Knoblauch mitnehmen! Das, ihr Mönche, ist nicht erfreulich für die, die [noch] nicht [an der Lehre] erfreut sind, noch ver­mehrt es die Zahl derer, die erfreut sind. Jedoch bleiben, ihr Mönche, die [noch] Unerfreuten unerfreut, die Anzahl derer wird geringer, die an der Lehre erfreut sind und so manchen macht es schwankend.

    Vinaya-Piṭaka IV - Bhikkhuni-Vibhanga


    Ähnlich wie bei dem Verbot, Menschen mit abweichender Sexualität in den Orden aufzunehmen.


    Wobei ja heutzutage - zumindest im "Westen" - die Frage der Außenwirkung aufgrund veränderter Normen und Werte neu bedacht werden müsste.

    Die entsprechende Vinaya-Regel ist also historisch bedingt.

    Heißt das dann, der Buddha hat diese regel nicht aus Überzeugung sondern aus rein pragmatischen Gründen des Selbsterhalt der Mönchsgemeinschaft eingeführt? Dann muss sich der schwule also nicht denken er wäre nicht zur Buddhaschaft fähig oder schädlich für "richtige" praktizierende.

    Was der Buddha bei der Einführung bestimmter Regeln dachte und glaubte, ist natürlich oft Spekulation. Statt "was dachte sich der Buddha dabei?" würde ich die Frage so formulieren:

    Welche Funktion hat eine Regel?


    Und da gibt es selbstverständlich im Vinaya verschiedene Regeln, deren Funktion nur bezogen auf einen bestimmten historischen Kontext überhaupt verständlich ist.

    Vieles davon dient, wie Du sagst, "dem rein pragmatischen ... Selbsterhalt der Mönchsgemeinschaft".

    Um zum Ausgangspunkt der Diskussion zurückzukehren ...


    Der Ausschluss von Menschen mit abweichender sexueller Orientierung aus dem Orden des Buddha ist doch ein gutes Beispiel für die historische Bedingtheit vieler Vinaya-Regeln:


    Wie der zitierte englische Wikipedia-Artikel zeigt, ging es um das Ansehen der Sangha gegenüber den damaligen Laien-Unterstützern, das durch (angebliches oder tatsächliches) sexuelles Fehlverhalten oder Gerüchte eines solchen Fehlverhaltens von homosexuellen Mönchen gefährdet war. Es ging also um vitale Interessen der ursprünglichen Sangha.

    Die entsprechende Vinaya-Regel ist also historisch bedingt.


    Das ist ein wirklich interessanter Punkt.

    Laut englischer Wikipedia gelten bestimmte Formen abweichender sexueller Orientierung tatsächlich als Grund, jemand nicht in den Orden aufzunehmen.

    Das wird im Text auf Vinaya-Regeln zurückgeführt. Der Ursprung des Verbots liege darin, dass ein Ansehensverlust des Ordens befürchtet wurde.


    Zitat


    "Within the earliest monastic texts such as the Vinaya (c. 4th century BCE), male monks are explicitly forbidden from having sexual relations with any of the four genders: male, female, ubhatovyanjañaka and paṇḍaka; various meanings of these words are given below. Later, the Buddha allowed the ordination of women, forbade ordination to these other types of people, with exceptions to a few particular types of paṇḍaka.[12] The Buddha's proscriptions against certain types of people joining the monastic sangha (ordained community) are often understood to reflect his concern with upholding the public image of the sangha as virtuous; in some cases, this is explicitly stated. Social acceptability was vital for the sangha, as it could not survive without material support from lay society.[13]

    Ubhatovyanjañakas



    The word ubhatovyanjañaka is usually thought to describe people who have both male and female sexual characteristics: hermaphrodites[14] (intersex). In the Vinaya, it is said that ubhatovyanjañaka should not be ordained, on account of the possibility that they would entice a fellow monk or nun into having sex.[15]

    Paṇḍakas



    The paṇḍaka is a complex category that is variously defined in different Buddhist texts. In the earliest texts, the word seems to refer to a socially stigmatized class of promiscuous, passive, probably transvestite men, who were possibly prostitutes with other males.[16][17] Paisarn Likhitpreechakul argue that these men are grouped together as special types of those suffering impotence due to seminal absence/deficiency rather than gender roles.[18]


    Paṇḍaka are categorized with others who are also excluded from ordination; either those with physical abnormalities such as deafness or dwarfism, or those who have committed crimes.[19] "The Story of the Prohibition of the Ordination of Pandaka" from the Vinaya explains that the ban is a response to the example of a monk with an insatiable desire to be sexually penetrated by men, who requested and received this from some animal handlers, who then in turn related the incident to the wider community and brought disgrace upon the sangha.[20][21]"

    Buddhism and sexual orientation - Wikipedia