Beiträge von Leonie im Thema „Der Bodhisattva des großen Mitgefühls und des Helfens“

    dass es da nicht nur ums Bodhisattva-Ideal geht, sondern dass die Beschreibung mit dem Griff nach dem Kissen eigentlich auch allgemein für absichtsloses Handeln verwendet werden kann. Auf das wolltest Du doch hinaus, oder?

    Darauf wollte ich nicht hinaus.:)


    Wie es schon im Kommentar von Dôgen heisst, geht es um das zugrunde liegende Prinzip: da ist einerseits die Kannon, wie sie in den Vorstellungen existiert, als mit unzähligen Armen und Augen und darauf bezogen fragt Yun-yan seinen Dharma-Freund Dao-wu - wozu benutzt sie das denn? Darin liegt ja schon das Häkchen - Dao-wu weiss ja, dass das nur eine Darstellung ist und dass diese Darstellung, wie alle Darstellungen eine Manifestation von shunyata ist. Vielleicht stehen die beiden vor einer Kannon-Statue - aber das wissen wir nicht. Shunyata bedeutet: da ist nichts zu ergreifen oder zu sehen - also wozu hat sie denn die Hände und die Augen, wenn es nichts zu ergreifen gibt und nichts zu sehen?

    Und die Aussage von Dao-wu ist etwas merkwürdig, jedenfalls für den normalen Verstand - ein Mensch in der Nacht greift nach seinem Kissen. Aber das ist genau die passende Antwort, wie in einem Spiegel - ein Mensch in der Nacht, im Dunkeln sieht nicht(s) und tappt mit der Hand um sich - bis das Kissen da ist. DIESER Mensch IST der Bodhisattva des Großen Erbarmens. Jedenfalls zu 80%.


    Quelle ist Fall 89 Hekiganroku "Ungans Hände und Augen".

    Mein Lehrer hat auf dem letzten Kurs dieses Beispiel mit dem Kopfkissen gebracht und da habe ich jetzt recherchiert wo das her stammt. Ich fand das so eindrücklich, dass ich das hier auch nicht ganz uneigennützig poste, damit ich es immer wieder finden kann.


    Hier im Forum wird das Bodhisattva-Ideal ja auch manchmal als Helfersyndrom belächelt, aber Meister Dogen sieht das anders. Im verlinkten Artikel stehen noch mehr interessante Details dazu.

    Wenn du das recherchiert hast, dann weisst du sicherlich auch, dass es hier ein Fall ist, der in zwei der berühmten Koansammlungen enthalten ist, dem Hekiganroku und dem Shoyoroku. Dabei geht es in diesen Beispielen NICHT um das Bodhisattva-Ideal oder um so was wie Helfen. Vielmehr manifestiert der Bodhisattva Avalokiteshvara shunyata - und wie es im Herz-Sutra heisst - gibt es da nichts zu sehen, zu hören, zu tun.

    herzsutra.pdf

    Deshalb heisst es auch in den einleitenden Versen dieses Koan "wenn der ganze Körper Auge ist, wo ist da Sehen?" Wenn der ganze Körper Ohr ist, wo ist da Hören? usw.

    Und nur so kann der Bodhisattva Avalokiteshvara auch der des Großen Erbarmens sein, weil er, in tiefster Weisheit versunken, erkennt, dass alles vollkommen ist.