Beiträge von Doris im Thema „Die Kunst des Liebens - Die ganze Welt lieben?“

    "sanftmütig, tolerant, herzlich, usw.“ Das erinnert mich an den Zustand der Arbeitslosigkeit. Nicht nur der Partnerschaft hat meine Arbeitslosigkeit immer sehr gut getan. Nur leider (oder glücklicherweise?) war das nie von langer Dauer. Verschwindet dann wieder... (Hat Fromm auch ähnlich beschrieben. Siehe weiter unten.)


    Kein Wunder, dass Punkt 5 im Achtfachen Pfad „Vollkommener Lebenserwerb“ existiert. Die Arbeit beansprucht einen Großteil unserer Zeit und prägt uns entscheidend.


    Man wird zu dem was man tut. Demnach sollte ich also so tun, als wäre ich ein frisch verliebter Arbeitsloser? Einen „Vollkommenen Lebenserwerb“ kann ich mir nicht leisten.


    Kennt jemand eine(n) erleuchtete(n) Büroangestellte(n)? Wenn ja, wie lebt er/sie?

    Ich habe nicht beschrieben, wie es dazu kommt, sondern was es meiner Erfahrung nach ist.

    Es hat eben nichts mit "frisch verliebt" zu tun. Das war nur ein Vergleich, um zu zeigen, dass Liebe etwas ist, das von innen her kommt und nichts mit äußeren Bedingungen zu tun hat. Wenn Du eine offene Haltung nur haben kannst, wenn Du arbeitslos bist, dann hat das mit Liebe eben nichts zu tun, dann ist das ein Ausfluß Deines Wohlbefindens und von diesem abhängig.


    Genau diese Bedingtheit ist mit Verliebtheit vergleichbar. Stimmen die Bedingungen, die von Vorstellungen genährt wird, nicht mehr, dann versiegt die Verliebtheit. Verliebtheit ist ein Ego-Ding. Da geht es um die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse. Kommt zwar manchmal selbstlos daher, aber das ist nur zum Schein so. Man neigt ja gerne dazu, im Überschwang des Verliebtseins, dem Anderen die Welt zu Füßen legen zu wollen. Aber das dient der Befriedigung des angenehmen Gefühls des Verliebtseins, also einem selbst. Das scheint mir mit ein Grund zu sein, warum so mancher Helfer sich erschöpft.

    Verliebtheit ist dramatisch und nährt sich vom Drama.


    Liebe ist grundsätzlich anders. Da geht es nicht um einen selbst und die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse. Das ist so grundsätzlich Nicht-Ich, dass man den Eindruck hat, nicht die Quelle zu sein, sondern nur eine Art Durchlauf. Die Christen sagen "Gott ist die Liebe", vielleicht weil sie dieses Universelle, Entpersönliche erfahren: "Ich kann nicht anders. Das kommt nicht von mir. Das ist ein Geschenk." Da wird ein Wesen betrachtet, ohne das dessen Sein einem dienlich ist, und man erlebt diese Verbindung, die Bewunderung, dieses Staunen, diese Verbundenheit. Grundsätzliches Wohlwollen.

    Weil es kein Gefühl ist, kann das sich auch einfach ausdrücken: in Respekt, einem offenen Ohr, einem In-Ruhe-lassen, in Schutz … Das ist immun gegen die Kleinlichkeit der eigenen Emotionen: Ist der Kassierer ungehalten und man selbst hatte einen stressigen Tag und möchten dem Kassierer jetzt am liebsten wegen dessen Pampigkeit eine Retourkutsche verpassen, dann stellt sich schnell die Erkenntnis ein, dass dieser vielleicht auch einen schweren Tag hatte und man lässt ab. In der vollendeten Form, kommt das Bedürfnis nach Retourkutsche gar nicht auf, sondern da ist gleich Mitgefühl. Das muss gar nicht weich und sentimental daherkommen, sondern kann ganz nüchtern sein.


    Wir alle haben das in uns und diese Erfahrungen schon gemacht. Daher ist die Frage nach dem erleuchteten Büroangestellten obsolet. Es gibt ihn immer wieder. Wenn er übt, dann immer öfter. Mir ist vor Jahren der Satz begegnet: "Es gibt keine Erleuchtung, nur erleuchtete Momente." Je mehr ich darüber nachdenke, desto wahrer scheint er mir zu sein und mehr und mehr Facetten zu offenbaren.

    Man denkt gerne, dass Liebe ein Gefühl ist. Aber das stimmt nicht.

    Liebe ist eine Haltung.


    Das kann man kann einfach überprüfen:
    Im Zustand des Frisch-Verliebtseins, haben viele den Eindruck, die ganze Welt umarmen zu können. Sie werden sanftmütig und tolerant, herzlich und offen. Die Welt ist aber dieselbe. Es hat sich nur die innere Haltung geändert.

    Verliebtsein hält sich bekanntlich nicht lange, dann verschwindet diese Sichtweise auch wieder.

    Die liebende Haltung ist etwas anders, weil sie nicht rauschhaft ist. Daher ist sie auch stabil und lässt Verwerfungen und Misstöne zu.

    Liebe hat zudem was mit Entscheidung zu tun. Man entscheidet sich für diese Haltung und tritt von den eigenen Verstörungen, den Widerständen, Abneigungen und Neigungen zurück. Das ist wohl eine immer wieder zu erneuernde Entscheidung, zumindest für die meisten Menschen.

    Diese Haltung weitet sich automatisch aus und wird zur Gewohnheit.