Ich lese das so, dass es die formalisierte Kinhin-Meditation erst im 18 Jahrhundert gab. Kann das sein?
Nein. Riggs argumentiert, dass die heute in der Sōtōshū ausgeübte Form von Kinhin im wesentlichen auf Menzans Kinhinki und Kinhinkimonge zurückgeht. Das ist insofern richtig, als es in der Entstehungszeit des Kinhinki keine in der gesamten Sōtōshū verbindliche Form gab. So kritisiert Menzan beispielsweise konkret eine amidistische Form der Gehmeditation, die in entweder von der Tendaishū oder (wahrscheinlicher) von der Ōbakushū übernommen worden war. Oder auch das Gehen mit hängenden Armen; generell das Gehen im Kreis. Wie verbreitet diese Formen damals in der Sōtōshū waren, bleibt unklar. Jedenfalls gab es offensichtlich in der Sōtōshū keine einheitliche Form.
Generell sollte man wissen, dass Menzan als Reformer in der Sōtōshū eine ähnliche Rolle spielte wie sein Zeitgenosse Hakuin in der Rinzaishū. Sein Anspruch dabei war vor allem eine Rückführung auf die Standards des Gründers Dōgen und die Abschaffung später von anderen Schulen übernommener Praktiken. Das bedeutete konkret eine Vereinheitlichung der Standards und damit setzte er sich auch weitgehend durch.
Das Problem beim Kinhin war, dass es - anders als beim Zazen - keine von den Gründern Dōgen und Keizan hinterlassenen Standards zur formalen Ausführung gab. Diesen Standard erstellte Menzan mit dem Kinhinki wobei er in seinem Autokommentar zu diesem Text - dem Kinhinkimonge - klarstellte, auf welche Quellen er sich bei diesem Standard bezog. Eine besondere Eigenheit des heute in der Sōtōshū geübten Kinhin, die extreme Langsamkeit und die Koppelung mit dem Atem, führt er über Zitate auf Dōgen bzw. dessen Lehrer Juching zurück. Andere Aspekte führt er auf eine Vielzahl klassischer Quellen zurück, die u.a. auch die in Nordindien geübte Praxis der Gehmeditation beschreiben. An Sutrenquellen führt er vor allem das Lotossutra und Avatamsakasutra (s. auch oben mein Zitat) an.
Menzans Anliegen war es, die zu Dōgens Lebzeiten im Eiheiji geübte Kinhin-Praxis zu rekonstruieren, so gut es möglich war. Dass seine Rekonstruktion nicht über jeden historischen Zweifel erhaben ist, sollte nicht überraschen. Dass seine Rekonstruktion im Widerspruch zu den zu seiner Zeit in der Sōtōshū geübten Praktiken stand - also insofern tatsächlich eine Neuerung war - auch nicht.